Dienstag, 31. Dezember 2024

"Squid Game 2": Neue Spieler, dieselben Regeln

Die südkoreanische Serie "Squid Game" sorgte 2021 für ein weltweites Phänomen. In der Serie geht es um eine Gruppe von Menschen, die in extremen finanziellen Notlagen sind und sich freiwillig für ein mysteriöses Spiel anmelden. Die Teilnehmer nehmen an einer Reihe von Kinderspielen teil, bei denen sie hohe Geldsummen gewinnen können. Doch der fiese Twist ist: Wer verliert, stirbt. Die Serie spielt mit dem Konzept von Armut, sozialer Ungerechtigkeit und menschlicher Gier.  

"Squid Game 2" setzt direkt nach den Ereignissen der ersten Staffel an, wobei sich die Serie zunehmend auf die Enthüllung des Systems hinter den Spielen konzentriert. In dieser Staffel erfahren wir mehr über die Organisation, die hinter den brutalen Spielen steckt, und über die Geschichte der Spieler und ihrer Beweggründe. Diese Weiterentwicklung ist eine der Stärken der zweiten Staffel: Sie öffnet die Serie für eine größere Dimension, indem sie politische und gesellschaftliche Themen weiter untersucht.

 


Hauptcharakter Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) ist nach den Ereignissen der ersten Staffel emotional und moralisch zerrissen. Die zweite Staffel zeigt, wie seine Erfahrungen in den Spielen ihn verändern und ihm eine neue Motivation geben, aber es gibt keine wirklich tiefgreifenden Entwicklungen. Es scheint fast, als ob er mehr als Repräsentant der moralischen Fragestellungen agiert, als ein Charakter, der durch die Ereignisse eine persönliche Transformation durchmacht.

Einige Elemente der Handlung erscheinen wie Wiederholungen der ersten Staffel. Die Spieler sind erneut in einem tödlichen Spiel gefangen, und der Wettbewerb bleibt nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt. Es gibt sicherlich neue Spiele und frische Wendungen, aber das Grundprinzip des „Überlebens durch Gier und Gewalt“ fühlt sich an vielen Stellen wieder wie eine Wiederholung an. Zwar bringt die Serie neue Charaktere und mehr Hintergrundgeschichte, aber manchmal hat man das Gefühl, dass die zugrunde liegende Dynamik der ersten Staffel zu wenig weiterentwickelt wurde.

Die visuelle Gestaltung von Squid Game bleibt ein weiteres Highlight der zweiten Staffel. Die stark stilisierten, kindlichen Spielwelten in leuchtenden Farben und die groteske Kluft zur Brutalität der Spiele sind nach wie vor ein markantes Merkmal der Serie. In dieser Staffel sehen wir jedoch einige Wiederholungen der Designs aus der ersten Staffel, was den Eindruck erweckt, dass die kreativen Ideen ausgereizt sind.

Genug gemeckert: Wer die erste Staffel mochte, wird auch an der zweiten Staffel Gefallen finden, auch wenn einige ihrer Versprechen noch nicht ganz eingelöst wurden. 2025 geht es weiter!

Die Serie "Squid Game" sowie die zweite Staffel ("Squid Game 2") sind exklusiv auf Netflix verfügbar.

Sonntag, 29. Dezember 2024

Düster und bedrohlich: Warum "They See You" überzeugt"

 

"They See You" verspricht mit seiner Grundidee – eine Gruppe von Fremden, gefangen in einer Hütte, beobachtet von unbekannten Kreaturen – einen spannenden und atmosphärischen Thriller. Der Thriller, eine Romanverfilmung, hält das Versprechen: Die Isolation der Figuren, unter anderem die eigenbrötlerische Mina (Dakota Fanning), die Unkenntnis über ihre Beobachter und die langsam zunehmende Spannung sind Elemente, die das Genre prägen. Die junge Regisseurin Ishana Shyamalan, Tochter des berühmten Filmemachers M. Night Shyamalan ("The Sixth Sense"), schafft es, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen, die ein Gefühl der Beklemmung vermitteln.


 

Auch visuell ist der Film ein Genuss. Die düstere Farbpalette, die bedrohlichen Waldlandschaften und die klaustrophobische Enge der Hütte tragen maßgeblich zur unheimlichen Stimmung bei. Das Sounddesign unterstreicht die visuelle Gestaltung hervorragend. Subtile Geräusche, die im Hintergrund rauschen, und plötzliche, laute Schreckensszenen tun ihr Übriges. Die Spannung baut sich langsam und bedrohlich auf,  geht nach der Flucht aus dem Wald wieder nach unten, um dann zum Schluss an Fahrt aufzunehmen. Klasse Debüt.

Freitag, 27. Dezember 2024

Die Stadt der Träume "Megalopolis": Coppolas monumentales Experiment

 

Francis Ford Coppola hat "Megalopolis" in erster Linie durch sein eigenes Vermögen und den Verkauf von Vermögenswerten (Weinberge) finanziert.Ob sich das gelohnt hat? Bei mir hinterlässt der Film ein zwiespältiges Gefühl. 

In "Megalopolis" treffen Vergangenheit und Zukunft aufeinander. Die Stadt New Rome, ein Spiegelbild des modernen New York, steht am Scheideweg. Architekt Cesar Catalina (Adam Driver) sieht eine Chance zur Erneuerung und setzt dabei auf ein mysteriöses Material. Doch der korrupte Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito) und andere mächtige Figuren stehen seinen Plänen im Weg. Zwischen politischen Machtspielen, persönlichen Dramen und philosophischen Überlegungen entwickelt sich ein epischer Kampf um die Zukunft der Stadt. Coppola verwebt historische Ereignisse, literarische Referenzen und futuristische Elemente zu einem komplexen Ganzen, das weniger fasziniert als  herausfordert."


 

Der Bezug zum alten, dekadenten Rom ist offensichtlich - wie zum römischen Staatsstreich im Jahr 63 v. Chr. (bei dem es Akteure namens Catalina, Cicero und Caesar gab). Aber dem nicht genug: Drivers erste große Szene besteht aus einer langen Hamlet-Zitat. Siddhartha, Marcus Aurelius, Sappho werden zitiert. Das fügt sich aber nicht zu einem großen Ganzen, und optisch sehen Filme wie "Metropolis" und "Blade Runner", deren Blaupause "Megalopolis" ist, auch heute noch viel besser aus. An seine Klassiker - Pate-Trilogie und "Apocalypse Now" - kommt Coppola eh nicht heran.

