Daniel Woodrell schreibt Krimis, die wie griechische Tragödien anmuten. "Der Tod von Sweet Mister" ist eine weitere düstere Geschichte vom Leben in den Ozarks. ***** |
Dienstag, 31. Dezember 2013
Nachtlektüre (1/2014): "Der Tod von Sweet Mister" (Verlag Heyne)
Sonntag, 29. Dezember 2013
"Der Hobbit - Smaugs Einöde“ - Wieder mal in Mittelerde
Es ist ein kalter, trüber Sonntag. Genau die richtige Zeit, um ins Kino zu gehen. Auf dem Programm steht: "Der Hobbit - Smaugs Einöde“. Der Pressevorführung in Hamburg bin ich wohlweislich ferngeblieben. 48 Bilder pro Sekunde brauche ich nicht. Diese Hyperrealität, auch als "Soap-Opera-Effekt" bezeichnet, der an selbst gedrehte Videos erinnert, hat mich vor einem Jahr richtig genervt und den Filmzauber genommen. Das Cineplex in Elmshorn zeigt auch die 24-Bilder-pro-Sekunde-Version. Reicht völlig aus.
Zum fünften Mal in Mittelerde, in dem Fantasy-Reich, so wie es Peter Jackson sieht. Bilbo Beutlin, der Zauberer Gandalf und 13 Zwerge wollen das Zwergenreich Erebor befreien. Mit ihrem Anführer Thorin Eichenschild geht es zum Einsamen Berg, einst Sitz der Zwergenherrscher. Nun bewacht darin der riesige und machtgierige Drache Smaug einen unermesslichen Schatz. Mit dem Bild des Drachen endete der erste Teil, aber Jackson geht nicht in medias res, sondern spult zeitlich zurück.
"Der Hobbit - Smaugs
Einöde“ zeigt das Beste des modernen Kinos, das aber ohne Kompromisse respektive Kalkül nicht mehr auskommt. Um die unverschämt hohen Kinopreise zu rechtfertigen, dauern die Blockbuster immer länger. Gar 160 Minuten sind es hier. Ein Kampf gegen Riesenspinnen im Düsterwald, die Flucht in Weinfässern über einen reißenden Fluss und Kämpfe gegen Orks, bei denen auch schon Mal Köpfe rollen, sind wunderbar in Szene gesetzt, doch die Sequenzen sind viel zu schnell geschnitten. Da kommt das Auge nicht mit. Jeden Punkt, jedes Komma von Tolkiens "Der kleine Hobbit" hat Jackson im ersten Teil verfilmt, damit ihm aber der Stoff nicht ausgeht, dichtet er nun eine Liebesgeschichte zwischen einer Elbe und einem Zwerg hinzu. Das hätte er sich sparen können, da dieser Erzählstrang nichts zur eigentlichen Handlung beiträgt, auch wenn "Lost"-Star Evangeline Lilly eine Augenweide ist. Schon beim Schauen der Fernsehserie dachte ich damals, die würde eine prima Elbe abgeben. Vielleicht hat Jackson meinen Gedanken empfangen...
Großartig ist das Mittelerde-Venedig "Seestadt", ein visuell beeindruckender Schauplatz wie aus einem Dickens-Roman.
Schlecht animiert indes ist das flüssige Gold, das sich gegen Ende des Films in einem gewaltigen Schwall über den Drachen ergießt, aber nichts bewirkt, außer den Drachen so richtig in Rage zu bringen. Ein Genuss ist die deutsche Stimme von Smaug: Sascha Rotermund. Die Dialoge zwischen dem Drachen und Bilbo Beutlin (Martin Freeman) sind so genüsslich anzuhören wie schon die im ersten Teil zwischen Beutlin und Gollum.
Bei all diesen Schauwerten vergisst man fast, dass der Film auch eine Botschaft hat.Wird hier doch die Gier der Menschen nach Reichtum thematisiert, dem alle hinterherrennen, die Guten wie die Bösen. Der unermessliche Schatz des Drachen, den das Scheusal gar nicht benötigt, denn was will ein Drache mit Gold und Edelsteinen, wird zum Symbol für die von Marx kritisierte Akkumulation des Geldes. Wenn sich so viel über einen Film schreiben lässt, kann er nicht so schlecht sein. Meine Reise nach Mittelerde hat den trüben Sonntag gerettet.
Text: René Erdbrügger
Gandalf (Ian McKellen) darf nicht fehlen. Foto: Warner Bros. |
Großartig ist das Mittelerde-Venedig "Seestadt", ein visuell beeindruckender Schauplatz wie aus einem Dickens-Roman.
Schlecht animiert indes ist das flüssige Gold, das sich gegen Ende des Films in einem gewaltigen Schwall über den Drachen ergießt, aber nichts bewirkt, außer den Drachen so richtig in Rage zu bringen. Ein Genuss ist die deutsche Stimme von Smaug: Sascha Rotermund. Die Dialoge zwischen dem Drachen und Bilbo Beutlin (Martin Freeman) sind so genüsslich anzuhören wie schon die im ersten Teil zwischen Beutlin und Gollum.
Text: René Erdbrügger
Donnerstag, 26. Dezember 2013
Lieblings-CDs 2013
1. The
National - "Trouble will find me"
2. Quickbeam - "Quickbeam"
3. Agnes Obel - "Aventine"
4. Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - "Perils from the sea"
5. Tocotronic - "Wir wir leben wollen"
2. Quickbeam - "Quickbeam"
3. Agnes Obel - "Aventine"
4. Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - "Perils from the sea"
5. Tocotronic - "Wir wir leben wollen"
Lieblingsserien 2013
1. "House of Cards" (Season 1), beste Politdrama-Serie ever
2. "Breaking Bad" (Season 5), grandioses Staffelfinale
3. "Sons of Anarchy" (Season 6), obwohl Clay und Tara sterben, schnief
4. "Mad Men" (Season 6), elegant wie immer, oh, ihr wunderbaren 60er Jahre
5. "The Americans" (Season 1), steigert sich von Folge zu Folge, viel Potenzial
6. "Nashville" (Season 1), herrliche Songs, tolle Schauspieler, Geheimtipp
7. "Girls" (Season 2), manche Folgen sind so gut wie ein Woody-Allen-Film
8. "Hannibal" (Season 1), düster
9. "Homeland" (Season 3), wieder segnet eine geliebte Hauptfigur das Zeitliche
10. "The Following" (Season 1), spannend
11. "The Blacklist", (Season 1), darf nicht fehlen, James Spader grandios
12. "The Good Wife", (Season 4), beste Anwaltsserie ever
3. "Sons of Anarchy" (Season 6), obwohl Clay und Tara sterben, schnief
4. "Mad Men" (Season 6), elegant wie immer, oh, ihr wunderbaren 60er Jahre
5. "The Americans" (Season 1), steigert sich von Folge zu Folge, viel Potenzial
6. "Nashville" (Season 1), herrliche Songs, tolle Schauspieler, Geheimtipp
7. "Girls" (Season 2), manche Folgen sind so gut wie ein Woody-Allen-Film
8. "Hannibal" (Season 1), düster
9. "Homeland" (Season 3), wieder segnet eine geliebte Hauptfigur das Zeitliche
10. "The Following" (Season 1), spannend
11. "The Blacklist", (Season 1), darf nicht fehlen, James Spader grandios
12. "The Good Wife", (Season 4), beste Anwaltsserie ever
Donnerstag, 19. Dezember 2013
Filme des Jahres 2013 - kurz und schmerzlos
2. "The Best Offer"
3. "Der Geschmack von Rost und Knochen"
4. "Blue Jasmine"
5. "Trance"
6. "The Place beyond the Pines"
7. "Rush"
8. "Wolverine -Tage des Kriegers"
9. "Der große Gatsby"
10. "Les Misérables"
11. "World War Z"
12. "Feuchtgebiete"
13. "Spring Breakers"
14. "Inside Llewyn Davis"
15. "The Master"
Samstag, 14. Dezember 2013
Frank Salewski - Der Mann, der nur im Sommer schreibt
Interview mit dem Bremer Lehrer und Autor Frank Salewski
Frank Salewski (links) auf der Frankfurter Buchmesse. |
Herr Salewski, was können Sie uns über Ihr neues Buch „Fußballmord“ verraten?
