Glen Hansard,
1970 in Dublin geboren, ist Gründer, Gitarrist und Bandleader der irischen
Indie-Folk-Band „The Frames“. Er verließ
die Schule, als er 13 Jahren alt war, um in den Straßen von Dublin zu spielen.
Auf sich Aufmerksam machte er durch seine Rolle als Gitarrist Outspan Forster
in „Die Commintments“. Heute ist Hansard einer erfolgreichsten Musiker und
Komponisten Irlands.
Mit Hansard sprach
Redakteur René Erdbrügger im Hamburger Yoho-Hotel über
den Film "Once".
den Film "Once".
Glen Hansard spielt im Yoho-Hotel. Die Gitarre scheint zwar ramponiert, aber die Töne, die der Musiker ihr entlockt - oh yeah. Fotos (3): Erdbrügger |
Erzählen
Sie bitte etwas über die Bedingungen, unter denen „Once“ entstand.
Glen Hansard: Der Film wurde in drei Wochen
für 120 000 Euro gedreht. Aber er hat bislang 13 Millionen Dollar eingespielt.
Es ist unglaublich, vor allen, wenn man den Kontext sieht. Ursprünglich war
geplant, „Once“ mit Cillian Murphy in der Hauptrolle zu drehen. Das Budget
betrug zwei Millionen. Ich sollte nur die Songs schreiben. Einen Monat, bevor
die Dreharbeiten losgehen sollten, rief Cillians Agentur an und teilte mit, er
wäre nicht mehr mit dabei, weil er ein anderes Projekt hat. Auch der Produzent sprang ab. Es sah so auch,
als sei unser Film gestorben. John allein konnte das Geld nicht aufbringen. Wir kamen dann auf die Idee, den Film für ganz wenig
Geld mit DVD-Kameras und ohne Dreh-Erlaubnis
aufnehmen. Dann könnten wir ihn für etwa 100 000 Euro produzieren, so unsere
Überlegungen. Ich schlug vor, Damian Rice für die Hauptrolle zu nehmen. Er ist
ein guter Sänger. Aber John sagte: Wenn wir es machen, dann mit dir.
Viele
Szenen schauen sehr spontan aus. Gab es ein Drehbuch?
Hansard: Ja,
es gab ein Script. Ein sehr kurz gefasstes. John ist ein sehr guter Schreiber.
Aber wir haben uns nicht immer daran gehalten.
Ich habe
gelesen, dass Sie und Markéta im richtigen Leben ein Paar sind?
Hansard: Ja,
aber erst nach dem Film. Ich kenne Markéta allerdings schon seit sie 13 Jahre
alt ist. Markétas Vater ist ein sehr bekannter Konzertpromoter in Tschechien.
Als er vor sechs Jahren mein Konzert in Prag betreute, lud er mich und meine
Band in sein Haus ein.
In dem
Film küssen sie sich und Markéta kein einziges Mal.
Hansard: Der
Grund, warum der Film „Once“ (zu deutsch: einmal; Anmerkung der Redaktion)
heißt, ist, weil John auf die Idee kam, dass sich das Mädchen und der Junge einmal
küssen sollten. Das kam für mich und Markéta aber überhaupt nicht in Frage. Vollkommener
Blödsinn. Wenn sie sich geküsst hätten, wäre der Film tot.
Frage: Die
Geschichte endet bittersüß: Was glauben Sie, passiert später mit dem Mädchen
und dem Jungen?
Hansard: Das
Mädchen wird wahrscheinlich bei ihrem Ehemann bleiben und weiter Klavier
spielen. Der Junge wird nach London gehen. Wahrscheinlich wird er wieder mit seiner
Ex-Freundin zusammenkommen und einen Job annehmen.
Dann sind
sie also mit dem Ende des Films zufrieden?
Hansard: Ich
liebe es.
„Once“
ist auch ein Film über das Loslassen? Die Szene mit dem Jungen und seinem Vater
sind sehr gefühlvoll.
Hansard: Es
ist eine typische irische Lebensart. Iren leben bis zu ihren Dreißigern ja sogar Mittdreißigern
zu Haus bei ihren Eltern. Die drängen ihre Kinder auch nicht, das Haus zu verlassen. Es mag vielleicht
daran liegen, dass Hunderte von Jahren irische Jugendliche so schnell sie
konnten nach Amerika oder England auswanderten, um bessere Arbeit zu finden.
Heute ist das nicht mehr nötig. Für irische Familien ist es eine gute Sache,
ihre Kinder so lange wie möglich zu Hause zu behalten. Ja, „Once“ ist ein Film
vom Loslassen.
Kennen
Sie übrigens den Film „Klang des Herzens“. Dort gibt es dasselbe Motiv wie in
„Once“: Menschen, die sich lieben, kommunizieren über die Musik miteinander.
Hansard: Ich
habe ihn noch nicht gesehen. Aber was für ein Zufall: Der Regisseur Curstin hat
Markéta und mich gefragt, ob wir für seinen Film einen Song schreiben würden.
Dazu ist es aber nicht gekommen.
Frage: Es
gibt den Song von The Who „My
Generation“. Für welche Generation ist „Once“ gedacht?
Hansard: Für die
You-Tube-Generation. Im Kino gibt es derzeit eine neue Strömung. Das gleiche gilt
für die Musik. Man muss kein Studio buchen, um eine gute Platte zu machen. Man
kann Platten oder Filme heutzutage für
sehr wenig Geld produzieren.
In
der Anfangssequenz von „Once“ wird dem Musiker der Gitarrenkasten mit dem Geld,
das er für sein Spielen bekommen hat, auf offener Straße gestohlen. Ist Ihnen das
auch schon passiert, als Sie noch auf den Straßen von Dublin musiziert haben?