Die komplexe Handlung, die zahlreiche Charaktere und Handlungsstränge miteinander verwebt, wirkt dabei oft überladen und schwer nachvollziehbar. Die Dialoge sind häufig pathetisch und wirken gekünstelt. Coppola hat kein brillantes Alterswerk geschaffen. Die Götter - und Fans seiner Filme - werden es ihm verzeihen.

Donnerstag, 19. Dezember 2024

„The Substance“: Ein Thriller, der mehr verspricht, als er hält

 

Die Eröffnungsszene zeigt den Fall von Elizabeth Sparkle (Demi Moore), einst ein glänzender Star, heute nahezu ist die Tänzerin vergessen. Aus der Vogelperspektive sieht der Zuschauer, wie sie ihren Hollywood-Stern auf dem berühmten Walk of Fame in Los Angeles bekommt: Zunächst von Fans umringt und von Blitzlichtern beleuchtet, wird der Stern von heruntergefallenen Fast-Food-Verpackungen verschmutzt und schließlich von Rissen durchzogen. Das Schicksal vieler Schauspielerinnen.

The Substance" erzählt die Geschichte einer alternden Schauspielerin (Demi Moore), deren Ruhm verblasst ist. Um dem entgegenzuwirken und ihr jugendliches Aussehen wiederzuerlangen, greift sie zu einer dubiosen Substanz. Diese Substanz ermöglicht es ihr, eine jüngere Version von sich selbst zu erschaffen (glänzend gespielt von Margaret Qualley). 


 

Was zunächst wie eine Verjüngungskur aussieht, entwickelt sich bald zu einem Albtraum, als die beiden Versionen ihrer selbst in einen gefährlichen Konflikt geraten -  das erinnert an Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Die Substanz reicht immer nur für eine Woche, dann muss wieder getauscht werden. Plötzlich gerät alles aus dem Gleichgewicht, als das jüngere Ich nicht mehr mitspielen will. 

Der Film spart nicht mit Kritik an den unbarmherzigen Schönheitsnormen, dem Jugendwahn und dem ständigen Optimierungsdruck, insbesondere in der Welt des Showbusiness. Demi Moores Rolle scheint dabei eine direkte Anspielung auf ihre eigene Karriere und die damit verbundenen Herausforderungen zu sein. Großartig auch Dennis Quaid als schmieriger und sexistischer TV-Produzent.

Die Inszenierung ist stylisch und provokativ. Markante Farben, schräge Perspektiven und eklige Close-ups sorgen für eine verstörende Atmosphäre. Doch am Schluss trägt Regisseurin Coralie Fargeat viel zu dick auf: Im trashigen Finale fließt das Kunstblut in Strömen. Sonst wäre es ein brillanter Film geworden. 

Der Film "The Substance" ist aktuell bei Prime Video, Apple TV, freenet Video, maxdome, Mubi, MUBI verfügbar.

 



Sonntag, 15. Dezember 2024

„Alien: Romulus“ – Visuelles Spektakel

 

"Im Weltraum hört dich niemand schreien": Diesen Satz verbindet  jeder Filmfan mit "Alien", ein Klassiker des Genres von Ridley Scott. Der Sci-Fi-Horror hat in den letzten Jahrzehnten viele Gesichter angenommen, aber wenige Franchises sind so ikonisch wie die Alien-Reihe. Mit "Alien: Romulus" hat sich Regisseur Fede Álvarez "Don't Breathe" (2016) an den Stoff gewagt. Die Handlung ist chronologisch zwischen "Alien" (1979) und "Alien - Die Rückkehr" (1986) angesiedelt.

Im Mittelpunkt steht eine Gruppe junger Weltraumkolonisatoren auf einer gefährliche Mission, um einer harten Existenz zu entfliehen. Sie dringen in eine verlassene Raumstation ein, um wertvolle Technologie zu stehlen. Doch die Station birgt ein dunkles Geheimnis - und für die meisten den Tod.



Fede Álvarez' Inszenierung ist zwar stilistisch ansprechend, mit einem klaren Fokus auf klaustrophobische Atmosphäre und düstere, von Schatten durchzogene Szenerien. Aber während frühere Filme der Reihe eine ständige Weiterentwicklung des Aliens präsentierten, bleibt "Romulus" in vielerlei Hinsicht ein Rückschritt. Die Bedrohung ist wieder unmittelbarer und tödlicher, doch das Fehlen von neuen kreativen Konzepten rund um das Alien ist enttäuschend.

Während Scott im ersten immer auf langsame, beinahe quälende Spannungsaufbauten setzte, verliert sich "Romulus" zu oft in weniger effektiven Szenen, die mehr auf Schock als auf tiefgründigen, psychologischen Horror setzen. Dafür gibt es viele, viele Aliens und viele, viele Facehugger sowie die ein oder andere Ekelszene. Erstmals taucht auch ein Mensch-Xenomorph-Hybride auf.

Ja, solide, aber mehr nicht.

"Alien: Romulus" ist unter anderem über Apple TV, Amazon Video und Sky Store zu sehen.



Samstag, 14. Dezember 2024

The Sticky“: Ahornsirup-Raub mit überraschenden Wendungen

Zum Ende des Jahres noch so viele gute Serien in Kinoqualität: Eine davon ist "The Sticky", eine  Mischung aus Krimi und Komödie, die sich um einen ungewöhnlichen Raub dreht. Die Grundidee basiert auf einem echten Vorfall: 2011 und 2012 wurden in Quebec tausende Tonnen Ahornsirup gestohlen. In den sechs Folgen Serie wird dieser wahre Fall als Inspiration genutzt, aber die Handlung ist größtenteils fiktiv. Heißt es doch gleich zu Beginn: "This is Absolutely Not the True Story of the Great Canadian Maple Syrup Heist."


 

Es geht um eine Gruppe von skurrilen Charakteren, die durch ihre schlechten Entscheidungen immer tiefer in Schwierigkeiten geraten.Gleichzeitig zieht die Serie eine Parallele zu dem Film „Fargo“ der Coen-Brüder. So entfaltet sich eine Kriminalgeschichte, in der einige Einheimische in einer verschneiten frankokanadischen Landschaft in etwas verstrickt werden, das weit komplizierter und gewalttätiger wird, als sie es erahnen. Auch die Ungeschicklichkeit der Figuren und unerwarteten Wendungen sowie der trockene, lapidare Humor erinnern an die Filme der Coen-Brüder.