Zunächst
möchte ich Vorsicht anmahnen; wenn man den Aussagen eines Redakteurs
einer großen Münchner Tageszeitung glaubt, ist der Inhalt des Buches zu
brisant, um etwas darüber zu veröffentlichen
und wäre ein Grund für seine fristlose Kündigung. Doch sei hier
Entwarnung gegeben; es handelt sich bei Fußballmord weder um ein
pornographisches noch um ein gewaltverherrlichendes Buch. Vermutlich
hätte er darüber eher geschrieben als über einen jungen Fußballprofi,
der als jüngster Torwart der Liga zu einem großen Münchner Verein
wechselt. Er wird dort wie durch ein Wunder im Verlauf seiner ersten
Saison für den FC zum besten Torwart Deutschlands und steigt zum
Nationalkeeper auf. Doch Robin, so heißt der Protagonist
der Geschichte, steht unter bisweilen großem Druck. Im Unklaren über
seine Neigungen und seine wahre Berufung, sitzen ihm auch noch sein
ehrgeiziger Vater und eine alkoholkranke Mutter im Nacken. Zudem muss er
auch noch zwischen Gesundheit und Erfolg wählen.
Doch hat auch sein Verein Probleme. Verstrickt in den Mord an dem
bekannten Münchner Immobilienmakler Hans Christian K., kommen pikante
Details aus dem Leben der FC Stars ans Tageslicht. Selbst der
übermächtige FC Manager Ambos, der sich zunächst schützend
vor seine Spieler stellt, steht plötzlich wegen Steuerhinterziehung im
Fokus der Behörden.
Fußballmord klingt nach einem Krimi. Würden Sie es dem Genre Krimi zuordnen?
Als
ich es geschrieben habe, war ich sicher, ich schreibe ein Jugendbuch,
doch kaum fertiggestellt, haben sowohl mein Verleger, als auch meine
schärfsten Kritiker (meine Familie) dem widersprochen
und es als Krimi, der im Fußallmilieu spielt und eine Liebesgeschichte
beinhaltet, bezeichnet. Nach einigem Nachdenken konnte ich dem
zustimmen, aber ich glaube, dass Fußballmord, wenn kein Jugendbuch, so
doch auch für diese Altersgruppe gut geeignet ist.
Als
Lehrer an einer sportbetonten Oberschule haben Sie viel mit
leistungsorientierten Schülern zu tun. Hat Sie diese Tatsache beim
Schreiben von „Fußballmord“ beeinflusst?
Vermutlich
mehr als mir es zunächst beim Schreiben klar gewesen ist. Erst nach und
nach ist mir bewusst geworden, dass mir die eine oder andere Szene im
Buch sehr bekannt vorkam, als ich
nach Beendigung des Buches wieder in die Schule kam.
So
hatte ich es zum Beispiel in den letzten Jahren mehrmals erlebt, dass
ein Sportler unserer Schule nach dem Abitur zum Profisportler wurde.
Welche Faszination geht für Sie vom Schreiben aus?
Die
Möglichkeit völlig abzutauchen, alles hinter sich zu lassen und doch
(meist unbewusst) die eigenen Gedanken mit zu verarbeiten.
Hat das Ihr Leben verändert?
Da
muss ich ein wenig ausholen, denn den Drang zu schreiben hatte ich
schon immer und habe das auch der Umwelt (vor allem meiner Frau) immer
wieder Kund getan. Besonders intensiv (so wird
von bösen Stimmen behauptet) bei der Talkshow 3 nach 9. Bei diesen
ritualisierten Fernsehabenden soll ich immer, wenn ein junger Autor sein
neues Buch vorstellte, gesagt haben, ich will auch schreiben, ich will
auch zu 3 nach 9 (gewisse Ähnlichkeiten zu einem
an der Kanzleramtspforte rüttelnden Gerhard Schröder wurden mir
nachgesagt). An so einem Abend vor vier Jahren platzte deswegen meiner
sonst stets ruhigen und ausgeglichenen Frau der Kragen: „Entweder Du
fängst jetzt endlich an zu schreiben oder ich will nie
mehr etwas davon hören.“
2010
habe ich dann mein erstes Buch geschrieben. In den Sommerferien.
„Zugezogen“, die Geschichte eines Jungen, der als 8-jähriger auf ein
Dorf zieht. Dazu bin ich jeden Morgen um 7 Uhr
aufgestanden, habe sechs Stunden geschrieben, bin mit meiner Frau
spazieren gegangen und habe weitere zwei bis vier Stunden geschrieben.
Es war wie ein Rausch, in dem ich endlich meine Ideen, Phantasien und
Erlebnisse in eine angemessene Form gießen konnte.
Seitdem habe ich in den folgenden Sommerferien jeweils ein Buch
geschrieben. 2011 „Heimgekehrt - Wäre er doch gefallen“.
Das in Quickborn spielt?
Richtig, das Buch erzählt ja zumindest in Ansätzen die Geschichte meiner Oma und die hat hier in Quickborn gelebt.
Mit „Heimgekehrt“ hatten Sie einen überraschenden Erfolg?
Das
stimmt, es hat sich so gut verkauft, dass der E-Bookverlag strombuch an
meinen Verlag herangetreten ist, um die Rechte für die englische
Version zu erwerben. Es ist inzwischen unter dem
Titel „Back home why?“ sowohl in den USA, als auch in England
erhältlich.
Doch sie haben sich nicht auf dem Erfolg ausgeruht?
Nein,
2012 habe ich „Fußballmord“ geschrieben und in den Sommerferien dieses
Jahr eine Geschichte über einen Sonderschullehrer, der sich für einen
berühmten Autor hält und hofft, so aus seiner
hoffnungslosen Lage zu entkommen (noch in Arbeit).
