Der
Hamburger Professor für Medienmanagement, Christoph Meier-Siem, ist
Vorsitzender des Quickborner Schützenvereins
Hamburg/Quickborn Es ist
ein herrlicher Spätsommermorgen im Hamburger Stadtteil
Alsterdorf. Wir befinden uns in den Geschäftsräumen der T&M
Mediengruppe an der Bilser Straße. Die Firma ist die größte PR-Agentur
für Kinofilme in Deutschland. Sie bringt unter anderem die „Kino News“
für McDonald’s heraus und produziert Beiträge fürs
Fernsehen wie „Kuno’s“ auf Hamburg 1.
Das ist die Welt von Christoph Meier-Siem. Der
Hamburger Promi ist Vorsitzender des Quickborner Schützenvereins. Wer
etwas über den Menschen Meier-Siem wissen will, der braucht sich nur
in seinem Büro umzuschauen: Auf dem Schreibtisch
stapeln sich Unterlagen. Eine kleine Amerika-Flagge ist zu sehen.
Bilder von Rallyes, an denen Meier-Siem, der leidenschaftliche
Motorsportfan, selbst teilgenommen hat, hängen an den Wänden sowie
ein Filmposter von „Wyatt Earp“ und zahlreiche Aufnahmen
von seiner Tochter Layla, benannt nach dem gleichnamigen Song von
Eric Clapton, den seine Band „Derek and the Dominos“ weltberühmt
machte. In einer Vitrine sind Jaguar-Automodelle ausgestellt, und auf
der Fensterbank liegen aufgereiht Diplomarbeiten
von Studenten, die Meier-Siem noch bewerten muss. Dann ein Blick nach
rechts: An der Wand lehnt ein Gewehr im Futteral, das aus dem
Interieur wie ein Fremdkörper heraussticht, aber auf einen wichtigen
Bereich in Meier-Siems Leben hinweist.
Außer seiner Arbeit als Professor am Institut für
Kultur und Medienmanagement an der Uni Hamburg mit dem Schwerpunkt
„Europäische Medien im Wandel der Zeit“ ist er nicht nur
Geschäftsführender Gesellschafter und alleiniger Inhaber von
T&M, nachdem sich der Mitbegründer und Freund Thomas Timm zur
Ruhe gesetzt hat, sondern eben auch – man sollte es nicht
glauben – Vorsitzender des Quickborner Schützenvereins – und das seit
mehr als einer Dekade.
Ein Professor aus Hamburg als Vorsitzender eines
Schützenvereins in der Provinz? Das klingt seltsam und nach einem
Drehbuch für eine kauzige TV-Serie, die wahrscheinlich nur auf NDR im
Nachtprogramm ausgestrahlt werden würde.
„Ich war nicht einmal bei der Bundeswehr und hatte
mit Waffen nichts am Hut. Dann sagte ein Kollege zu mir: ‚Ich bin im
Schützenverein in Quickborn. Komm mal mit. Das ist ganz toll‘“, erinnert
sich Meier-Siem, der auch als Lehrer und
Journalist tätig war.
Zwar zögerte der Tausendsassa zunächst, dann
aber schaute er ein paar Mal vorbei – und hatte Spaß. Das war 1996.
„Der Zusammenhalt und die Menschlichkeit in dem Schützenverein, die man
hier eher hat als in der Großstadt, haben mir
gefallen.“ Meier-Siem blieb und fand seine Disziplin: die Kurzwaffe. Er
wurde Deutscher Meister und mehrfach Landesmeister. Außerdem kümmerte
er sich um die Pressearbeit. Es war nur eine Frage der Zeit, dass der
Verein ihn bat, auch den Vorsitz zu übernehmen.
Ein taktisch kluger Zug, denn dem Schützenfest
blieben damals die Besucher weg. Es drohte das Aus. Meier-Siem und
Quickborns heutiger Bürgermeister Thomas Köppl (CDU) setzten sich an
einen Tisch. „Wir müssen mehr mit der Stadt machen und
Vollgas geben“, lautete Meier-Siems Vorschlag.
Also klotzen statt kleckern: Statt alles an einem
Wochenende auszutragen, dauert das Spektakel nun elf Tage und heißt
Schützen- und Eulenfest. Der gebürtige Hanseate rief das Weinfest
ins Leben und engagierte dank seiner guten Kontakte
den Hamburger DJ Kuno für die Ü-30-Fete. „Erst kamen 600 Besucher,
heute weit über 1000. Der Schützenverein ist jetzt ein Teil von
Quickborn, und Quickborn ein Teil des Schützenvereins“, sagt Meier-Siem
stolz. 400 Mitglieder hat der Verein heute.
Doch der Erfolg ist wohl auch seiner einnehmenden
Persönlichkeit zu verdanken. Meier-Siem ist einer zum Anfassen, der auf
die Menschen zugeht. Er trägt fast immer Jeans, Hemd, ein edles Sakko
und seine geliebten Cowboystiefel. Sportlich-elegant.
Von Arroganz keine Spur. Bei T&M wird er geduzt: Eine junge blonde
Frau am Empfang nennt ihn „Chris“. Karrieristen, die die Ellbogen
einsetzten, seien ihm verhasst. Über neue Ideen diskutiert er mit
seinen Mitarbeitern. Ein bisschen eitel? Vielleicht.
Sein Alter will er nicht verraten. Es könnte ihn jemand fragen, wann er
sich zur Ruhe setze, befürchtet er. Ein Frauentyp? Wohl auch das. Er
ist zweimal geschieden, verrät er. Und in einem Comic, ein Geschenk
seiner Studenten, der eingerahmt in seinem
Büro hängt, ist er als „Juan“ mit pechschwarzen Haaren
dargestellt.
Zwei- bis dreimal die Woche fährt Meier-Siem von
Hamburg nach Quickborn. Weil er in der Nähe vom Tierpark Hagenbeck
wohnt, braucht er nur zwölf Minuten mit dem Auto, bis er in der
Eulenstadt ist. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten,
der in beiden Städten seine Spuren hinterlässt. Mit Hamburger
Persönlichkeiten, die ihr Interesse und Engagement der Kultur- und
Medienlandschaft verschrieben haben, beteiligte er sich an der
Gründung der Hermann-Rauhe-Stiftung und initiierte ein
nachahmungswürdiges
Projekt: Die rund 16000 Hamburger Erstsemester erhielten zum 1.
Oktober vorigen Jahres mit dem Studentenausweis auch die „freiKartE“.
„Drei Monate lang konnten sie damit die Angebote von Museen und
Bühnen kostenlos nutzen“, erklärt er das Konzept dahinter.
Meier-Siems Liebe für die Kultur spiegelt sich auch im Programm des
Eulen- und Schützenfests wider: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und
Kabarett. Welches Stadtfest hat das zu bieten?
Mit einer Sache konnte sich der
Medienwissenschaftler lange Zeit aber nicht anfreunden, gesteht er. Es
ist die Schützenuniform. Gewöhnungsbedürftig – immer noch.
Am Sonntag wird Meier-Siem wieder nach Quickborn
kommen. Dann hat er den Professorenhut vorübergehend abgelegt und ist
in den grünen Anzug geschlüpft, um am Festumzug durch die Stadt
teilzunehmen. Die Uniform nimmt der Individualist
gern in Kauf, denn er weiß, dass auf ihm wieder viele Blicke ruhen
werden. Was hat er wohl als Nächstes vor? „Früher oder später wird es
nur noch zwei bis drei Schützenvereine im Kreis Pinneberg geben. Da
wollen wir dazugehören.“
René Erdbrügger
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