Die großartige Margo Martindale spielt eine entschlossene Ahorn-Bäuerin, die alles tut, um ihre Farm zu retten. Zusammen mit einem naiven Sicherheitsmann und einem erfahrenen Gangster schmiedet sie einen riskanten Plan.Unterdessen versuchen zwei Polizistinnen, herauszufinden, was vor sich geht, während die drei Antihelden ihnen immer einen Schritt voraus sind.Trotz eines etwas langsamen Starts findet die Serie schnell ihren Rhythmus und endet mit einem Cliffhanger.


Samstag, 7. Dezember 2024

Saltburn: Provokativ, fesselnd, verstörend

Eigentlich hat man schon alles gesehen und dennoch vermag "Saltburn" zu schockieren. Eine der umstrittensten Szenen zeigt, wie der Protagonist Oliver das Badewasser seines Bekannten Felix schlürft, in der dieser zuvor onaniert hat. Ekelhaft. Genau. Das will niemand im Gedächtnis behalten. Dabei bleibt es nicht. In einer weiteren schockierenden Szene wird Oliver gezeigt, wie er sexuelle Handlungen auf einem Grab vollzieht. Der Ruf eilt diesem Film voraus.

"Saltburn" ist ein düsterer, oft verstörender und zugleich brillant inszenierter Film von Regisseurin und Drehbuchautorin Emerald Fennell, die mit ihrem ersten Film "Promising Young Woman" (2020)  schon überzeugte. Nun entführt Fennell die Zuschauer in eine Welt der Oberflächlichkeit, der gesellschaftlichen Hierarchien und der Faszination für Reichtum, Macht und moralische Ambiguität.


 

 

Die Geschichte folgt Felix Catton (Jacob Elordi), einem charismatischen, aber mysteriösen Studenten an einer britischen Universität. Felix stammt aus einer wohlhabenden, exzentrischen Familie, die in einem gigantischen, abgelegenen Landhaus – Saltburn – lebt. Der Film beginnt, als Oliver Quick (Barry Keoghan), ein eher unauffälliger und unsicherer Student, von Felix in dessen Welt eingeführt wird. 


 

Oliver ist fasziniert von Felix’ Lebensstil und wird zu einem ständigen Begleiter der Familie, die schnell seine wahren Absichten in Frage stellt. Die Geschichte entwickelt sich zu einer dunklen Studie über Manipulation, Verführung und den drängenden Wunsch, einem Leben der Reichen und Schönen beizutreten. Felix hat etwas von Tom Ripley aus den Romanen von Patricia Highsmith.

Mehr soll hier nicht verraten werden. Der Film nimmt eine Wendung, die der Zuschauer nicht kommen sieht. "Saltburn" ist ein Film, der auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Er ist ein packendes Porträt von Macht, ein psychologisches Drama und ein verstörender Thriller mit einer ikonischen Schlussszene, in der Oliver triumphierend und nackt tanzt - zu dem Song "Murder on the Dancefloor" von Sophie Ellis-Bextor. Wie passend.  

Sonntag, 1. Dezember 2024

Damien Chazelles "Babylon": Ein Rausch aus Glanz und Elend

 

Hollywood in den 1920er Jahren: Es beginnt mit einem riesigen Elefanten, der auf den Straßen von Los Angeles transportiert wird. Immer höher hinaus auf einen Hügel, wo das Anwesen eines Filmmoguls steht. Das Tier ist als exotische Einlage für eine orgiastische Hollywoodparty gedacht. Doch der verunsicherten Elefant kann nur noch eins: Er entleert seinen Darm.

In der Eröffnungssequenz wird die Richtung angegeben: Der Elefant ist ein Symbol für die extravagante Natur der Filmindustrie in dieser Zeit – ein Zeichen des Überflusses, der Verschwendung, der Dekadenz und der verrückten Ambitionen, die mit der Entstehung von Hollywood einhergingen. Die Traumfabrik nimmt ihre Arbeit auf.   

Damien Chazelles "Babylon" ist ein überwältigendes und opulentes Werk, das die Anfänge von Hollywood und das Leben der Menschen hinter den Kulissen der Filmindustrie zu einem epischen Spektakel verdichtet. Mit einer Laufzeit von fast drei Stunden und einer Vielzahl von Charakteren und Erzählsträngen gelingt es Chazelle, die exzessive, wilde Zeit des Umbruchs von Stumm- zu Tonfilmen in den 1920er Jahren darzustellen – aber nicht ohne die dunklen Seiten dieser Entwicklung zu zeigen.

Der Film ist eine Mischung aus Satire, Tragödie und Historie Hierfür greift Chazelle auf eine Reihe exzentrischer, bunter Charaktere zurück: Der aufstrebende Schauspieler Jack Conrad (Brad Pitt),deren Aufstieg und Fall die Höhen und Tiefen des Showbusiness symbolisieren, die ehrgeizige Schauspielerin Nellie LaRoy (Margot Robbie) und der betont rational denkende Produktionsassistent Manny Torres (Diego Calva) sind nur einige der Protagonisten, die in einer Geschichte aus Ruhm, Zerfall und Selbstzerstörung eingebunden werden.

Von den opulent inszenierten Partys mit Drogen und Kokain, die vor Dekadenz und Wahnsinn strotzen, bis zu den intensiven, bisweilen grotesken Set-Aufnahmen, die die ständige Arbeit im Filmbusiness widerspiegeln – der Film ist in jeder Hinsicht ein visuelles Fest. 

Es gibt so viele gute Szenen: In einer fährt die Kamera durch zig Stummfilmsets, an denen nicht alles reibungslos läuft - schon damals produzierte Hollywood Filme wie am Fließband. 


 

In einer anderen Szene wird ein Schauspieler, der die Rolle eines „afrikanischen“ Charakters spielen soll, einem Casting-Director vorgestellt. Der Regisseur ist jedoch nicht zufrieden mit seiner Darstellung, weil er glaubt, dass der Schauspieler „nicht schwarz genug“ aussieht. Er soll sich deswegen schminken - Blackfacing für People of Color. Diese groteske Szene verdeutlicht den extremen Rassismus und die stereotype Denkweise der damaligen Filmindustrie, in der die Darstellung von Afroamerikanern oft auf überzogene Klischees reduziert wurde. 

In der Schlussszene sehen wir Manny Torres, der sich am Ende des Films von der Filmindustrie entfernt hat. Er blickt auf das heutige Hollywood und dessen Entwicklung. Diese Szene spielt in einem modernen Kino, das eine Vorstellung des Films Singin' in the Rain (1952) zeigt, einem ikonischen Film über den Übergang von der Stummfilm-Ära zum Tonfilm, was auch thematisch eine Art „Spiegelung“ der Geschichte von Babylon ist.