Doch
um auf die Frage zurückzukommen, ob das Schreiben mein Leben verändert
hat. Die vermutlich konkreteste Veränderung ist, dass ich das Schrauben
an Oldtimern gegen das Schreiben eingetauscht
habe. Fahrzeugöl gegen Druckertinte. Den Tausch habe ich noch nicht
eine Sekunde bereut.
Was lesen Sie selbst gern?
Zurzeit
sind es drei Bücher: Die Bibel, von James Herriot: „Der Doktor und das
liebe Vieh“, Shakespeares: „Much Ado about Nothing“ und natürlich der
neue Asterix. Gerade in der dunklen Jahreszeit
bevorzuge ich unterhaltsame Literatur.
Drei Bücher auf einmal, haben Sie immer schon viel gelesen?
Ja, ich hatte immer einen starken Drang mich in fremde Geschichten und Charaktere zu versenken.
Wie kann man diese Begeisterung am Lesen in Zeiten von X-Box und Internet jungen Menschen weitergeben?
Ich
glaube durch Vorleben und durch Vorlesen von guten Büchern. Wenn man
seinen Kindern früh vorliest, später beim Lesen-Lernen mit ihnen
zusammenliest und ihnen danach immer guten Lesestoff
zur Verfügung stellt, kann Lesen zu einer lebenslangen Sucht werden.
Bei meiner Tochter hat es funktioniert, sie ist eine echte Leseratte.
Sie haben von guten Büchern gesprochen. Warum sollte Ihr Buch dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum liegen?
- weil Weihnachten das Fest der Liebe ist
- weil die Norddeutschen mehr noch als der Rest Deutschlands fußballverrückt (und das im
besten Sinne) sind
- weil viele Menschen Krimis lieben
- weil eine Liebesgeschichte nie verkehrt sein kann.
Welche Pläne haben Sie als Autor für das nächste Jahr?
Natürlich
arbeite ich an der Ursprungsidee der Einladung zu 3 nach 9 weiter. Aber
im Ernst, vielleicht ein wenig mehr Zeit zum Schreiben freischaufeln,
denn die Ideen, zumindest für die nächsten
zwei Bücher, habe ich schon im Kopf und die wollen natürlich raus.
Erfolgreicher Auftritt mit Fußballmord
Frank Salewski. |
Auch
mit seinem zweiten Roman „Fußballmord“ hat der Autor Frank Salewski
das Publikum auf der Frankfurter Buchmesse überzeugt. War die
letztjährige Präsentation seines Romans „Heimgekehrt
-Wäre er doch gefallen“, der in Quickborn spielt, ein echter Erfolg, so
hat die Vorstellung seines neuen Buches alle Erwartungen des Autors und
seines Verlegers übertroffen. „Für mich gab es kaum einen ruhigen
Moment, kaum hatte ich ein Exemplar signiert,
wartete schon der nächste Interessent, der näheres über den Titel und
den Inhalt von „Fußballmord“ wissen wollte. Für den Autor eine alles
andere als zu erwartende Wendung. Hatte er doch noch kurz vor der
Buchmesse die Rückmeldung der Münchner tz bekommen:
„Ein sicherlich interessantes und gutes Buch, aber jede kritische
Veröffentlichung über Leistungsdruck in der Bundesliga oder die
Thematisierung von Homosexualität von Fußballprofis findet bei Lesern
kein Interesse.“ Ein Irrtum, wie sich herausgestellt
hat. Vielleicht dem geschuldet, dass Salewski in seinem neuen Buch
verschiedene Probleme im Bundesliga-Alltag in einen Krimi eingebettet
hat und die Geschichte aus der Sicht Robins, eines jungen
Fußballprofis, schildert. Der ist gerade aus dem Amateurbereich
zu einem Bundesligaverein aus München gewechselt und macht im Verlauf
der Geschichte nicht nur Erfahrungen mit dem gnadenlosen Leistungsdruck
im Profifußball, sondern wird auch von älteren Vereinskollegen mit in
ein Bordell gelockt. Überraschend ist, dass
Salewski den Roman schon im Sommer 2012 geschrieben hat und eine der
Personen in seinem Buch ein Manager ist, der wegen Steuerhinterziehung
(wenn auch für seinen Verein) angeklagt wird. Eine Vorahnung des Autors,
vielleicht hat er aber auch, wie 2012 mit "Heimgekehrt",
einen Nerv getroffen.
Donnerstag, 12. Dezember 2013
Audienz beim König - Stephen King liest im CCH
The King and I - das ist eine Beziehung, die schon über 30 Jahre währt. Er hat mir mit seinen Romanen, viele davon brillant, über so viele schlechte Tage und Monate hinweggeholfen.
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.
"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt, genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.
Nach den ersten Minuten ist klar: Da steht ein Popstar. "The one and only Mr. King", kündigt ihn ARD-Moderator Ingo Zamperoni an, der zu meinem Bedauern besser Englisch spricht als ich dachte und sich auch noch als Kenner von Kings Büchern entpuppt. Allerdings hat man das Gefühl, der Kerl will King die Show stehlen. Das misslingt gründlich. Bei den sporadischen Übersetzungen des Interviews ist Zamperoni oft schluderig. King ist, das weiß jeder Fan, der seine Auftritte gesehen hat, ein Entertainer, ein Comedian. Beispielsweise findet er es lustig, dass sein Roman "IT" im Deutschen "Es" heißt. "ESSSSSS", lässt King immer wieder das Wort genüsslich über seine Lippen kommen wie "Mit Schlag?", weil dem Horror-Schriftsteller aufgefallen ist, dass bei uns in Deutschland zu allem Schlagsahne angeboten wird. Ein Gag, den ich nicht so richtig nachvollziehen kann. Vielleicht in München, dort war seine letzte Lesung?
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.
Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).
Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.
Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.
Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme: Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.
Von René Erdbrügger
Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:
"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"
und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.
"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt, genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.
The one and only: Stephen King. |
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.
Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).
Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.
Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.
Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme: Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.
Von René Erdbrügger
Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:
"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"
und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".
Dienstag, 10. Dezember 2013
Bücher des Jahres 2013
Krankenschwester trifft auf Gangster. Söderberg ist der neue Stieg Larsson. Genial. |
Der Sohn eines Anwalts gerät unter Morderverdacht. Schuld und Sühne. |
Mutter klärt den Tod ihrer Tochter auf. Ergreifend. |
Ungewöhnliche Werwolf-Geschichte. Einer der besten Horror-Romane seit Jahren. |
Deutscher Knast-Roman. Beeindruckend unprätentiös. |
In Nachhinein gar nicht mal schlecht, wenn auch nicht spannend. |
Donnerstag, 5. Dezember 2013
Wohnen wie in Kalifornien
Architektur der
Moderne: Familie Hodel öffnet die Türen ihres Neutra-Bungalows / Häuser erregen deutschlandweit Aufmerksamkeit
Der Tisch im
Wohnzimmer ist gedeckt. Es gibt Kuchen und Kaffee. Wir sind
im Haus der Familie Professor Robert Hodel und Pia Hodel-Winicker.
