Donnerstag, 15. August 2013

"Elysium": Im Paradies ist kein Platz für den Pöbel


Matt Damon kämpft in dem SF-Spektakel „Elysium“ gegen eine Zweiklassengesellschaft
Ex-Sträfling Max De Costa (Matt Damon).
 Söldner Kruger (Sharlto Copley) hat Max gefunden.
Sony Pictures (2) 

So nah und doch so fern: Mit bloßen Augen sind von der Erde aus die Umrisse der Raumstation Elysium am Himmel zu sehen. Verheißungsvoll und schön „glitzert“ sie wie eine goldene Rolex oder ein Brillant-Ring von Tiffany. Dort oben, nur einen kurzen, etwa 20-minütigen  Shuttle-Flug entfernt, leben die Schönen und Reichen. Es ist ein Paradies mit Villen, Pools und Gärten, wo Neuankömmlinge von der Verteidigungsministerin Delacourt (Jodie Foster; „Taxi Driver“, „Der Gott des Gemetzels“) mit Champagner empfangen werden, die Sonne immer scheint, die Luft klar und rein ist  und es keine Sorgen gibt. Krankheiten wie Krebs werden dank entsprechender medizinischer Technik in nur wenigen Minuten  geheilt.
Für die meisten aber bleibt Elysium, in der griechischen Mythologie ist es die „Insel der Seligen“,  ein unerreichbares Ziel. Es ist das Jahr 2154, in dem die Schere zwischen Reich und Arm weit auseinanderklafft. Der Rest der Menschheit muss auf der Erde leben, die zu einem einzigen, überbevölkerten Slum geworden ist, und für die Reichen schuften. Wer sich illegal mit einem Shuttle der Station nähert, um Asyl zu suchen, wird auf Befehl von Delacourt, Verfechterin eines Anti-Einwanderungsgesetzes, abgeschossen oder deportiert.  
Die ersten Bilder des Science-Fiction-Films „Elysium“ zeigen Los Angeles, die Stadt, wo ein Teil der Handlung spielt: zerstörte Häuser, aufsteigender Rauch, Dreck, Müll, Armut und patrouillierende Roboterpolizisten à la „Robocop“ (1987). Es ist eine viel düsterere Version einer Zukunftsstadt als sie in „Metropolis“ (1927) oder „Blade Runner“ (1982) zu sehen ist – beides Klassiker des Genres, die mit ihren visionären, visuell beeindruckenden Stadt-Architekturen Filmgeschichte geschrieben haben.
Solche ästhetischen Zukunfts-Metropolen passen nicht in das Konzept des „Elysium“-Regisseurs Neill Blomkamp (33). Die Szenen auf der Erde wurden größtenteils auf einer riesigen Müllhalde außerhalb von Mexico City gedreht, Vancouver diente als Schauplatz für die Aufnahmen von Elysium – ein Bel Air hoch in luftiger Höhe. Doch die meiste Zeit blickt der Zuschauer in eine gleißende, verdreckte und verwüstete Landschaft.
2009 landete Blomkamp mit „District 9“ weltweit einen Überraschungshit in den Kinos. In dem kleinen Science-Fiction-Thriller, der mit wenig Geld gedreht  und  für vier Oscars nominiert wurde, erzählt der als Weißer in Südafrika aufgewachsene Regisseur von käferartigen Außerirdischen, die in einem Ghetto in Johannesburg kaserniert sind – eine kafkaeske, satirische  Allegorie auf die Apartheit, die mit skurrilen Einfällen nicht geizt. Hollywood wurde schnell aufmerksam auf den Wunderjungen.
Blomkamp bleibt seiner Rolle als Sozialkritiker weiterhin treu. Aber für Nuancen, wie es sie noch in  „District 9“ gab, ist diesmal kein Platz: In „Elysium“ erzählt er vom Aufstand der Besitzlosen gegen ihre Peiniger – ein Thema, wie geschaffen für das Kino: „Metropolis“ und „Die Zeitmaschine“ (1960) handeln davon, und zuletzt  musste Tom Cruise in „Oblivion“ antreten, um die Welt zu retten.
Die Aufgabe des Heilsbringers - das auf seinem Rücken implantierte Exoskelett erinnert an ein Kreuz - übernimmt hier der Ex-Sträfling Max De Costa (Matt Damon; „Promised Land“). Als der Fabrikarbeiter eines Tages eine tödliche Strahlendosis abbekommt und er nur noch fünf Tage zu leben hat, lässt er sich mit Verbrechern ein. Der Deal: Er soll wichtige Informationen aus dem Gehirn des elysischen Politikers John Carlyle (William Fichtner; „Lone Ranger“) im wahrsten Sinne des Wortes herunterladen. Als Gegenleistung verlangt  Max für sich und die an Leukämie erkrankte Tochter seiner Freundin Frey (Alice Braga; City of God“)  einen Shuttle-Flug zur Station, damit beide die rettende medizinische Versorgung  bekommen.  Erschwert wird der Auftrag  dadurch, dass der Söldner Kruger (Sharlto Copley; „District 9“), ein herrlich fieser Filmbösewicht, Max auf den Fersen ist.
Mag man Blomkamp für seine Sicht der Dinge, bei der es nur Gut und Böse gibt, belächeln, ihn als naiven Marxisten bezeichnen, aber die Inszenierung der brutalen, ästhetisierten  Kampfszenen auf dem Boden und in der Luft, die einen Großteil des Films ausmachen, offenbart scheinbar einen Menschen, den die US-Waffenlobby gern in ihren eigenen Reihen hätte.  Nur: Im Dauer-Kugelhagel zerplatzt Blomkamps Kritik am Turbo-Kapitalismus leider wie eine Seifenblase.       

