Donnerstag, 10. Januar 2013

Unterwäsche in luftiger Höhe


Tobias Zafts neue Lichtinstallation „Dresscode“ soll die  Hamburger aufrütteln / Konzept-Künstler pendelt zwischen Peking und Quickborn 

Quickborn/Hamburg  In China ist er schon ein Superstar der Kunstszene. In Europa steht er womöglich vor dem ganz großen Durchblick: Tobias Zaft. Ab Montag will er in Hamburg mit seiner neuen Lichtinstallation „Dresscode“ für Furore sorgen. Dort wird er  ein  30 Meter langes Stahlseil  in 16 Meter Höhe über die Mönckebergstraße spannen lassen. Zwischen dem  Levantehaus  und der gegenüberliegenden Straßenseite. Daran hängen Wäschestücke aus Acrylglas, die  von innen mit LEDs beleuchtet werden – ein Spektakel, hinter dem allerdings eine  tiefere Bedeutung steckt. Ab 18.30 Uhr kann es bestaunt werden.
Gestern waren  Tobias Zaft und  seine charmante Frau  Zijuom Zaft zu Besuch in Quickborn.  Beide  leben und arbeiten hauptsächlich in Peking. Jedes Jahr halten die beiden  sich mehrere Wochen in der Eulenstadt auf.  Die Familie wohnt hier. Sein  Vater,  Edwin Zaft, ist selbst Künstler  und führt  das Offene Atelier an der Kieler Straße.  Der junge Künstler  ist auch  in Quickborn gemeldet, hierhin lässt er auch seine Post schicken. Weilt  er in China, hält er den Kontakt mit der Eulenstadt: „Über Skype unterhalten wir uns mit Tobias in Peking, Shanghai oder Tokio häufiger als mit unserem Sohn in Hamburg“, sagt Edwin Zaft.
Die Familie hat den Berufswunsch, als freier Künstler zu arbeiten, von Anfang an gefördert und unterstützt. „Seine Begabung war schon als Kind und in der Grundschule sichtbar – selbst ein Laie konnte das erkennen“, sagt sein Vater stolz.
Tobias Zaft, der fließend Chinesisch und Englisch spricht,  winkt ab. Das müsse  ja nicht in die Zeitung. Er ist hochkonzentriert. Trinkt Tee. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Tablet,  auf dem er mir den digitalen Entwurf   von „Dresscode“ zeigt. Der PC – auch er gehört  wie Stift, Pinsel und Papier  zum  Instrumentarium eines modernen Künstlers. 
Tobias Zaft berichtet über seine Vita und sein Kunstthema: „Der Mensch in seiner Umgebung.“   Nach dem Studium der Freien Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, wo er seine Frau kennen lernte,  kommt er über ein Stipendium nach China, wo er an der Central Academy of Fine Arts Beijing studiert.
Vor drei Jahren erregte seine Videoinstallation „Ding, Gang, Chui“ auf den Fassaden der Hochhaus-Türme des Jinchangan-Towers in Peking weltweit Aufsehen (wir berichteten):  Jeden Tag sind auf dem Gebäude die Umrisse von zwei Händen zu sehen, die „ Schere, Stein, Papier“, wie es bei uns heißt,  gegeneinander spielen.  „In einem chinesischen Spielfilm sieht man sie sogar im Hintergrund, und auch in einem Werbetrailer über China, der am Times Square gezeigt wird, ist sie zu sehen“, sagt er.
In Asien hat  er sich damit  seine ersten Meriten verdient. Inzwischen kann  er  auch von seiner Arbeit leben: „Früher waren die Fürsten die Mäzene der Kunst“, sagt Tobias Zaft, „heute sind es teilweise die multinationalen Unternehmen“.
Auf acht bis zwölf Projekte kommt Tobias Zaft jedes  Jahr.     Jüngste Werke: Sein Objekt „Fragile“, ein getunter Getränkeautomat, und  seine Raum-/Licht-Installation „Flexipolis“, für die Fritz Langs Film Metropolis“ Pate stand, ein  Highlight auf der Messe „Design Week“ in Peking.
Warum  arbeitet er in Asien? „China gibt mir die zur Arbeit nötige Inspiration als Gegenmodell zum westlichen Weltbild“, sagt er. In China hat er in den Metropolen die riesigen Flächen, die er für seine Lichtinstallationen braucht. Die Chinesen seien  unbürokratischer, schneller zu begeistern und  durch persönliche Kontakte besser zu erreichen.
Reinreden lässt er sich indes  nicht.  „Meine Arbeiten entstehen intuitiv. Es geht um die Idee dahinter“, sagt er.  Wie bei seinem neuen Lichtkunstwerk. „Ich will damit die Grenze vom Privaten zum Öffentlichen überschreiten. Öffentliche Räume werden heute von Politik und Wirtschaft gestaltet. Je weiter die Entwicklung eines Landes voranschreitet, desto austauschbarer  ist es. Übrig bleibt eine kalte, sterile Atmosphäre“, sagt Tobias Zaft. Bis zum 28. Februar wird er in Hamburg mit „Dresscode“ auf künstlerische Weise dagegen angehen.

René Erdbrügger

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