Donnerstag, 12. Dezember 2013

Audienz beim König - Stephen King liest im CCH

The King and I -  das ist eine Beziehung, die schon über 30 Jahre währt. Er hat mir mit seinen Romanen, viele davon brillant,  über so viele schlechte Tage und Monate hinweggeholfen.
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren  veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.

"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt,  genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.

The one and only: Stephen King.
Nach den ersten Minuten ist klar: Da steht ein Popstar. "The one and only Mr. King", kündigt ihn ARD-Moderator Ingo Zamperoni an, der zu meinem Bedauern besser Englisch spricht als ich dachte und sich auch noch als Kenner von Kings Büchern entpuppt. Allerdings hat man das Gefühl, der Kerl will King die Show stehlen. Das misslingt gründlich. Bei den sporadischen Übersetzungen des Interviews ist Zamperoni oft schluderig. King ist, das weiß jeder Fan, der seine Auftritte gesehen hat, ein Entertainer, ein Comedian. Beispielsweise findet er es lustig, dass sein Roman "IT" im Deutschen "Es" heißt. "ESSSSSS", lässt King immer wieder das Wort genüsslich über seine Lippen kommen wie "Mit Schlag?", weil dem Horror-Schriftsteller aufgefallen ist, dass bei uns in Deutschland zu allem Schlagsahne angeboten wird. Ein Gag, den ich nicht so richtig nachvollziehen kann. Vielleicht in München, dort war seine letzte Lesung?
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.

Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).

Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.

Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.

Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme:  Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.

Von René Erdbrügger

Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:

"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"

und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".


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