Die Kamera fährt dann zu einer langen, epischen Montage, in der Szenen aus dem gesamten Hollywood-Kino gezeigt werden – eine Feier der Filme und der Kunstform selbst. Diese Montage ist sowohl eine Hommage an das Kino als auch eine Meditation über den Zyklus von Ruhm und Vergessenheit. Die Bilder zeigen eine Vielzahl ikonischer Filmszenen, die durch die Jahrzehnten hinweg die Filmgeschichte prägten, vom frühen Kino bis zu moderneren Meisterwerken wie "Der Pate", "Casablanca", "Citizen Kane", "Vertigo", "2001: Odyssee im Weltraum", "Pulp Fiction" und, und, und. Das ist so ergreifend. Babylon ist eine großartige  künstlerische Auseinandersetzung mit der Mythologie Hollywoods. Ein Meisterwerk. 

Roman "Yellowface": Kulturelle Aneignung unter der Lupe

 

Rebecca F. Kuangs "Yellowface" ist ein Roman, der unter die Haut geht. Mit scharfem Blick und sarkastischem Humor legt die Autorin die Schattenseiten der Literaturbranche bloß und wirft dabei einen ebenso kritischen Blick auf Themen wie Identität, Rassismus und kulturelle Aneignung.

Im Zentrum der Geschichte steht June Hayward, eine erfolglose weiße Schriftstellerin, die von der literarischen Karriere ihrer chinesisch-amerikanischen Freundin Athena Liu fasziniert ist. Als Athena unerwartet stirbt, sieht June ihre Chance gekommen. Sie stiehlt Athenas Manuskript, bearbeitet es geringfügig und veröffentlicht es unter eigenem Namen. Der Roman wird zum Bestseller, und June wird gefeiert. Doch ihr Erfolg ist währt nicht lange.



Kuang zeichnet ein vernichtendes Bild der Verlagswelt, in der Identität zu einem Marketinginstrument verkommt und Diversität oft nur als Lippenbekenntnis dient. June, die sich als weiße Autorin nicht gehört fühlt, versucht, von den Privilegien einer marginalisierten Stimme zu profitieren, ohne die damit verbundenen Erfahrungen zu teilen. Ihre Taten legen die Doppelmoral der Branche bloß.

"Yellowface" ist aber nicht nur eine Anklage gegen die Verlagswelt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Identität. June, die ihre eigene Identität ständig hinterfragt, gerät in einen Strudel aus Lügen und Selbstbetrug. Der Roman wirft die Frage auf, inwieweit Identität konstruiert ist und ob es legitim ist, Erfahrungen anderer zu übernehmen.

Die Satire in "Yellowface" ist dabei oft bitterböse und lässt den Leser nicht unberührt. Kuang spart nicht mit Kritik an der Literaturbranche, den sozialen Medien und der Gesellschaft im Allgemeinen. Gleichzeitig gelingt es ihr jedoch, auch Mitgefühl für ihre Protagonistin zu erzeugen, die in ihrem verzweifelten Versuch nach Anerkennung tragisch scheitert.

R.F. Kuang Schreibstil ist prägnant und bissig. Die Autorin nutzt eine Mischung aus scharfzüngiger Satire und spannungsgeladener Erzählweise. Wie sie es schafft, komplexe gesellschaftliche und kulturelle Themen zugänglich und unterhaltsam darzustellen, ist brillant.  


Rebecca F. Kuang:"Yellowface", Eichborn, 24 Euro

Samstag, 23. November 2024

"Tár": Die dunkle Seite des Genies

Besser kann man eine Figur wohl nicht einführen: Der Film beginnt mit einer langen, intensiven Nahaufnahme von Cate Blanchett als Lydia Tár. Ihr Gesicht ist in tiefes Licht getaucht, während sie in einem Interview zu sehen ist. Sie hält einen langen Monolog, in dem sie über ihre Karriere, ihre Kunst und ihre Sicht auf die Welt spricht. Tár präsentiert sich als eine charismatische und intellektuelle Frau, die jedoch auch eine gewisse Arroganz und Selbstgefälligkeit an den Tag legt.

Die Szene ist visuell beeindruckend gestaltet. Die Kamera bewegt sich langsam und bedächtig, um die Atmosphäre von Konzentration und Kontrolle zu unterstreichen. Die Farbpalette ist kühl und distanziert, was zur emotionalen Kälte der Figur beiträgt. Die Eröffnungsszene ist ein Meisterwerk der Inszenierung und legt den Grundstein für den gesamten Film.

"Tar", so der Filmtitel, von Regisseur Todd Field begleitet Lydia Tár in ihrem Alltag, der von Proben, Auftritten und der Vorbereitung ihrer nächsten großen Aufnahme geprägt ist. Als erste Chefdirigentin eines Berliner Orchesters bereitet sie gerade die  Live-Aufnahme von Mahlers 5. Sinfonie vor. Sie gilt als Genie und wird von ihren Kollegen verehrt, doch ihre Machtposition und ihr Perfektionismus führen zu Spannungen.

Ihr scheinbar perfektes Leben beginnt zu bröckeln, als immer mehr dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht kommen. Als angesehene Dirigentin nutzt Tár ihre Position, um junge Musikerinnen zu fördern. Diese Abhängigkeit macht sie jedoch auch anfällig für ihre Avancen. Der Film deutet an, dass sie möglicherweise mehrere Affären mit ihren Schülerinnen hatte, obwohl sie in einer Beziehung ist. Mit ihrer Ehefrau, der Geigerin Sharon (Nina Hoss), die zudem Konzertmeisterin des Orchesters ist, hat sie eine kleine Tochter.

"Tar" steht im Kontext der #MeToo-Bewegung, die Machtmissbrauch in verschiedenen Bereichen, insbesondere in der Unterhaltungsindustrie, aufgedeckt hat. Lydia Tár ist ein weiblicher Harvey Weinstein. Beide zeigen ein Muster von Verhaltensweisen, das darauf abzielt, ihre Opfer zu isolieren und sie dazu zu bringen, ihre Handlungen zu rechtfertigen.Während der ehemalige Filmmogul Harvey Weinstein für seine Taten verurteilt wurde, bleibt Társ Schicksal offener - doch Misstrauen und Eifersucht führen letztendlich auch zu ihrem Fall.


