Samstag, 5. Januar 2013

Porträt: Der Wanderer zwischen den Welten


Der Hamburger Professor für Medienmanagement,  Christoph Meier-Siem,  ist   Vorsitzender des  Quickborner Schützenvereins


Hamburg/Quickborn Es ist ein herrlicher Spätsommermorgen  im  Hamburger Stadtteil Alsterdorf. Wir befinden uns in den Geschäftsräumen der  T&M Mediengruppe an  der Bilser Straße. Die Firma ist die größte PR-Agentur für Kinofilme in Deutschland. Sie bringt  unter anderem die „Kino News“ für McDonald’s heraus  und produziert Beiträge fürs Fernsehen wie „Kuno’s“ auf Hamburg 1.  
 Das ist die Welt von Christoph Meier-Siem. Der Hamburger Promi ist Vorsitzender des Quickborner Schützenvereins.  Wer etwas über den Menschen  Meier-Siem  wissen will, der  braucht  sich nur in seinem Büro umzuschauen:  Auf dem Schreibtisch stapeln sich   Unterlagen. Eine kleine Amerika-Flagge ist zu sehen.   Bilder von Rallyes, an denen  Meier-Siem, der leidenschaftliche Motorsportfan,   selbst teilgenommen hat,  hängen an den Wänden sowie  ein Filmposter von  „Wyatt Earp“ und  zahlreiche Aufnahmen von seiner  Tochter Layla, benannt nach dem  gleichnamigen  Song von Eric Clapton, den seine Band „Derek and  the Dominos“ weltberühmt machte.   In einer Vitrine sind Jaguar-Automodelle  ausgestellt, und auf der Fensterbank   liegen aufgereiht Diplomarbeiten von Studenten, die Meier-Siem noch bewerten muss.   Dann ein Blick nach rechts:  An der Wand lehnt ein  Gewehr im Futteral, das aus dem Interieur wie ein Fremdkörper heraussticht, aber auf einen wichtigen Bereich   in   Meier-Siems  Leben hinweist.
Außer seiner Arbeit als Professor am Institut für Kultur und Medienmanagement an der Uni Hamburg mit dem  Schwerpunkt „Europäische Medien im Wandel der  Zeit“ ist  er nicht nur Geschäftsführender Gesellschafter  und alleiniger Inhaber von T&M, nachdem sich  der Mitbegründer und Freund Thomas Timm  zur Ruhe gesetzt hat,    sondern  eben   auch –  man sollte es nicht glauben  –  Vorsitzender des Quickborner Schützenvereins – und das seit mehr als einer Dekade.
Ein Professor aus Hamburg als Vorsitzender eines Schützenvereins in der Provinz? Das klingt seltsam und nach einem Drehbuch für eine kauzige TV-Serie, die wahrscheinlich nur auf NDR   im Nachtprogramm ausgestrahlt werden  würde. 
„Ich war nicht einmal bei der Bundeswehr und hatte mit Waffen nichts am Hut.  Dann sagte ein Kollege zu mir: ‚Ich bin im Schützenverein in Quickborn. Komm mal mit. Das ist ganz toll‘“, erinnert sich  Meier-Siem, der  auch als   Lehrer und Journalist tätig war.
  Zwar  zögerte der Tausendsassa zunächst, dann aber schaute er ein paar Mal vorbei –  und hatte Spaß. Das war 1996.  „Der Zusammenhalt und die Menschlichkeit in dem Schützenverein, die man hier eher hat als in der Großstadt,  haben mir gefallen.“ Meier-Siem blieb und fand seine Disziplin: die Kurzwaffe. Er wurde  Deutscher Meister und  mehrfach Landesmeister. Außerdem kümmerte er sich um die Pressearbeit. Es war nur eine Frage der Zeit, dass der Verein ihn bat, auch den Vorsitz zu übernehmen.
Ein taktisch kluger Zug, denn dem Schützenfest blieben damals die Besucher weg. Es drohte das Aus. Meier-Siem und Quickborns heutiger Bürgermeister Thomas Köppl (CDU) setzten sich an einen Tisch. „Wir müssen mehr mit der Stadt machen und Vollgas geben“, lautete Meier-Siems Vorschlag.
