Im Zentrum der Geschichte steht June Hayward, eine erfolglose weiße Schriftstellerin, die von der literarischen Karriere ihrer chinesisch-amerikanischen Freundin Athena Liu fasziniert ist. Als Athena unerwartet stirbt, sieht June ihre Chance gekommen. Sie stiehlt Athenas Manuskript, bearbeitet es geringfügig und veröffentlicht es unter eigenem Namen. Der Roman wird zum Bestseller, und June wird gefeiert. Doch ihr Erfolg ist währt nicht lange.
Kuang zeichnet ein vernichtendes Bild der Verlagswelt, in der Identität zu einem Marketinginstrument verkommt und Diversität oft nur als Lippenbekenntnis dient. June, die sich als weiße Autorin nicht gehört fühlt, versucht, von den Privilegien einer marginalisierten Stimme zu profitieren, ohne die damit verbundenen Erfahrungen zu teilen. Ihre Taten legen die Doppelmoral der Branche bloß.
"Yellowface" ist aber nicht nur eine Anklage gegen die Verlagswelt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Identität. June, die ihre eigene Identität ständig hinterfragt, gerät in einen Strudel aus Lügen und Selbstbetrug. Der Roman wirft die Frage auf, inwieweit Identität konstruiert ist und ob es legitim ist, Erfahrungen anderer zu übernehmen.
Die Satire in "Yellowface" ist dabei oft bitterböse und lässt den Leser nicht unberührt. Kuang spart nicht mit Kritik an der Literaturbranche, den sozialen Medien und der Gesellschaft im Allgemeinen. Gleichzeitig gelingt es ihr jedoch, auch Mitgefühl für ihre Protagonistin zu erzeugen, die in ihrem verzweifelten Versuch nach Anerkennung tragisch scheitert.
R.F. Kuang Schreibstil ist prägnant und bissig. Die Autorin nutzt eine Mischung aus scharfzüngiger Satire und spannungsgeladener Erzählweise. Wie sie es schafft, komplexe gesellschaftliche und kulturelle Themen zugänglich und unterhaltsam darzustellen, ist brillant.
Rebecca F. Kuang:"Yellowface", Eichborn, 24 Euro
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