 

"Umberto Eco - 'Eine Bibliothek der Welt': Der Herr der Bücher

Auch Dokus können faszinierend sein: "Umberto Eco - Eine Bibliothek der Welt' ist mehr als nur ein Film über seine Biblitohek – er ist eine Hommage an einen der größten Intellektuellen (1932 - 2016), dem Autor von Büchern wie "Der Name der Rose", "Das Foucaultsche Pendel" und "Baudolino", um nur einige zu nennen.

Regisseur Davide Ferrario lädt uns ein, auf eine faszinierende Reise durch die Gedankenwelt des Autors zu gehen und die Bedeutung von Büchern in unserem Leben neu zu entdecken. Seine Nachfahren und Erben führen durch die labyrinthisch anmutende Wohnung, gefüllt mit etwa 30.000 Werken sowie 1.500 antiken und seltenen Büchern, auch Okkultes ist dabei.



Die Bibliothek in Ecos Vorstellung ist unendlich – ein Raum, der niemals endet und in dem jede Wissens- und Informationsquelle zu finden ist. Wie heißt es in "Der Name der Rose": "Wer nicht liest, wird mit 70 Jahren nur ein einziges Leben gelebt haben: Sein eigenes. Wer liest, wird 5000 Jahre gelebt haben: Er war dabei, als Kain Abel tötete, als Renzo Lucia heiratete, als Leopardi die Unendlichkeit bewunderte. Denn Lesen ist eine Unsterblichkeit nach hinten." So ist die Doku auch ein Plädoyer für die Literatur, das Buch, das Lesen.

Ein Wermutstropfen bleibt: Die Bibliothek existiert nicht mehr. Ecos Familie beschloss, die Bibliothek an verschiedene Institutionen in Mailand und Turin zu verschenken. 


 


Freitag, 22. November 2024

"Wolfs" - Buddy-Komödie mit George Clooney und Brad Pit

Der Film "Wolfs" unter der Regie von Jon Watts ist eine stilvolle Krimikomödie, die schwarzhumorige Elemente mit temporeicher Action und klassischem Noir-Flair verbindet. Im Mittelpunkt stehen zwei rivalisierende „Fixer“, gespielt von George Clooney und Brad Pitt, die unwissentlich für denselben Auftrag engagiert werden: Sie sollen ein Verbrechen vertuschen, das in einem Hotelzimmer eskaliert. Was als routinemäßiger Job beginnt, entwickelt sich schnell zu einem chaotischen Katz-und-Maus-Spiel, bei dem weitere Komplikationen und unerwartete Wendungen die Protagonisten immer tiefer in Schwierigkeiten bringen. Dabei stoßen sie auf eine Verschwörung, die weit über ihren ursprünglichen Auftrag hinausgeht.

Die neonbeleuchteten Straßen und schneeverwehten Gassen von New York City bilden eine visuell beeindruckende Kulisse, die den Film ästhetisch aufwertet. Tatsächlich grieselt es während der ganzen Handlung. Der Film punktet mit bissigen Dialogen und absurden Szenarien, die an die Werke von Shane Black oder Quentin Tarantino erinnern.Watts erfindet das Rad zwar nicht, aber er bietet genug Witz und Style.

"Wolfs" ist über den Streamingdienst Apple TV+ zu sehen.


 


Donnerstag, 21. November 2024

"The Holdovers": Zwischen Zynismus und Herz

 

Nostalgie pur: Alexander Paynes Tragikomödie "The Holdovers" verbindet feinsinnigen Humor mit emotionaler Tiefe. Die Geschichte spielt im Jahr 1970 an einem Neuengland-Internat und handelt von drei Außenseitern, die während der Weihnachtsferien aus verschiedenen Gründen dort bleiben müssen: dem zynischen Geschichtslehrer Paul Hunham (Paul Giamatti), dem rebellischen Schüler Angus Tully (Dominic Sessa) und der warmherzigen, aber trauernden Köchin Mary Lamb (Da’Vine Joy Randolph). Besonders beeindruckend ist Randolphs Darstellung von Mary, deren Verlust ihres Sohnes in Vietnam eine zentrale emotionale Achse bildet. Dafür gab es zu Recht den Oscar.

Die Figuren sind zunächst von Isolation und Verletzungen geprägt, entwickeln sich aber durch subtile Dialoge und intime Szenen, wodurch die Geschichte glaubwürdig und anrührend bleibt. In einer Schlüsselszene sitzen Paul und Angus zusammen bei einem spärlichen Weihnachtsessen. Paul, gewohnt sarkastisch, versucht durch trockenen Humor das Beste aus der bedrückenden Situation zu machen. Angus hingegen wirkt abweisend und macht bissige Bemerkungen, die Paul zu einer Mischung aus Frustration und belustigter Toleranz treiben. Der Dialog enthüllt ihre verletzlichen Seiten: Paul, ein einsamer Mann mit einer verbitterten Sicht auf die Welt, und Angus, ein Jugendlicher, der sich von seiner Familie im Stich gelassen fühlt.

"The Holdovers" ist kein lauter Film, sondern eine leise, herzliche Erzählung über Einsamkeit und Freundschaft mit einem wehmütigen Ende.



Sonntag, 17. November 2024

Kurz belichtet: "Godzilla x Kong ++ "Emily the Criminal" ++ "Das Lehrerzimmer"

 

"Godzilla x Kong: The New Empire": Der Film setzt nach den Ereignissen von "Godzilla vs. Kong" an. Während Kong sich in die Hohlerde zurückgezogen hat, um nach weiteren seiner Art zu suchen und sich von den Strapazen des letzten Kampfes zu erholen, bleibt Godzilla auf der Erdoberfläche und wacht über das Gleichgewicht. Ein mysteriöses Signal aus der Tiefe der Hohlerde zieht Godzilla an. Die Menschen, insbesondere die Wissenschaftler von Monarch, werden neugierig und begeben sich auf eine Expedition, um den Ursprung dieses Signals zu ergründen. Sie stoßen dabei auf eine bisher unbekannte Zivilisation von Titanen und auf einen neuen, mächtigen Gegner: den Skar-King.

Genau: Klingt ganz schön gaga. Die Handlung folgt bekannten Mustern und bietet wenig Überraschungen. Der Film liefert genau das, was man erwartet: eine Menge Action und Zerstörung.  Die spektakulären Kämpfe zwischen den beiden Titanen sind das Highlight des Films. Kommt an die Vorgänger aber nicht heran, Godzilla-Fans werden es dennoch lieben.