Fünf Zimmer, Küche, Bad und ein kleiner Keller. Das alles auf 120
Quadratmetern. Plus Carport. Klingt nach einem beliebigen
08/15-Eigenheim. Doch weit gefehlt: Die Hodels wohnen in einem
jener schmucken, kastenartigen Flachbungalows an der Marienhöhe, die
der österreichisch-amerikanische Stararchitekt Richard Neutra (1892 -
1970) entworfen hat.
Es ist eine Siedlung mit Häusern, die ein wenig
kleiner sind als die großen Villen, die Neutra in den USA gebaut hat,
aber denselben architektonischen Charme versprühen und für ein
Lebensgefühl stehen, das die Eigentümer nicht missen wollen:
Individualität und Nonkonformismus strahlen diese Bungalows aus, die
deutschlandweit das Interesse bei Architekten und Museen erwecken. Fehlt
nur noch die Sonne Kaliforniens. Doch in Norddeutschland macht sie
sich rar.
Beim Besuch ist der Quickborner Architekt
Jens-Olaf Nuckel als Fachmann mit dabei. Er ist ein Freund der Familie.
Das erste Aha-Erlebnisse für mich: Der Wohnraum hat eine große
Stahlrahmen-Fensterfront, durch die man in den Garten
blickt. Das Dach ragt weit darüber hinaus. „Die Verzahnung von
Innen-und Außenraum ist ein Haupt-Merkmal der Neutra-Häuser“, sagt
Nuckel.
„Den erweiterten Raum, dieses Gefühl von Weite“,
schätzt der Hausherr, der Professor für Slavistik an der Hamburger
Universität ist, genauso wie die Funktionalität der Architektur im Stil
der Bauhaus-Tradition. Deswegen hat Neutra auch
auf störende Heizkörper verzichtet. Die warme Luft gelangt durch ein
Gebläse in die Räume.
„Es gibt keine Lügen in dieser Architektur. Es wird
nichts vorgegeben, was man nicht braucht wie zum Beispiel Säulen“, sagt
Hodel-Winicker. Die Konstruktion sei so, dass im Winter die Sonne ins
Wohnzimmer voll hereinscheine, im Sommer
jedoch nicht. „Oft stelle ich nachmittags die Heizung ab, weil sich das
Wohnzimmer erwärmt wie ein Wintergarten“, berichtet sie.
Die Licht durchfluteten Räume des Hauses: Als
Malerin weiß Hodel-Winicker das zu schätzen. In einem hat sie ihr
Atelier eingerichtet. „Die Funktionalität des Hauses, die klaren Formen,
haben mich bei meiner Malerei beeinflusst“, so die
Künstlerin.
So wie die Hodels schwärmen heute viele Besitzer
eines Neutra-Hauses. Das war nicht immer so. „Friedrich Wilhelm Krüger,
der Vater von Liedermacher Mike Krüger, hatte Anfang der 60er Jahre als
Direktor der Hamburger Betreuungs- und Wohnungsbaugesellschaft
den Auftrag bekommen, in Quickborn eine Siedlung zu bauen. Alle
bedeutenden Architekten lehnten jedoch ab. Dann fragte man Richard
Neutra und er sagte ‚Ja‘“, berichtet Nuckel.
Doch die Avantgarde-Bauten, von Quickborns
Bürgermeister Thomas Köppl einmal als „Iglus in der Wüste“ bezeichnet,
entwickelten sich zum Ladenhüter. „Statt der geplanten 190 Wohneinheiten
ließ die Baugesellschaft nur 67 Bungalows bauen –obwohl
jeder Käufer zu dem Haus als Zugabe einen VW Käfer bekam“, berichtet
Nuckel, der ein großer Fan von Neutra ist und dem jedes kleinste Detail
sofort ins Auge springt. Wie das „Spiderleg“, das wie ein Spinnenbein
über den Baukörper hinaus in die Natur ragt.
„Es ist deswegen gebaut worden, um die statischen Kräfte nicht in einer
dicken Stütze in der Ecke des Fensters abzuleiten. Damit wird die Sicht
auf die Natur, auf das Außen eingeschränkt“, erklärt Nuckel die
Funktion.
Wir befinden uns jetzt im Garten, der von den
Nachbargrundstücken abgeschirmt zu sein scheint. „Um die Privatsphäre zu
schützen, sind die Gärten in der Neutra-Siedlung versetzt“, berichtet
Nuckel. Ein weiteres Merkmal von Neutra-Häusern.
Obwohl die Funktionalität im Mittelpunkt steht, Neutra hatte bei seiner
Architektur immer das Wohl des Menschen im Sinn.
Dass die Quickborner Traum-Bungalows in den
vergangenen Jahren eine Renaissance erfahren haben und das Marta-Museum
für zeitgenössische Kunst in Herford ihnen jüngst eine deutschlandweit
Aufsehen erregende Ausstellung widmete (wir berichteten),
ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Siedlung vor neun Jahren
unter Denkmalschutz gestellt wurde – trotz vieler Proteste. Einige der
Eigentümer hatten ihre Bungalows zuvor so wild umbauen lassen, dass der
typische Neutra-Stil nicht mehr zu erkennen war.
Davor schob die Denkmalschutzbehörde jedoch einen Riegel. „Wäre die
Neutra-Siedlung nicht unter Denkmalschutz gestellt worden, wären die
Hintergrundstücke auch bebaut worden“, sagt Nuckel.
Bei so viel Begeisterung, fragt man sich, warum
Nuckel eigentlich nicht selbst in einem Neutra-Bungalow wohnt. „Ich bin
mit Mike Krüger befreundet. Als sein Vater starb und mir die Familie
sein Neutra-Haus angeboten hat, habe ich leider
zu lange gezögert – und dann war das Haus weg.“ sagt Nuckel. Damals
hätte der Quickborner Architekt 660000 Mark hinlegen müssen. Heute gehen
die Kult-Immobilien der Moderne, die wohl auch in Zukunft an Wert
zulegen dürften, in der Stadt für mehr als 400000
Euro über den Tisch. Tendenz steigend.
Von René Erdbrügger
Info:
Richard J. Neutra gilt als einer der wichtigsten Architekten des
Richard J. Neutra gilt als einer der wichtigsten Architekten des
20. Jahrhunderts. In Wien geboren wanderte er 1923
in die USA aus, wo er nach Anstellung bei Frank Lloyd Wright und
Zusammenarbeit mit Rudolf Schindler 1926 ein eigenes Büro in Los Angeles
gründete. Mit seinen ultramodernen Villen, darunter
dem Wohnhaus des Hollywood-Regisseurs Josef v. Sternberg (1935),
avancierte Neutra bald zu einem der bekanntesten und gefragtesten
Architekten in Nordamerika. Zwischen 1960 und 1970 baute er in Europa
Villen und 109 Häuser in Quickborn und Walldorf/Frankfurt.