Also klotzen statt kleckern: Statt alles an einem Wochenende auszutragen, dauert das Spektakel nun elf Tage und heißt Schützen- und Eulenfest.   Der gebürtige Hanseate   rief das Weinfest ins Leben  und  engagierte dank seiner guten Kontakte den Hamburger DJ Kuno für die Ü-30-Fete. „Erst kamen 600 Besucher, heute weit über 1000. Der Schützenverein ist jetzt ein Teil von Quickborn, und Quickborn ein Teil des Schützenvereins“, sagt Meier-Siem stolz.  400 Mitglieder hat der Verein heute.
Doch der  Erfolg ist wohl auch seiner einnehmenden Persönlichkeit zu verdanken. Meier-Siem ist einer zum Anfassen, der auf die Menschen zugeht. Er trägt fast immer Jeans, Hemd, ein edles Sakko und seine geliebten Cowboystiefel.    Sportlich-elegant. Von Arroganz keine Spur. Bei T&M wird er geduzt: Eine junge blonde Frau am Empfang  nennt ihn  „Chris“. Karrieristen, die die Ellbogen einsetzten,  seien ihm verhasst.  Über neue Ideen diskutiert er mit seinen Mitarbeitern. Ein bisschen eitel?  Vielleicht. Sein Alter will er nicht verraten. Es könnte ihn jemand fragen, wann er sich zur Ruhe setze, befürchtet er.  Ein Frauentyp? Wohl auch das. Er ist zweimal geschieden, verrät er.   Und in  einem Comic, ein Geschenk seiner Studenten, der  eingerahmt in seinem Büro  hängt,      ist er als      „Juan“ mit pechschwarzen Haaren dargestellt.
Zwei- bis dreimal die Woche fährt Meier-Siem von Hamburg nach Quickborn. Weil er in der Nähe vom Tierpark Hagenbeck wohnt,  braucht er nur zwölf Minuten mit dem Auto, bis er in  der Eulenstadt ist.    Er ist ein Wanderer zwischen den Welten,  der in beiden Städten seine Spuren hinterlässt. Mit Hamburger Persönlichkeiten, die ihr Interesse und Engagement der Kultur- und Medienlandschaft verschrieben haben, beteiligte  er sich an der Gründung  der Hermann-Rauhe-Stiftung und initiierte ein nachahmungswürdiges  Projekt:  Die rund 16000 Hamburger Erstsemester erhielten  zum 1. Oktober vorigen Jahres  mit dem Studentenausweis  auch die  „freiKartE“. „Drei Monate lang konnten sie damit  die Angebote von  Museen und  Bühnen kostenlos nutzen“, erklärt er das Konzept dahinter.  Meier-Siems Liebe für die Kultur spiegelt sich auch im Programm des Eulen- und Schützenfests  wider: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Kabarett. Welches Stadtfest hat das zu bieten?
Mit einer Sache konnte sich   der Medienwissenschaftler  lange Zeit aber nicht anfreunden, gesteht er.  Es ist die Schützenuniform. Gewöhnungsbedürftig –   immer noch.
Am Sonntag  wird Meier-Siem  wieder nach Quickborn kommen.  Dann hat er  den Professorenhut vorübergehend abgelegt  und ist in  den  grünen Anzug  geschlüpft, um am Festumzug  durch die Stadt teilzunehmen.  Die Uniform nimmt der Individualist  gern in Kauf, denn er  weiß, dass auf ihm  wieder viele  Blicke ruhen werden. Was hat er wohl als Nächstes vor?   „Früher oder später wird es nur noch  zwei bis drei Schützenvereine im Kreis Pinneberg geben. Da wollen wir dazugehören.“

René Erdbrügger

























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