Samstag, 19. Juli 2025

Andrea Arnolds "Bird": Zwischen Härte und Poesie

Mit "Bird" legt Andrea Arnold einmal mehr einen Film vor, der mitten ins Herz trifft – und ordentlich daran rüttelt. Wer ihre Werke wie "Fish Tank" oder "American Honey" kennt, weiß, dass sie sich nicht für die bequemen Seiten des Lebens interessiert. Auch diesmal blickt sie dorthin, wo Kino sonst oft wegsieht: an die Ränder der Gesellschaft, mitten hinein in Lebensrealitäten, die hart, ungeschönt und zugleich voller leiser Poesie sind.

Ein Kind, das zu früh erwachsen sein muss

Im Zentrum der Geschichte steht Bailey (beeindruckend: Newcomerin Nykyia Adams), zwölf Jahre alt, aufgewachsen in einem tristen Londoner Vorort. Ihre Kindheit ist von Armut, Vernachlässigung und einer bedrückenden Trostlosigkeit geprägt. Ihr Vater Bug – gespielt von Barry Keoghan, der auch hier wieder zeigt, dass er komplexe Charaktere wie kaum ein anderer verkörpern kann – ist überfordert, emotional abwesend und mehr mit seiner neuen Freundin beschäftigt als mit seinen Kindern. Bailey wird zur Ersatzmutter, noch bevor sie selbst weiß, wer sie eigentlich ist.


 

Arnold zeigt diese Welt ohne Filter, aber auch ohne Voyeurismus. Die Kamera ist dicht an den Figuren, oft dokumentarisch, und fängt die Details des Alltags mit einer unglaublichen Unmittelbarkeit ein: Sommertage am Strand, überfüllte Zimmer, Partys – man glaubt, das alles förmlich spüren zu können. Doch inmitten dieser Härte blitzen immer wieder zarte, fast magische Momente auf.

Zwischen Sozialrealismus und magischem Realismus

In dieses soziale Brennglas platzt plötzlich Bird (Franz Rogowski), ein mysteriöser Außenseiter, der auf einem verlassenen Grundstück sein Lager aufgeschlagen hat. Mit seiner rätselhaften Art, seinem langen Rock und der scheinbaren Verbundenheit zur Natur wirkt er wie aus einer anderen Welt. Er spricht in Bildern, bewegt sich durch die Geschichte wie ein Geist – und wird für Bailey zu einer Art unerwartetem Vertrauten.

Mit Birds Auftauchen verschiebt sich der Ton des Films. "Bird" bleibt zwar Sozialdrama, öffnet sich aber auch in Richtung eines leisen magischen Realismus. Kein Effektgewitter, kein Eskapismus – sondern kleine, fast schwebende Momente, die Baileys innere Sehnsucht nach Freiheit, Geborgenheit und einem besseren Leben widerspiegeln."

"Bird" ist kein Film für zwischendurch. Er verlangt Aufmerksamkeit – und belohnt dafür mit einem tief berührenden Blick auf das, was oft übersehen wird: die Widerstandskraft von Menschen, die Hoffnung auf ein besseres Morgen. Andrea Arnold bleibt sich treu – radikal in der Ehrlichkeit, aber auch sensibel im Blick.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen