Geburt eines Filmklassikers: Christopher Nolan nimmt den Zuschauer in „Inception“ mit auf eine fiebrige Reise ins Unterbewusstsein
Christopher Nolan nimmt uns in „Inception“ mit auf eine Reise
in das Labyrinth der Träume und darüber hinaus in die komplexen,
vielschichtigen und tiefen Ebenen des Unterbewusstseins. Visionär
brillant, erzählerisch vielschichtig, intellektuell immer
herausfordernd, aber auch dem Actionkino verhaftet liefert der
„Memento“-
und „The Dark Knight“-Regisseur ein Meisterwerk ab, in dem der
Schulterschluss zwischen Mainstream und Arthouse mühelos gelingt. Genres
wie der Film-Noir, Fantasy und SF verschmelzen zu einer cineastischen
Melange – es ist die Geburt eines Filmklassikers.
Auch bei der Auswahl der Schauspieler hatte Nolan,
den das britische Fachmagazin „Empire“ bereits den „Stanley Kubrick des
neuen Millenniums“ nennt, ein sicheres Händchen: Leonardo DiCaprio,
der zur Hochform aufläuft, spielt Dom Cobb.
Er verdient sein Geld damit, für Unternehmen in die Träume anderer
Menschen einzudringen, um ihre Gedanken auszuspionieren. Bei dem
Industriellen Saito (Ken Watanabe) schlägt das fehl. Um die Sache zu
bereinigen, macht dieser dem Traumspion einen Vorschlag:
Er soll dem Konzern-Erben Fischer (Cillian Murphy) einen Gedanken
einpflanzen, der Saito zum Vorteil gereicht. Diese Art der Manipulation
nennt sich „Inception“. Als Belohnung will er dafür sorgen, dass Cobb
wieder in die USA einreisen darf, wo er gesucht
wird, aber seine Kinder auf ihn warten.
In bester „Ocean’s 11“-Manier stellt Cobb
die Gruppe zusammen: Mit dabei sind seine rechte Hand Arthur (Joseph
Gordon-Levitt), Ariadne (Ellen Page), die Architektin der Träume, Eames
(Tom Hardy), der Fälscher, weil er in Träumen
die Gestalt wechseln kann, und der Apotheker Yusuf (Dileep Rao), der
die Spione und ihr Opfer mit einem Betäubungstrank in Morpheus Arme
schicken soll.
Nach diesen Präliminarien und einem Crash-Kursus
darüber, was Träume sind und wo die Gefahren liegen, wenn man sich in
dieser imaginären Welt bewegt, beginnt die Reise ins Unterbewusstsein,
Schicht um Schicht.
Es ist eine Exkursion mit vielen Unbekannten: In
Gefahr gerät die Mission mehrmals durch Cobbs verstorbene Frau Mal
(Marion Cotillard), die in seinem Unterbewusstsein herumspukt. Nur so
viel: „Malus/mala“ wird im Lateinischen mit böse
übersetzt. Und Fischers mentale Bodyguards, die sich gegen die
Eindringlinge zur Wehr setzen, sind eine weitere unbekannte Variable.
Zum Gelingen des Gesamtkunstwerks tragen die
fiebrigen Bilder von Kameramann Wally Pfister und der hypnotische Score
von Hans Zimmer bei. Man muss den Film mehrmals sehen, um alle
Anspielungen zu verstehen. Nolan, der zehn Jahre lang
am Drehbuch gearbeitet haben soll, zieht seine Inspirationen aus
vielen Quellen: Er verbeugt sich mit seinen Tableaus des Surrealen
vor dem niederländischen Grafiker M.C. Escher, dessen viereckige endlose
Treppe auch in „Inception“ zu sehen ist. Die
Werke von C.G. Jung zur Traumanalyse standen ebenso Paten. Dazu
Anspielungen auf die griechische Mythologie. Nicht ohne Grund heißt
die Traumarchitektin Ariadne – genauso wie die Frau, die Theseus
aus dem Labyrinth des Minotaurus hilft.
Mit traumwandlerischer Sicherheit schnürt Nolan
das alles zu etwas völlig Neuem zusammen. Vielleicht paradox: Als
Zuschauer möchte man in seinem oft verstörenden Irrgarten der
Illusionen so lange wie möglich bleiben. „Inception“ ein
Film für Träumer? Auch das.
René Erdbrügger
Herausragend
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