Hansard
(lacht): Ja, das ist mir das schon wiederfahren. Ein Kerl hat es bis zu fünf Mal
versucht.
Die
Gitarre, auf der sie im Film spielen, schaut auf, als sei sie demoliert. Unter
dem Resonanzkörper ist ein Loch im Holz.
Hansard: Die
Gitarre ist nicht kaputt. Das kommt vom häufigen Spielen.
Das
sieht aber sehr komisch aus.
Hansard: Auf
dem Sundance-Festival in Amerika, wo unser Film lief, gingen Markéta und ich
auf die Bühne, um ein paar Songs zu spielen. Als ich die Gitarre rausholte,
fiel das Publikum plötzlich an zu klatschen. Ich fragte „Warum klatscht Ihr?“
„Das ist die Gitarre aus dem Film “, antworteten sie. Tatsächlich: Meine
Gitarre ist berühmt geworden.“
Gibt es
schon Filmangebote aus Hollywood?
Hansard: Ja,
es gibt Angebote für Filme. Aber ich bin nicht wirklich interessiert. Ich bin Musiker, das ist mein
Leben.
Und
was inspiriert Sie, wenn Sie Ihre Songs schreiben?
Hansard: Das
Leben, die Liebe und die Romantik.
Vielen Dank
für das Gespräch.
Anmerkung: Heute sind Glen und Markéta kein Paar mehr. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.
Filmkritik zu "Once"
Erstes Rendezvous im Musikladen um die Ecke
Ein irischer Musiker lernt auf den Straßen von Dublin eine
tschechische Pianistin kennen – es ist
der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesbeziehung, die sich nur im gemeinsamen
Musikmachen ausdrückt. Regisseur John Carney ist mit „Once“
ein moderner Klassiker gelungen, der die Herzen im Sturm erorbert.
Von René Erdbrügger
Es ist ein modernes Märchen,
das in den Straßen von Dublin spielt: Ein irischer Straßenmusiker lernt eine
junge, wunderhübsche tschechische Pianistin kennen, eine Frau, für die ein Mann
alles tun und sein Leben von heute auf Morgen komplett umkrempeln würde. Auf
der Straße spricht sie ihn an. Ein Song von
ihm berührt sie. Sie glaubt, darin den Schmerz von vergangenen Erlebnissen
herauszuhören.
Auch er möchte sie spielen hören,
aber die Musikerin besitzt kein Klavier. Später führt sie zu einem
Musikgeschäft, dessen Eigentümer er kennt. Sie spielt etwas von Mendelssohn. Dann
kramt er die Noten eines Stücks aus, das er komponiert hat. Beide fangen an zu
spielen, er auf der Gitarre, sie auch dem Klavier. „Falling Slowly“ heißt der Song, der noch öfter zu hören ist.
Allein dieser Moment ist pure Magie. Regisseur John Carney bezeichnet sie als „First-Kiss-Scene“.
Statt eine Kusses flirten und lieben in „Once“ die beiden Hauptdarsteller jedoch
nur über die Musik miteinander. Immer
wieder.
Dass sich der Junge und das Mädchen ineinander verknallt
haben, steht außer Frage. Doch sie werden nicht miteinander ins Bett gehen - bis zum bittersüßen Ende. Einmal besucht sie
ihn zu Hause, und er fragt, ob sie mit ihm die Nacht verbringen möchte. Empört
verlässt sie sein Zimmer.
Es ist nicht leicht für dieses ungewöhnliche Paar: Beide
leiden an einem gebrochenen Herzen. Seine Freundin hat ihn verlassen und ist
nach London gezogen. Auf Super-8-Aufnahmen werden Momenten dieser einst
glücklichen Liebe gezeigt. Sie ist verheiratet und hat ein Kind. Ihr Mann lebt
in Prag. Beide haben es schwer: Der
Straßenmusiker und die Pianistin sind bettelarm. Wenn er nicht spielt,
repariert er für seinen Vater Staubsauger. Sie muss putzen gehen und lebt bei
ihrer Mutter.
Dennoch fluchen beide nicht über das Leben oder geben sich
auf, sondern sie tun das, was sie am
besten können: Musik machen.
Er möchte eine Demo-Band mit seinen Songs aufnehmen. Sie
hilft ihm dabei und spielt nicht nur das Piano. Bei der Bank spricht sie vor, den
Besitzer eines Aufnahmestudios überredet sie, mit dem Mietpreis runterzugehen.
In einer der vielen schönen Szenen überreicht er ihr schließlich
das fertige Demo-Band. Sie hat keine Batterien, sucht nach Geld und geht noch
nachts in einen Drugstore, um neue zu kaufen. Dann hört sie das Tape und
spaziert wie gebannt und verzaubert durch die Stadt bei Nacht, angetrieben
durch die wundervolle Musik, die sie beide aufgenommen haben.
Es sind diese kleinen, intimen, filmischen Momente, in denen
Carney und seine beiden brillanten Hauptdarsteller den Alltag entbanalisieren und zugleich
mystifizieren. Hinter dem Realen verbirgt sich etwas Magisches, dass sich nur durch die Musik
offenbart. Mit ist kein Musikfilm bekannt, der das bisher so überzeugend und
dennoch so bescheiden transportiert hat.
„Once“ ist somit nicht nur gut, sondern
sensationell, ein moderner Klassiker, ein Juwel, ein Meilenstein, wie wir ihn
nur alle paar Jahre zu sehen bekommen. Wenn überhaupt. In Amerika und England
hat er damals den Siegeszug angetreten und die Herzen der Zuschauer im Sturm
erobert. In Deutschland wollte ihn kaum jemand sehen. Aber mir sind gerade diese Geheimtipps, die man nur mit ein paar Cineasten teilt, die liebsten.
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