Dienstag, 11. Februar 2014

Wie ein alter Römer: "The Wolf of Wall Street"

Ganz großes Kino: Martin Scorseses Satire über den Aktienbetrüger Jordan Belfort gerät mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle zu einem der unterhaltsamsten Filme der letzten Zeit. 

Edel-Prostituierte, Champagnerduschen, Berge von Kokain und  Dollarscheinen: In der brillanten Satire "The Wolf of Wall Street" lässt Martin Scorsese ("Taxi Driver") den Raubtierkapitalismus der späten 80er Jahre mit seiner römisch anmutenden Dekadenz wieder aufleben. John Belford, gespielt von einem bestens aufgelegten Leonardo DiCaprio,  ist ein Börsenmakler, der sich um die Moral nicht schert, und wertlose Anteilspapiere mit fiktiven Gewinnprognosen an gutgläubige Klienten verscherbelt. Je größer seine Firma wird, je mehr Geld er anhäuft, desto gieriger wird er. Sein hedonistisches Leben ist eine einzige, rauschende Party, auf der jede Ausschweifung die vorherige übertrifft. Von bizarr, wie in der Anfangssequenz, wo Liliputaner als Wurfgeschosse herhalten müssen, über albern, wie die Nuttenorgien oder der mit Dollarscheinen beklebte Körper einer Frau bis hin zu grotesk, wie die Quaalude-Überdosis-Sequenz, in der Belford, fast jeder Funktion seines Körpers beraubt,  nur noch zu seinem Ferrari robben kann und - zu Hause angekommen - seinen Freund, der das Zeug ebenso geschluckt hat, reanimieren muss.
Dass solch ein Lebensstil böse endet, ist der Dramatik geschuldet. Darüber hinaus gibt es diesen Belford wirklich. Der Film basiert auf seinem gleichnamigen Buch. Wer jetzt denkt, dass der Saulus zum Paulus wird, irrt. Das wäre auch zu viel des Guten. Mal das Ende abwarten, Folks.

Unverständlich, dass in vielen Kritiken zu lesen war, dass dieser Film ohne Substanz sei und bla bla bla. Dabei gerät Scorseses Satire mit einer Spielzeit von drei Stunden zu einem der unterhaltsamsten Filme der letzten Zeit. Gefühlt waren es eineinhalb Stunden. Wie kaum ein anderer versteht der Regisseur es, eine Fülle von Ereignissen und Schauplätzen in der Erzählstruktur homogen und fließend darzustellen.  Doch er hat noch viel mehr drauf:  Wer hier nur genau hinschaut, also die Oberfläche durchdringt, sieht, wie Belford ähnlich wie Hitler im Dritten Reich seine Wolfsmeute einstimmt, scharfmacht, um sie in einen fiskalen Krieg zu schicken. Mit wie vielen Facetten DiCaprio diesen windigen Leitwolf darstellt, charmant, grinsend und zum Schluss winselnd, manchmal die vierte Wand durchbrechend, das Wort also direkt an den Zuschauer richtend, das allein ist schon die Eintrittskarte wert. Der Oscar ist ihm gewiss.

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Text: René Erdbrügger



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