Für seine Methode wählte Neutra den Begriff des „Biorealismus“. Seine
Philosophie: „Es ist wichtig, dass der Mensch sich stets auch als Teil
seiner Umgebung wahrnimmt.“
Dienstag, 26. November 2013
Singen, schreien, stampfen - Mitmachmärchenfilm aus deutschen Landen
Gefeierte Premiere des
ersten Mitmach-Märchenfilms
"Aschenbrödel und der gestiefelte Kater“ im Quickborner Beluga-Kino / Kindertheater auf der Leinwand
"Aschenbrödel und der gestiefelte Kater“ im Quickborner Beluga-Kino / Kindertheater auf der Leinwand
Es ist ein wenig so wie bei den Vorführungen der „Rocky Horror Picture Show“: Die jungen Zuschauer singen, schreien und stampfen. Es wird geklatscht und gerapt. Und am Ende sogar ausgelassen getanzt. Im Quickborner Beluga-Kino wurde die Premiere des ersten Mitmach-Märchenfilms „Aschenbrödel und der gestiefelte Kater“ für Kinder ab vier Jahren gefeiert. Das Testpublikum waren die Jungen und Mädchen des DRK-Kindergartens – und nach der Vorführung aus dem Häuschen: „Das war toll, fantastisch“, sagten Silja (4), Tilda (5) und Louis (5). Besonders der gestiefelte Kater hat es den Jüngsten angetan.
Auch Kino-Betreiber Kai Bartels war mehr als
zufrieden, denn er wollte vor dem regulären Start wissen: Kommt das
überhaupt an? Jetzt ist er überzeugt: „In der zweiten Hälfte des Films
hat sich die Begeisterung noch gesteigert. Es ist
eine Mischung aus Kasperle-Theater und den klassischen
Märchentheateraufführungen zu Weihnachten. Ohne 3D- oder
Spezialeffekte“, fasste Bartels seine Eindrücke zusammen. Mit der
Produktion von „Aschenbrödel und der gestiefelte Kater “ verwirklicht
Produzent
Martin Molgedey seine über einige Jahre verfolgte Idee, klassische
Märchen auf neue und moderne Weise für ein sehr junges Publikum ins Kino
zu bringen. Der Film, den Regisseur Torsten Künstler („Kokowääh“,
„Schlussmacher“) in Szene setzte, funktioniert perfekt:
Es ist Kindertheater auf der Leinwand: puristisch, charmant,
bezaubernd.
Erzählt werden im Film zwei Grimmsche Märchen, die
in eine Rahmenhandlung eingebettet sind: Der kleine Paul (Ezra Finzi)
und sein Märchenbär MiKi lieben Märchen über alles. Eines Tages muss
Paul mit seinem Vater (Samuel Finzi) und seiner
Mutter (Marie-Lou Sellem) in die Großstadt ziehen, obwohl er doch viel
lieber auf dem Land geblieben wäre. Dort angekommen fühlt er sich erst
sehr einsam. Das bleibt nicht lange so: Mitten in der Stadt entdeckt
Paul die Märchenhütte, einen Ort voll magischer
Anziehungskraft, an dem die alten Grimmschen Geschichten noch ein
Zuhause haben. Und so lernt Paul Aschenbrödel (Claudia Graue), den
gestiefelten Kater (Carsta Zimmermann) und viele andere Märchenwesen
kennen.
Zwei alte Holzhütten bilden das Zentrum einer
zauberhaften Welt. Während die verkleideten Schauspieler die
Märchengeschichten erzählen, spricht immer wieder eine animierte
Figur, der Teddybär, zu den jungen Zuschauern und ermutigt sie,
sich bei der Handlung lautstark einzubringen. „Gewöhnlich haben wir so
unsere Schwierigkeiten mit den Grausamkeiten in den Grimmschen Märchen.
Aber bei den Kindern kommt das in diesem Film nicht so rüber“, sagte
Erzieherin Myriam Pöhler.
Viel Lob gab es auch von Judith Huckfeldt, die mit
ihrer Tochter die Vorstellung besuchte: „Sehr witzig und mit einer
Filmlänge von 60Minuten eine gute Zeit für Kinder“. Mit diesem Konzept
dürfte Molgedey wieder ins Schwarze getroffen
haben: Weit mehr als 15 000 Kinotickets für „Aschenbrödel und der
gestiefelte Kater“ sind bereits bundesweit verkauft worden. Molgedey
ist übrigens der Erfinder der Sneak Previews, in denen den Zuschauern
ein brandneuer Film gezeigt wird – jedoch wissen
sie beim Kauf der Karte nicht, welcher es sein wird. „Molgedey war
mein erster Chef. Er hat mir vor 18 Jahren im Grindel-Kino einen Job als
Eisverkäufer und Kartenabreißer gegeben. Das war mein Start in die
Kinobranche“, sagte Bartels.
René Erdbrügger
Sonntag, 17. November 2013
"Castello Cavalcanti"
Sonntag, 10. November 2013
"Runner Runner"
Durchschnittlicher, unaufgeregter, aber schön gestylter Thriller (Regie: Brad Furman) über einen jungen Studenten (Justin Timberlake), der in Costa Rica (gedreht wurde jedoch in Puerto Rico) den Betreiber einer Onlinepoker-Webseite (Ben Affleck) das Handwerk legen will. Doch er lässt sich von dem Millionär blenden und mischt bald selbst mit. Gemma Arterton übernahm den obligatorischen weiblichen Part in einem Katz-und-Maus-Spiel, das nicht wirklich überrascht. Kann man sehen, muss man aber nicht. *** Annehmbar
Mittwoch, 30. Oktober 2013
"Prisoners" - Ein Mann sieht rot
Wie weit darf man gehen, um entführte Kinder zu
retten? Das ist das Hauptthema von „Prisoners“. Am Thanksgiving-Tag
verschwinden zwei kleine Mädchen. Ein Verdächtiger wird schnell
gefunden. Detective Loki (Jake Gyllenhaal) aber muss den
Sonderling wegen mangelnder Beweise freilassen. Dover (Hugh Jackman),
Vater des einen verschwundenen Mädchens, nimmt die Sache daraufhin
selbst in die eigene Hand – ein Mann sieht rot.
Bewertung: ** Zwiespältig
Lena Stolze - Sie wandelt unter Blumen
Quickborn/Berlin Es ist Dienstagabend. Nach 19 Uhr.
Das Telefon in der Quickborner Redaktion klingelt. Am Apparat
ist Lena Stolze. Ich hatte der Schauspielerin, die in Berlin wohnt,
einen Tag zuvor per E-Mail einige Fragen geschickt. Stolze möchte
lieber persönlich antworten.
Im November kommt sie nach Hamburg und Quickborn.
Zusammen mit Gabriele Rossmanith, Kammersängerin der Staatsoper
Hamburg, und Eberhard Hasenfratz am Klavier, Vorsitzender des Vereins
Kammermusik Quickborn, wird sie einen Liederabend
gestalten. Titel: „Ich wandle unter Blumen“ – Lieder und Literatur von
Liebe, Sehnsucht und Vergänglichkeit“.