René Erdbrügger
Bewertung: Annehmbar   
Erschienen am 16. August im Pinneberger 
Tageblatt/Flensburger Tageblatt/sh:z

"Das ist das Ende" - nein, das ist das Letztze

"Das ist das Ende" (Komödie)

Warum nicht weiter Party feiern, während die Welt untergeht? In Seth Rogens durchgeknallter Endzeitkomödie spielen sich Hollywoodstars wie James Franco, Jay Baruchel und Emma Watson selbst und nehmen die Traumfabrik und ihre Rollen auf die Schippe. Meist artet das aus: Anarcho-Humor trifft auf Zoten, die Tricks sind lausig, die Anspielungen auf Horrorfilm-Klassiker locken nicht mehr als ein müdes Lächeln hervor. Wenigstens hatten die Darsteller Spaß. "Das ist das Ende" ist das Letzte.

Bewertung: * Uninteressant

Only God Forgives, aber wir nicht

"Only God Forgives" (Drama)

Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn schuf mit dem Thriller „Drive“ (2011) einen der besten Filme der letzten Dekaden. "Only God Forgives" ist die zweite Zusammenarbeit mit  Ryan Gosling („Crazy, Stupid, Love“), den er durch die düstere Unterwelt Bangkoks irren lässt.
Stilisierte Ästhetik trifft auf Entschleunigung, Gewalt auf Dialog-Minimalismus. Man will ja glauben, dass hinter den Bildern eine Bedeutung liegt, doch es bleibt oberflächlich.

Bewertung: * uninteressant



Freitag, 2. August 2013

Die Bestie in Japan: "Wolverine: Weg des Kriegers"

Es beginnt mit dem Absturz der Atombombe auf Nagasaki und endet mit dem Kampf gegen einen silbernen Samurai-Roboter: So schlecht der erste "Wolverine"-Film war, so gut ist der zweite. Hugh Jackman, zuletzt in dem Musical "Les Misérables" zusehen,  als müder, todessehnsüchtiger Anti-Superheld trifft in  Japan auf einen Bekannten aus der Vergangenheit, dem er einst das Leben gerettet hat, und steht  plötzlich im Mittelpunkt eines Komplotts. Yakusa, Ninjas, Polit-Intrigen, hübsche Frauen und eine Lovestory - all das hat "Wolverine: Weg des Kriegers" zu bieten. Und der melancholische Mutant mit den Metallkrallen wird zur Bestie.
Bei Regisseur James Mangold ("Walk the Line") steht die Charakterstudie im Vordergrund, die Actionszenen bleiben überschaubar, aber in Erinnerung. Die Story fügt sich wunderbar in den asiatischen Kontext ein. Wenn Mangold  gegen Ende auch noch Kurosawas Macbeth-Film "Das Schloss im Spinnwebwald" (1957)  zitiert - in jener Szene, in der ein Pfeil-Regen auf Wolverine abgeschossen wird -  ist klar: Das ist die kunstvollste Comicverfilmung dieses müden Kinosommers.
René Erdbrügger

Bewertung: Herausragend