 



"Emily the Criminal": Der Thriller erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die in eine Welt der Kriminalität gerät. Emily, gespielt von Aubrey Plaza, ist hoch verschuldet und findet kaum Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt. Als sie einen Nebenjob als Kreditkartenbetrügerin annimmt, stürzt sie sich immer tiefer in eine gefährliche Unterwelt. Der Film zeichnet ein düsteres Bild von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Verzweiflung vieler junger Menschen in den USA.

Aubrey Plaza liefert eine beeindruckende Leistung als Emily. Sie verkörpert eine komplexe Figur, die zwischen Moral und Überleben kämpft. Super-Performance. Regisseur John Patton Ford erzählt dicht und schnell ohne Umwege. Die Spannung baut sich langsam auf und gipfelt in einem intensiven Finale. Ein großartiger Film.

"Das Lehrerzimmer": Carla Nowak (Leonie Benesc), eine engagierte Lehrerin, sieht sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert, als ein Diebstahl die Ruhe an ihrer Schule stört. Ein wertvoller Gegenstand verschwindet spurlos, und die Suche nach dem Täter löst eine Kettenreaktion aus.Verdächtigungen fallen auf verschiedene Schüler, und alte Konflikte werden wiederbelebt.Und dann läuft im Lehrerzimmer ein Vater auch noch Amok. 

Während Carla versucht, den Schulalltag aufrechtzuerhalten, gerät sie in einen Strudel aus Ermittlungen, Schuldzuweisungen und persönlichen Belastungen. Regisseur İlker Çatak zeigt das Scheitern einer Pädagogin – anders als bei Goethe ist sie die Person, die stets das Gute will und stets das Böse schafft – in einem "kranken" Schulsystem.




Samstag, 16. November 2024

Historiendrama "Napoleon": Großer Feldherr, lausiger Lieberhaber

 

Held oder Tyrann, grandioser Politiker oder doch eher ein Kriegstreiber.  Das Ansehen Napoleons (1769-1821) im heutigen Frankreich ist ambivalent, der vor 200 Jahren verstorbene Kaiser polarisiert noch immer.Der Regisseur Ridley Scott wagt sich an den Mythos.

Der Film ist ein historisches Epos, dass das Leben des französischen Kaisers von seinen Anfängen in Korsika bis zu seinem Exil auf St. Helena nachzeichnet. Scott  konzentriert sich auf Napoleons Aufstieg zur Macht, seine militärischen Triumphe und seine turbulente Beziehung zu Josephine de Beauharnais.

Der Film zeigt Napoleon, gespielt von Joaquin Phoenix, als einen jungen, ehrgeizigen Offizier, der sich durch seine militärischen Fähigkeiten schnell einen Namen macht. Seine Rolle in der Französischen Revolution und seine späteren Eroberungen in Italien und Ägypten werden ausführlich dargestellt.

Die Beziehung zwischen Napoleon und Josephine wird als zentrale Achse der Handlung inszeniert. Ihre Liebe ist leidenschaftlich, aber auch von politischen Kalkülen geprägt. Josephines Einfluss auf Napoleon wird betont, ebenso wie ihre Rolle als erste Dame Frankreich. Der Film präsentiert eine Reihe von Napoleons berühmtesten Schlachten, darunter Austerlitz und Waterloo, prächtig und opulent in Szene gesetzt.

Das ist alles schön anzusehen. Es wird gezeigt, wie Napoleon die Pyramiden von Gizeh beschießt und diese zerstört.Das ist nie passiert. Napoleon wird in einer Szene bei der Hinrichtung Marie Antoinettes gezeigt, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt an einem anderen Ort befand. Und: Marie-Antoinettes lange Haare waren im Gefängnis längst abrasiert worden. Die Schlacht bei Austerlitz wird auf einem gefrorenen See dargestellt, was nicht den historischen Tatsachen entspricht.Historiker würden noch wahrscheinlich noch viel mehr Fehler entdecken.

Doch das sind künstlerische Freiheiten. Sein Film solle keine "Geschichtsstunde" sein, das wäre ja langweilig, sagte Scott auf die Vorwürfe.

Die Liebe kommt auch nicht zu kurz: Napoleon wird oft als ein Mann mit großer Leidenschaft und sexueller Energie beschrieben. In Scotts Film ist er ein kläglicher Liebhaber, der auch noch von Josephine zum Hahnrei gemacht wird. 

Phoenix' Interpretation des französischen Kaisers ist dennoch komplex, und er schafft es, die widersprüchlichen Aspekte von Napoleons Persönlichkeit einzufangen. Sympathisch kommt dieser Feldherr rüber. Wenn man aber bedenkt, dass in Napoleons sechs Koalitionskriegen schätzungsweise 1,5 - 2 Millionen Menschen zum Opfer fielen, kommt man ins Grübel.  


"Napoleon" ist auf AppleTV + zu sehen


 

 

Freitag, 15. November 2024

"The Zone of Interest": Die Banalität des Bösen

 

Am Anfang eine schwarze Leinwand, dröhnende Klänge wie aus der Hölle. Der Filmtitel erscheint, löst sich auf. Der Klangteppich wird wieder dichter, um dann von Vogelgezwitscher abgelöst zu werden. Der Himmel ist blau, eine fünfköpfige Familie badet im Fluss. Idylle. Es sind Rudolf Höß (Christian Friedel), Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, und sein Frau Hedwig (Sandra Hüller) und deren Kinder

Ja, sie wohnen neben dem Lager. Anstatt sich auf die Gräueltaten im Lager selbst zu konzentrieren, zeigt Jonathan Glazers in "The Zone of Interest" die scheinbar normale Welt, die sich direkt neben den Gaskammern abspielt.Während er die Vernichtungsmaschinerie des Lagers organisiert, führt seine Frau einen Haushalt, als wäre das nichts Besonderes.

Der Film kontrastiert die Schönheit der Natur und die häusliche Idylle mit der Grausamkeit, die sich nur wenige Meter entfernt abspielt. Diese Diskrepanz erzeugt eine beklemmend unheimliche Atmosphäre. Nie wird gezeigt, was im Lager passiert, aber der Soundtrack ist omnipotent: Schüsse, Schreie, und man hat das Gefühl, das Lodern der Brennöfen zu hören. Gedreht wurde in Polen, zwar nicht im Original-Haus der Familie Höß, aber in gleicher Nähe zu Auschwitz.