Die Schauspielerin wird Texte rezitieren – unter
anderem von Hans-Christian Andersen, Gottfried Benn, Anette von
Droste-Hülshoff und Kurt Schwitters – und Rossmanith singen und
Hasenfratz Klavier spielen. Lieder von Robert Schumann,
Richard Strauss, Alma Mahler, Fanny Hensel, Claude Debussy und Francis
Poulenc stehen auf dem Programm.
„Unser großer Wunsch ist es, die Menschen mit
unseren Beiträgen zu unterhalten und zu berühren“, sagt Stolze, die
zusammen mit Rossmanith die Idee zu dem Liederabend hatte. Die Texte
hat Stolze selbst ausgesucht. Zu Hause, wo sie eine
große Bibliothek besitzt. Auf die Balance käme es ihr an, denn zu dem
Thema gebe es viele melancholische Texte. „Die Blume ist eine Metapher
für die vielen Dinge, die einem Menschen im Leben begegnen“, sagt sie.
Die guten wie die schlechten.
Die Zuhörer können sich auf einen großen Abend
bester Vorlesekunst freuen. Stolze hat Hörbücher wie „Die Bildhauerin“
gelesen und während ihrer Zeit in Hamburg am Thalia Theater Leseabende
gegeben. Während dieser Zeit hat die Schauspielerin
Rossmanith kennen gelernt: „Unsere Söhne gingen auf dieselbe
Grundschule“, sagt Stolze. Schon damals sei der Wunsch entstanden, mal
etwas Gemeinsames zu machen.
Geprobt wird so lange, bis es aus einem Guss ist,
sagt Stolze. Lieder und Literatur – das passt. „Ich bin mit
klassischer Musik aufgewachsen. Fast jede Woche gehe ich zu den Proben
der Berliner Philharmoniker“, sagt Stolze. Im Augenblick
höre sie viel Mahler.
Jetzt horcht der Filmfan auf: In „Mahler auf der
Couch“ (2010) spielt Stolze Mahlers Schwester Justine und würzt das
Ehedrama mit schnippischen Gouvernanten-Bemerkungen. Stolze ist eine
Schauspieler-Legende: Als junge Widerstandskämpferin
Sophie Scholl in „Die weiße Rose“ (1982) – außer „Die Blechtrommel“
und „Das Leben der Anderen“ der wohl wichtigste deutsche Film der
Nachkriegszeit – wurde sie dem breiten Publikum bekannt. Hängt ihr
diese Rolle heute noch nach? „Es ist schon erstaunlich,
wie lange diese Figur im Gedächtnis geblieben ist. Es ist eine Gnade.
Sophie Scholl ist eine wichtige Figur“, sagt sie.
Während der letzten Jahre ist Stolze vom Kino ins
Fernsehfach gewechselt und überzeugt dort mit starken
Frauencharakteren. Gerade beschäftigt sie sich mit Artikel drei,
Absatz zwei des Grundgesetzes und wie es zu der Formulierung „Frauen
und Männer sind gleichberechtigt“ überhaupt kam. „Das ist für einen
Fernsehfilm, in dem ich eine von zwei Frauen spiele, die das
Grundgesetz um eine Formulierung reicher gemacht haben“, erzählt sie.
Welch ein Zufall: Am Sonntag, 3. November, am Tag
ihres Auftritts in Quickborn, läuft in der ZDF-Reihe Herzkino-Film
„Beste Freundinnen“. Er erzählt die Geschichte zweier Frauen, die sich
vor 20 Jahren bei einer Schiffskatastrophe kennen
gelernt haben und seitdem immer zusammen Urlaub machen. Doch für
Caro Ellermann, gespielt von Stolze, wird es die letzte Reise sein.
Beginn im ZDF ist um 20.15Uhr. „Dann müssen wir ja sehen, dass wir mit
dem Liederabend rechtzeitig fertig sind“, sagt
Stolze scherzhaft.
Von René Erdbrügger
Von René Erdbrügger
Veröffentlich im Quickborner Tageblatt vom 28. Oktober 2013
Freitag, 25. Oktober 2013
Guillermo del Toro - Ein Hausbesuch
Regisseur Guillermo del Toro zeigt seine großartigen Sammlung an Kuriositäten - sensationell.
Sonntag, 20. Oktober 2013
"Rush" - Wie ein gut geölter Motor
Testosteron geschwängertes
Motorsport-Drama
Regisseur Ron Howard ( „Apollo 13“) erzählt die wahre Geschichte der beiden Rennfahrer James Hunt (Chris Hemsworth) und Niki Lauda (Daniel Brühl). Die Rivalität zueinander treibt den lässigen Briten, der außer den Wettrennen nur Frauen, Drogen und Alkohol im Kopf hat, und den pragmatischen Österreicher, der nur an schnelle Motoren denkt, zu Höchstleistungen an. Howard gelingt ein überraschend sehenswertes Biopic, das mit rasanten Rennen, frechen Dialogen und dem Kolorit der 70er Jahre überzeugt. Ein Film, der mehr Zuschauer verdient hätte.
Von René Erdbrügger
Dienstag, 8. Oktober 2013
"Gravity": Völlig losgelöst
Lautlos im Weltall. Foto: Warner Bros. |
Regisseur Alfonso Cuarón hat einen Klassiker gedreht
So nah war der Zuschauer dem Weltall bisher noch nie: In
„Gravity“ nimmt Alfonso Cuarón uns mit auf eine Reise in den Orbit, zu einem
Space-Shuttle, wo die Astronauten Kowalsky (George Clooney als abgeklärter
Space-Jockey) und Stone (Sandra Bullock in ihrer bislang überzeugendsten Rolle)
Arbeiten außerhalb des Raumschiffs am Weltraumteleskop Hubble verrichten. Als
heranrasende Trümmerteile eines Satelliten auf
das Shuttle treffen, treiben die beiden Astronauten, nur durch ein Kabel
miteinander verbunden, ins All und sind auf sich allein gestellt. Es gibt
keinen Funkkontakt mehr zur Erde, die Sauerstoffreserven sind beinahe
aufgebraucht. Ein Wettrennen gegen die
Zeit beginnt. Irgendwo in der Ferne blinken die Lichter der Raumstation ISS,
die es zu erreichen gilt, während Mutter Erde ihnen von der Sonne angestrahlt
entgegenleuchtet.
Kammerspielartig erzählt Cuarón von existenzieller
Verlorenheit, von der Hoffnung und von Wiedergeburt. Er zitiert Klassiker wie
„2001“, wenn Bullock sich wie ein Embryo zusammenkauert, und „Alien“, wenn sie
sich durch die Gänge der Raumstation zwängt - ohne die Ikonen zu kopieren. Und
er macht die letzten 30 Minuten des Films mit seiner Dramatik und Spannung zu
einem Lehrstück des effizienten Action-Kinos. Auch wenn recht viel gesprochen
wird, der Film könnte auch ohne Worte funktionieren.
