Mittwoch, 24. Dezember 2014

Exodus: Götter und König: Gott ist ein zorniger Junge


Ridley Scotts Monumental-Bibel-Epos über die Befreiung des Volkes Israel überrascht mit optischer Opulenz und Tiefgang

Zwei Stiefbrüder, die zu  Feinden werden, Sklaverei, blutige Schlachten und eine übernatürliche Macht, die die Menschen mit zehn grässlichen Plagen heimsucht. Nein, „Exodus: Götter und Könige“ ist alles andere als ein besinnlicher Weihnachtsfilm. Doch der Stoff, den sich auch ein begnadeter Drehbuchautor ausgedacht haben könnte,   hat Hollywood immer wieder inspiriert: „Die Zehn Gebote“  (1956) mit Charlton Heston bleibt genauso in Erinnerung wie die beeindruckende Disney-Adaption „Der Prinz von Ägypten“ (1998).
Nun schlägt Ridley Scott (77, „Alien“; „Gladiator“)  das Bibelkapitel aus dem alten Testament auf: Seine Vision der Geschichte um Moses, gespielt von Batman-Darsteller Christian Bale, der die Israeliten ins gelobte Land führte, ist ein visueller Triumph, der mit der Flucht des auserwählten Volkes vor der Armee des Pharaos und der Teilung des roten Meers seinen Höhepunkt erreicht.
Fast eine halbe Stunde dauert der Showdown, der mit allen Finessen der Computertechnik  ein bis dahin nie gesehenes 3D-Spektakel generiert, in dem der ägyptische Herrscher und seine Soldaten wie bei einem Tsunami von einer Riesenwelle niedergewalzt werden.
Es ist so, als wollte Scott   mit seinen überbordenden Landschaftspanoramen und Vogelperspektiven die Renaissance des Monumental-US-Kinos aus den 50er und 60er Jahren einläuten. Dagegen wirkt die „Noah“-Bibelverfilmung von Darren Aronofsky aus dem Frühjahr geradezu wie ein Kammerspiel und ästhetisch wenig aufregend.  Erzählerisch wählt Scott den konservativen Weg, indem er sich chronologisch an den biblischen Plot hält. Er  hetzt aber dabei oft sprunghaft von Szene zu Szene –  das  Problem vieler Sandalenfilme. 
Es ist das Jahr 1300 vor unserer Zeitrechnung:   Moses, ein Findelkind,  und Ramses (Joel Edgerton) wachsen gemeinsam wie Brüder in der ägyptischen Pharaofamilie auf. Als Ramses  seinem verstorbenen Vater Seti (John Turturro) auf den Thron folgt und Pharao wird, erfährt Moses von dem hebräischen Gelehrten Nun (Ben Kingsley), dass er auserwählt ist, die Sklaven von der Jochschaft der Ägypter zu befreien.   Ramses erfährt davon.  Der frisch gekürte Herrscher,  immer schon ein wenig eifersüchtig auf Moses, der Seti mit seinen kämpferischen Fähigkeiten zu Gefallen wusste, verbannt seinen Stiefbruder daraufhin in die Wüste und schickt ihm zwei Männer hinterher, die ihn töten sollen. Oder war es vielleicht  Ramses’ Mutter (Sigourney Weaver)? 
Doch Moses kann sich ins Exil retten, aus dem er schließlich zurückkehrt, um zum Aufstand aufzurufen, weil Jahwe nun mal von ihm verlangt, die Israeliten ins geheiligte Land Kanaan zu führen.
Den Fokus setzen Scott und sein Drehbuch-Team, darunter Steven Zaillian,    Autor  des Dramas  „Schindlers Liste“, ganz klar auf die  beiden Brüder.    Auf der einen Seite der charismatische Moses, der zu Beginn der Handlung gar nicht an Gott und Prophezeiungen glaubt, ein Zweifler, dann aber Frau und Kind verlässt, um seine Leute aus der Sklaverei zu befreien, auf der anderen Seite Ramses, hin- und hergerissen zwischen Rache und Sorge  um seine Familie. Dabei ist Ramses’  Zwiespalt  durchaus nachzuvollziehen. Gern würde er die Sklaven gehen lassen, aber das sei nicht produktiv, erklärt Ramses seinem Stiefbruder, als dieser ihn zur Rede stellt.
In solchen Szenen bekommt das  Bibelepos frischen Wind und schlägt die Brücke zur Gegenwart  und zu Debatten über moderne Arbeitsverhältnisse. Und wenn Gott Moses in Gestalt eines  zornigen Schuljungens erscheint, der keine Diskussionen zulässt, ist das nicht nur sehr originell, sondern dahinter ist der Agnostiker Scott zu spüren. Auch die Frage „Welche Fanatiker beten solch einen Gott an, der sogar Kinder tötet?“, muss sich Moses gefallen lasen.

In manchen Szenen deutet der Regisseur an, dass die Erscheinung des  Allmächtigen vielleicht doch nur in Moses’ Einbildung geschieht. Da legt uns Scott, der in einem Interview sagte,  der Glaube sei ihm in seinen Jugendjahren etwas abhandengekommen, aber all das stecke noch tief in ihm, doch noch ein Bonbon mit einem bitteren Kern auf den bunten Weihnachtsteller. ****

René Erdbrügger

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