The Zone of Interest", nach dem Roman von Martin Amis, lotet die Grenzen der filmischen Darstellung des Holocausts aus wie bislang kein anderer Film. Die Idylle des Familienlebens steht in krassem Gegensatz zur Grausamkeit, die sich nur wenige Meter entfernt abspielt. Hannah Arendts Begriff von der Banalität des Bösen kommt einem in den Sinn.


 

 

 

Lügen, Betrug und Intrigen: Die dritte Staffel von "Industry" läuft zu Höchstform auf

Ist Geld wirklich alles? Für manche Menschen schon. Die Serie "Industry" wirft einen Blick hinter die Kulissen der hochkompetitiven Finanzwelt in London. Die Serie folgt einer Gruppe ehrgeiziger junger Absolventen, die bei der renommierten Investmentbank Pierpoint & Co. um einen festen Arbeitsplatz kämpfen. In diesem gnadenlosen Umfeld müssen sie sich nicht nur fachlich beweisen, sondern auch mit den persönlichen Herausforderungen und moralischen Dilemmata auseinandersetzen, die mit ihrem Beruf einhergehen. Lügen, Betrug und Intrigen sind an der Tagesordnung, während die Protagonisten um Anerkennung und Erfolg streben.

Die Charaktere kommen aus verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen, was zu Spannungen und Konflikten führt. Themen wie Mobbin, Rassismus und Sexismus spielen eine wichtige Rolle.Die Charaktere in "Industry" sind mehr als nur Stereotypen. Sie sind komplex, widersprüchlich und oft von inneren Konflikten getrieben. Die Serie untersucht die psychologischen Auswirkungen der Arbeit in der Finanzbranche und zeigt, wie sie das Leben der Charaktere prägt.

Die expliziten Sexszenen sind ein wichtiger Bestandteil der Erzählung und tragen zur Intensität der Serie bei. Ob man sie als notwendig oder übertrieben empfindet, ist letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Die Folgen sind obszön, brutal, zynisch, schockierend, aber auch philosophisch und sophisticated - und manchmal alles zusammen.

Und wieso heißt die Serie "Industrie? Der Titel ist doppeldeutig: Die Finanzwelt wird oft als eine Art "Industrie" beschrieben, in der Menschen wie Produkte behandelt werden. Die jungen Banker müssen sich in dieser "Maschine" zurechtfinden und beweisen, dass sie das Zeug dazu haben, zu bestehen. Der Begriff "Industrie" steht aber auch für harte Arbeit, Schweiß und Einsatz.

Kaiya Shunyata schreibt auf Roger Ebert com. über die dritte Staffel: "With each episode it feels like Season 3 is going to be the breaking point for characters like Yasmin (Marisa Abela) and Rishi (Sagar Radia), and while it's easy to sympathize with even the worst of them, the meanness of these characters is what makes this show so special. Fortunately for "Industry," this is a show where the worse its characters get, the more enticing the series becomes." 

Auf jeden Fall eine der besten Serien des ganzen Jahres.

"Industry", 3 Staffeln, läuft auf Sky 

 


 

"The Penguin" - so böse wie Tony Soprano

 

Wer ist der Böseste im ganzen Land? "The Penguin" ist ein Spin-off der erfolgreichen Batman-Adaption "The Batman" und konzentriert sich auf den Aufstieg von Oswald Cobblepot, alias The Penguin, zum König von Gothams Unterwelt. Colin Farrell spielt Oswald Cobblepot. Seine schauspielerische Leistung ist herausragend. Er verkörpert den zwiegespaltenen Charakter des Pinguins mit einer Intensität, die den Zuschauer in seinen Bann zieht. Seine physische Verwandlung ist beeindruckend und unterstreicht die Brutalität der Figur.

Amerikanische Kritiker haben den Vergleich zur Serie "The Sopranos" gezogen. Zu Recht: Sowohl Penguin als auch Tony sind von einem unbändigen Machtstreben getrieben. Sie sind bereit, alles zu tun, um ihren Einflussbereich zu erweitern und an die Spitze der kriminellen Hierarchie zu gelangen. Beide Charaktere sind mehr als nur stereotype Gangster. Sie sind tiefgründige Figuren mit komplexen Motiven, Ängsten und inneren Konflikten.

Penguin leidet unter einer körperlichen Deformität, die ihn von anderen unterscheidet und zu seiner Identität als Bösewicht beiträgt. Tony Soprano kämpft mit psychischen Problemen, die durch seine Rolle als Gangsterboss verschärft werden.

Neben Oswald Cobblepot werden auch andere Figuren wie Sofia Falcone (Cristin Milioti) vielschichtig dargestellt. Sofia Falcone steht an der Schnittstelle zwischen der alten und der neuen Garde in Gothams Unterwelt. Sie ist einerseits tief in die Traditionen der Falcone-Familie verwurzelt und strebt nach dem Erbe ihres Vaters. Andererseits ist sie eine moderne Frau, die sich nicht in eine traditionelle Rolle pressen lassen will. Sie ist intelligent, manipulativ und scheut sich nicht vor Gewalt.

Die Verbindung zur größeren Batman-Welt bleibt zwar etwas vage, Batman spielt nicht mit, die Serie bietet jedoch einen faszinierenden Einblick in die Entstehung eines ikonischen Batman-Schurken.

The Penguin“: Staffel 1 ab jetzt komplett im Stream auf WOW und Sky  

 

 




"Oppenheimer" - ein cineastisches Ereignis

Christopher Nolans "Oppenheimer" ist ein cineastisches Ereignis, das die Geschichte der Atombombe und ihren Schöpfer auf eine Weise erzählt, die sowohl fasziniert als auch verstört. Cillian Murphy liefert in der Titelrolle eine herausragende Leistung, die die innere Zerrissenheit des Wissenschaftlers eindrucksvoll verkörpert.

Die filmische Gestaltung ist atemberaubend. Die Schwarz-Weiß-Sequenzen, die Oppenheimers innere Konflikte widerspiegeln, ein kluge Idee. Auch die Klangkulisse trägt maßgeblich zur intensiven Atmosphäre bei, wie bei allen Nolan-Filmen.

Der Film wirft grundlegende Fragen nach Verantwortung, Macht und den Folgen wissenschaftlichen Fortschritts auf. Er zwingt den Zuschauer zum Nachdenken über die ethischen Implikationen der Atombombe.

Nolan wählt einen ungewöhnlichen Ansatz, indem er die Explosionen visuell relativ zurückhaltend darstellt. Anstatt auf spektakuläre CGI-Effekte zu setzen, konzentriert er sich auf die psychologischen Auswirkungen des Moments.