Mögen Krittler auch auf einige Ungereimtheiten und
Logikfehler hinweisen, nach 90 Minuten ist klar, dass „Gravity“ nicht nur der
beste Film des Jahres ist, sondern ein Klassiker, der mit 3D-Bildern aufwartet,
die es so bislang nicht auf der Leinwand zu sehen gab und die uns durch ihre
Schärfe und ihren Realismus das Gefühl vermitteln, hautnah dabei zu sein, ja
zusammen mit den beiden Astronauten im All zu schweben.
Gravity heißt Schwerkraft, aber die Kamera ist völlig losgelöst und wir mit
ihr.
Von René Erdbrügger
Bewertung: Herausragend
Freitag, 27. September 2013
Glen Hansard - Der irische Barde
Glen Hansard,
1970 in Dublin geboren, ist Gründer, Gitarrist und Bandleader der irischen
Indie-Folk-Band „The Frames“. Er verließ
die Schule, als er 13 Jahren alt war, um in den Straßen von Dublin zu spielen.
Auf sich Aufmerksam machte er durch seine Rolle als Gitarrist Outspan Forster
in „Die Commintments“. Heute ist Hansard einer erfolgreichsten Musiker und
Komponisten Irlands.
Mit Hansard sprach
Redakteur René Erdbrügger im Hamburger Yoho-Hotel über
den Film "Once".
den Film "Once".
Glen Hansard spielt im Yoho-Hotel. Die Gitarre scheint zwar ramponiert, aber die Töne, die der Musiker ihr entlockt - oh yeah. Fotos (3): Erdbrügger |
Erzählen
Sie bitte etwas über die Bedingungen, unter denen „Once“ entstand.
Glen Hansard: Der Film wurde in drei Wochen
für 120 000 Euro gedreht. Aber er hat bislang 13 Millionen Dollar eingespielt.
Es ist unglaublich, vor allen, wenn man den Kontext sieht. Ursprünglich war
geplant, „Once“ mit Cillian Murphy in der Hauptrolle zu drehen. Das Budget
betrug zwei Millionen. Ich sollte nur die Songs schreiben. Einen Monat, bevor
die Dreharbeiten losgehen sollten, rief Cillians Agentur an und teilte mit, er
wäre nicht mehr mit dabei, weil er ein anderes Projekt hat. Auch der Produzent sprang ab. Es sah so auch,
als sei unser Film gestorben. John allein konnte das Geld nicht aufbringen. Wir kamen dann auf die Idee, den Film für ganz wenig
Geld mit DVD-Kameras und ohne Dreh-Erlaubnis
aufnehmen. Dann könnten wir ihn für etwa 100 000 Euro produzieren, so unsere
Überlegungen. Ich schlug vor, Damian Rice für die Hauptrolle zu nehmen. Er ist
ein guter Sänger. Aber John sagte: Wenn wir es machen, dann mit dir.
Viele
Szenen schauen sehr spontan aus. Gab es ein Drehbuch?
Hansard: Ja,
es gab ein Script. Ein sehr kurz gefasstes. John ist ein sehr guter Schreiber.
Aber wir haben uns nicht immer daran gehalten.
Ich habe
gelesen, dass Sie und Markéta im richtigen Leben ein Paar sind?
Hansard: Ja,
aber erst nach dem Film. Ich kenne Markéta allerdings schon seit sie 13 Jahre
alt ist. Markétas Vater ist ein sehr bekannter Konzertpromoter in Tschechien.
Als er vor sechs Jahren mein Konzert in Prag betreute, lud er mich und meine
Band in sein Haus ein.
In dem
Film küssen sie sich und Markéta kein einziges Mal.
Hansard: Der
Grund, warum der Film „Once“ (zu deutsch: einmal; Anmerkung der Redaktion)
heißt, ist, weil John auf die Idee kam, dass sich das Mädchen und der Junge einmal
küssen sollten. Das kam für mich und Markéta aber überhaupt nicht in Frage. Vollkommener
Blödsinn. Wenn sie sich geküsst hätten, wäre der Film tot.
Frage: Die
Geschichte endet bittersüß: Was glauben Sie, passiert später mit dem Mädchen
und dem Jungen?
Hansard: Das
Mädchen wird wahrscheinlich bei ihrem Ehemann bleiben und weiter Klavier
spielen. Der Junge wird nach London gehen. Wahrscheinlich wird er wieder mit seiner
Ex-Freundin zusammenkommen und einen Job annehmen.
Dann sind
sie also mit dem Ende des Films zufrieden?
Hansard: Ich
liebe es.
„Once“
ist auch ein Film über das Loslassen? Die Szene mit dem Jungen und seinem Vater
sind sehr gefühlvoll.
Hansard: Es
ist eine typische irische Lebensart. Iren leben bis zu ihren Dreißigern ja sogar Mittdreißigern
zu Haus bei ihren Eltern. Die drängen ihre Kinder auch nicht, das Haus zu verlassen. Es mag vielleicht
daran liegen, dass Hunderte von Jahren irische Jugendliche so schnell sie
konnten nach Amerika oder England auswanderten, um bessere Arbeit zu finden.
Heute ist das nicht mehr nötig. Für irische Familien ist es eine gute Sache,
ihre Kinder so lange wie möglich zu Hause zu behalten. Ja, „Once“ ist ein Film
vom Loslassen.
Kennen
Sie übrigens den Film „Klang des Herzens“. Dort gibt es dasselbe Motiv wie in
„Once“: Menschen, die sich lieben, kommunizieren über die Musik miteinander.
Hansard: Ich
habe ihn noch nicht gesehen. Aber was für ein Zufall: Der Regisseur Curstin hat
Markéta und mich gefragt, ob wir für seinen Film einen Song schreiben würden.
Dazu ist es aber nicht gekommen.
Frage: Es
gibt den Song von The Who „My
Generation“. Für welche Generation ist „Once“ gedacht?
Hansard: Für die
You-Tube-Generation. Im Kino gibt es derzeit eine neue Strömung. Das gleiche gilt
für die Musik. Man muss kein Studio buchen, um eine gute Platte zu machen. Man
kann Platten oder Filme heutzutage für
sehr wenig Geld produzieren.
In
der Anfangssequenz von „Once“ wird dem Musiker der Gitarrenkasten mit dem Geld,
das er für sein Spielen bekommen hat, auf offener Straße gestohlen. Ist Ihnen das
auch schon passiert, als Sie noch auf den Straßen von Dublin musiziert haben?
Hansard
(lacht): Ja, das ist mir das schon wiederfahren. Ein Kerl hat es bis zu fünf Mal
versucht.
Die
Gitarre, auf der sie im Film spielen, schaut auf, als sei sie demoliert. Unter
dem Resonanzkörper ist ein Loch im Holz.
Hansard: Die
Gitarre ist nicht kaputt. Das kommt vom häufigen Spielen.
Das
sieht aber sehr komisch aus.
Hansard: Auf
dem Sundance-Festival in Amerika, wo unser Film lief, gingen Markéta und ich
auf die Bühne, um ein paar Songs zu spielen. Als ich die Gitarre rausholte,
fiel das Publikum plötzlich an zu klatschen. Ich fragte „Warum klatscht Ihr?“
„Das ist die Gitarre aus dem Film “, antworteten sie. Tatsächlich: Meine
Gitarre ist berühmt geworden.“
Gibt es
schon Filmangebote aus Hollywood?
