Buchbesprechung: „Ein plötzlicher Todesfall“ ( J.K. Rowling)
Eines muss man J.K. Rowling lassen: Die
Harry-Potter-Autorin zieht mit „Ein
plötzlicher Todesfall“ nicht nur inhaltlich eine klare Grenze zu ihren
überaus unterhaltenden Jugendbüchern, sondern auch stilistisch. So kalt, analytisch,
aber auch klischeehaft kam schon lange kein Gesellschaftsroman mehr daher. Dafür fehlt der Zauber.Wenn auch der Vorwurf erlaubt sein muss, dass ihr Plot und
das Aufeinandertreffen so vieler, psychisch angeknackster Charaktere, unter denen nicht ein einziger Sympathieträger ist, konstruiert erscheint.
Wie ein Laborexperiment, bei dem ein Wissenschaftler sehen
will, welcher Reiz welche Reaktion, auslöst, lässt Rowling in dem fiktiven Kaff
Pagford den wohl einzig ehrenwerten Bürger,
Barry Fairbrother, auf den ersten Seiten an einem Aneurysma sterben. Mit
dem plötzlichen Todesfall wird ein Sitz im Gemeinderat frei, um den sich eine
Anzahl scheinbar verdienter Wohlstandsbürger reißt. Dabei schrecken sie auch
vor kleinen Gemeinheiten nicht zurück,um den ein oder anderen schlecht dastehen
zu lassen.
Weil es Rowling um sozialrealistische Komplexität geht, wirft sie
auch einen Blick auf die sozial Schwachen.
Auf dem Weg zur Wahl, nimmt sich Rowling erzählerisch, immerhin 575 Seiten
lang, einer Vielzahl gesellschaftlicher Probleme an: Drogensucht, Prostitution,
Armut, Kriminalität und die Orientierungslosigkeit der Jugendlichen, um nur
einige zu nennen.
Auf den ersten Seiten „lauscht“ der Leser Rowlings neuer,
ungewohnter Stimme noch gern. Der Mittelteil ist allerdings bleiern, während die
Autorin das Tempo auf den letzten 150 Seiten wieder anzieht. Dann wird es sogar
spannend. Unterm Strich zu wenig für eine Schriftstellerin vom Schlage
Rowlings. „Ein plötzlicher Todesfall“ ist nämlich wie "Harry Potter" - allerdings ohne die fantastischen
Elemente und mit viel zu viel Fakten aus dem Leben von Familien wie den furchtbaren Dursleys.
Joanne K. Rowling:
„Ein plötzlicher Todesfall“, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 575 Seiten, Preis:
24,90 Euro
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