Die Explosion wird als ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit dargestellt, als der Mensch die Macht erlangt hat, die Welt zu zerstören. Ein neuer Sündenfall.

Mit einer Länge von über drei Stunden ist der Film allerdings zu lang. Einige Szenen hätten kürzer ausfallen können, ohne dass die Handlung darunter gelitten hätte.


 

"Dune 2": Ein Sandsturm der Enttäuschung

 

Dune 2: Ein Sandsturm der Enttäuschung

Denis Villeneuves "Dune 2" war für viele ein lang erwartetes Ereignis. Doch für mich erfüllte  die Fortsetzung des epischen Science-Fiction-Epos nicht die hohen Erwartungen.

Die visuellen Effekte sind zweifellos beeindruckend. Die Wüstenlandschaften Arrakis sind detailreich gestaltet und die gigantischen Sandwürmer sind ebenso beeindruckend. Dennoch: Die Sandwurm-Szenen, die im ersten Teil noch innovativ waren, wirken hier wie eine Wiederholung. Doch die atemberaubende Optik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film in anderen Bereichen Schwächen zeigt.

Die Handlung wirkt stellenweise überladen und zähflüssig. Die vielen politischen Intrigen und religiösen Elemente überfordern den Zuschauer und lassen den roten Faden oft aus den Augen verlieren. Die Charakterentwicklung bleibt ebenfalls auf der Strecke. Die Sandwurm-Szenen, die im ersten Teil noch innovativ waren, wirken hier wie eine Wiederholung.

Die Länge des Films ist ein weiteres Problem. Über zwei Stunden dauert das Spektakel, ohne dass die Spannung konstant hochgehalten werden würde. Lange Dialoge und philosophische Betrachtungen bremsen die Erzählgeschwindigkeit aus und führen zu Längen. "Dune 2" fehlen.

Den Film zu sehen, ist wie ein Marathonlauf. Kein Comic Relief, also die Einbeziehung humorvoller Figuren, Szenen oder Dialoge in ansonsten ernsthafte Szenen. "Star Wars" funktioniert so, der "Herr der Ringe" ebenso. 

Dafür raunen die Personen in seltsamen Sprachen, als würden sie einen verfluchen. Vielleicht tun sie das ja auch.  



Donnerstag, 14. November 2024

Blink Twice - Gelungenes Debüt von Zoë Kravitz

 

Es beginnt harmlos und endet als Splatter: Blink Twice ist ein Psychothriller, der die Geschichte von Frida (Naomi Ackie) erzählt, einer jungen Frau, die bei einer exklusiven Spendengala des charismatischen Tech-Milliardärs Slater King (Channing Tatum) arbeitet. Fasziniert von seiner Ausstrahlung, wird sie von ihm zu einem luxuriösen Aufenthalt auf seiner privaten Insel eingeladen.

Was zunächst wie ein Traumurlaub erscheint, entwickelt sich schnell zu einem Albtraum. Frida bemerkt merkwürdige Vorkommnisse und ein zunehmend bedrohliches Verhalten der Gäste. Ihre Freundin Jess, die ebenfalls mitgereist ist, scheint unter dem Einfluss von Drogen zu stehen und leidet an Gedächtnislücken. Frida muss sich fragen, ob sie verrückt wird oder ob die Geschehnisse auf der Insel tatsächlich so beängstigend sind, wie sie scheinen.

Der Film lässt den Zuschauer lange Zeit im Dunkeln, um dann die Pointe zu präsentieren - Bang. Zoë Kravitz' Regiedebüt ist ein gelungener Thriller, früher hätte man B-Movie gesagt, in dem es um Manipulation und Machtmissbrauch sowie toxische Männlichkeit geht.

 




 


Planet der Affen: New Kingdom

 

Nach dem Tod von Caesar, dem charismatischen Anführer der intelligenten Affen, steht die Gesellschaft der Primaten vor neuen Herausforderungen. Ein junger, ehrgeiziger Affe namens Cornelius erhebt den Anspruch auf die Führung und versucht, Caesars Erbe anzutreten. Doch die Welt ist voller Gefahren und Konflikte, sowohl von außen als auch von innen. Während die Affen um ihre Existenz kämpfen, müssen sie sich auch mit den Folgen von Caesars Herrschaft auseinandersetzen.

"Planet der Affen: New Kingdom" setzt die erfolgreiche Reboot-Reihe fort und bietet visuell beeindruckende Szenen sowie emotionale Momente. Die Motion-Capture-Performance der Affen ist erneut überzeugend und verleiht den Charakteren Tiefe und Ausdrucksstärke. Die Geschichte um Cornelius' Aufstieg und die Auseinandersetzung mit Caesars Vermächtnis ist vielschichtig und wirft interessante Fragen nach Führung, Macht und Identität auf. Gute Unterhaltung!



Kriegs-Drama "Civil War" von Alex Garland

Civil War ist ein düsterer und atmosphärischer Science-Fiction-Thriller, der in einer nahen Zukunft spielt, in der die Vereinigten Staaten von einem brutalen Bürgerkrieg zerrissen werden. Regisseur Alex Garland, bekannt für seine Fähigkeit, komplexe Themen auf verstörende und zugleich faszinierende Weise zu visualisieren, entwirft ein Szenario, in dem die Gesellschaft am Rande des Zusammenbruchs steht.

Die Geschichte folgt einer Gruppe von Journalisten, angeführt von der erfahrenen Kriegsfotografin Lee (gespielt von Kirsten Dunst), die sich inmitten des Chaos bewegen und versuchen, die Wahrheit über den Konflikt aufzudecken. Während sie durch das Land reisen, stoßen sie auf eine dystopische Realität, in der Gewalt, Desinformation und politische Extremismus allgegenwärtig sind.

Der Film, für mich der beste des Jahres, zeichnet ein erschreckend realistisches Bild eines zerrütteten Landes, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen.Garland schafft eine Atmosphäre der Verzweiflung und des Unbehagens, die den Zuschauer nicht loslässt.

Auf den real existierenden Konflikt zwischen Demokraten und Republikanern bezieht sich sein Film  nicht. Der Film will keine Einfluss nehmen.Trump wird hier mit keinem Wort erwähnt. Dem Präsidenten in "Civil War" wird vorgeworfen, auf Zivilbevölkerung geschossen zu haben. Am Drehbuch zu "Civil War" begann Garland 2020 zu schreiben - da hatte der Sturm aufs Kapitol noch nicht stattgefunden.