Hansard: Ja,
es gibt Angebote für Filme. Aber ich bin nicht wirklich interessiert. Ich bin Musiker, das ist mein
Leben.
Und
was inspiriert Sie, wenn Sie Ihre Songs schreiben?
Hansard: Das
Leben, die Liebe und die Romantik.
Vielen Dank
für das Gespräch.
Anmerkung: Heute sind Glen und Markéta kein Paar mehr. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.
Filmkritik zu "Once"
Erstes Rendezvous im Musikladen um die Ecke
Ein irischer Musiker lernt auf den Straßen von Dublin eine
tschechische Pianistin kennen – es ist
der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesbeziehung, die sich nur im gemeinsamen
Musikmachen ausdrückt. Regisseur John Carney ist mit „Once“
ein moderner Klassiker gelungen, der die Herzen im Sturm erorbert.
Von René Erdbrügger
Es ist ein modernes Märchen,
das in den Straßen von Dublin spielt: Ein irischer Straßenmusiker lernt eine
junge, wunderhübsche tschechische Pianistin kennen, eine Frau, für die ein Mann
alles tun und sein Leben von heute auf Morgen komplett umkrempeln würde. Auf
der Straße spricht sie ihn an. Ein Song von
ihm berührt sie. Sie glaubt, darin den Schmerz von vergangenen Erlebnissen
herauszuhören.
Auch er möchte sie spielen hören,
aber die Musikerin besitzt kein Klavier. Später führt sie zu einem
Musikgeschäft, dessen Eigentümer er kennt. Sie spielt etwas von Mendelssohn. Dann
kramt er die Noten eines Stücks aus, das er komponiert hat. Beide fangen an zu
spielen, er auf der Gitarre, sie auch dem Klavier. „Falling Slowly“ heißt der Song, der noch öfter zu hören ist.
Allein dieser Moment ist pure Magie. Regisseur John Carney bezeichnet sie als „First-Kiss-Scene“.
Statt eine Kusses flirten und lieben in „Once“ die beiden Hauptdarsteller jedoch
nur über die Musik miteinander. Immer
wieder.
Dass sich der Junge und das Mädchen ineinander verknallt
haben, steht außer Frage. Doch sie werden nicht miteinander ins Bett gehen - bis zum bittersüßen Ende. Einmal besucht sie
ihn zu Hause, und er fragt, ob sie mit ihm die Nacht verbringen möchte. Empört
verlässt sie sein Zimmer.
Es ist nicht leicht für dieses ungewöhnliche Paar: Beide
leiden an einem gebrochenen Herzen. Seine Freundin hat ihn verlassen und ist
nach London gezogen. Auf Super-8-Aufnahmen werden Momenten dieser einst
glücklichen Liebe gezeigt. Sie ist verheiratet und hat ein Kind. Ihr Mann lebt
in Prag. Beide haben es schwer: Der
Straßenmusiker und die Pianistin sind bettelarm. Wenn er nicht spielt,
repariert er für seinen Vater Staubsauger. Sie muss putzen gehen und lebt bei
ihrer Mutter.
Dennoch fluchen beide nicht über das Leben oder geben sich
auf, sondern sie tun das, was sie am
besten können: Musik machen.
Er möchte eine Demo-Band mit seinen Songs aufnehmen. Sie
hilft ihm dabei und spielt nicht nur das Piano. Bei der Bank spricht sie vor, den
Besitzer eines Aufnahmestudios überredet sie, mit dem Mietpreis runterzugehen.
In einer der vielen schönen Szenen überreicht er ihr schließlich
das fertige Demo-Band. Sie hat keine Batterien, sucht nach Geld und geht noch
nachts in einen Drugstore, um neue zu kaufen. Dann hört sie das Tape und
spaziert wie gebannt und verzaubert durch die Stadt bei Nacht, angetrieben
durch die wundervolle Musik, die sie beide aufgenommen haben.
Es sind diese kleinen, intimen, filmischen Momente, in denen
Carney und seine beiden brillanten Hauptdarsteller den Alltag entbanalisieren und zugleich
mystifizieren. Hinter dem Realen verbirgt sich etwas Magisches, dass sich nur durch die Musik
offenbart. Mit ist kein Musikfilm bekannt, der das bisher so überzeugend und
dennoch so bescheiden transportiert hat.
„Once“ ist somit nicht nur gut, sondern
sensationell, ein moderner Klassiker, ein Juwel, ein Meilenstein, wie wir ihn
nur alle paar Jahre zu sehen bekommen. Wenn überhaupt. In Amerika und England
hat er damals den Siegeszug angetreten und die Herzen der Zuschauer im Sturm
erobert. In Deutschland wollte ihn kaum jemand sehen. Aber mir sind gerade diese Geheimtipps, die man nur mit ein paar Cineasten teilt, die liebsten.
Montag, 16. September 2013
Auf DVD und Blu-ray: Die grandiose US-Serie "Hannibal"
"Hannibal" wird als Vorgeschichte zu "Roter Drache" verkauft. Was irritiert, denn Thomas Harris' Roman spielt in den 80er Jahren, die US-Serie in der heutigen Zeit (gut zu erkennen an den modernen Autotypen und den Smartphones). Anyway: "Hannibal" ist eine der verstörendsten Serien seit langem, Mads Mikkelsen als Bösewicht eine Wucht, der Look der Serien exquisit. Warnung: Nur in geringer Dosis konsumierbar.
Lieferbar über Amazon UK.
Lieferbar über Amazon UK.
Mads Mikkelsen als stilvoller Bösewicht. |
„The World’s End“ - Saufen, bis die Aliens kommen
Charmante Idee: Gary King (Simon Pegg) hängt noch immer dem größten Traum seiner Jugendtage nach. Zusammen mit seiner
alten Clique möchte er eine Sauf-Tour durch
die zwölf Pubs, die "goldene Meile", seiner Heimatstadt zu Ende bringen, die die fünf an
ihrem letzten Schultag nicht ganz geschafft hatten. Selbstverständlich kommt es anders als er denkt, denn die
alten Freunde haben sich verändert.
Nach „Shaun of The Dead“ und „Hot Fuzz“ bringen
Simon Pegg, Nick Frost und Regisseur Edgar Wright mit „The World’s End“, so der der Namen der letzten Kneipe, den dritten Teil ihrer so genannten Blut-und-Eiscreme-Trilogie in die
Kinos, die nicht mehr so rockt wie die beiden Vorgänger. Nach Zombies und Morde in einer Kleinstadt gibt hier eine Aliens-Invasion den Rahmen, in dem Pegg, Frost und Wright ihre Gag-Salven abfeuern und und Popkultur-Referenzen zum Besten geben. Aber der SF-Parodie wirkt in die Länge gezogen und die Kämpfe gegen die Alien-Roboter ermüden. Auch an der deutschen Kinokasse läuft der Streifen mittelprächtig.
René Erdbrügger
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