Freitag, 27. September 2013

Glen Hansard - Der irische Barde

Glen Hansard, 1970 in Dublin geboren, ist Gründer, Gitarrist und Bandleader der irischen Indie-Folk-Band „The Frames“.  Er verließ die Schule, als er 13 Jahren alt war, um in den Straßen von Dublin zu spielen. Auf sich Aufmerksam machte er durch seine Rolle als Gitarrist Outspan Forster in „Die Commintments“. Heute ist Hansard einer erfolgreichsten Musiker und Komponisten Irlands.
Mit Hansard sprach Redakteur René Erdbrügger im Hamburger Yoho-Hotel über
den Film "Once".
Glen Hansard spielt im Yoho-Hotel. Die Gitarre scheint  zwar ramponiert, aber die Töne, die der Musiker ihr entlockt - oh yeah. Fotos (3): Erdbrügger







Erzählen Sie bitte etwas über die Bedingungen, unter denen „Once“ entstand.
Glen Hansard: Der Film wurde in drei Wochen für 120 000 Euro gedreht. Aber er hat bislang 13 Millionen Dollar eingespielt. Es ist unglaublich, vor allen, wenn man den Kontext sieht. Ursprünglich war geplant, „Once“ mit Cillian Murphy in der Hauptrolle zu drehen. Das Budget betrug zwei Millionen. Ich sollte nur die Songs schreiben. Einen Monat, bevor die Dreharbeiten losgehen sollten, rief Cillians Agentur an und teilte mit, er wäre nicht mehr mit dabei, weil er ein anderes Projekt hat.  Auch der Produzent sprang ab. Es sah so auch, als sei unser Film gestorben. John allein konnte das Geld nicht aufbringen.  Wir kamen  dann auf die Idee, den Film für ganz wenig Geld  mit DVD-Kameras und ohne Dreh-Erlaubnis aufnehmen. Dann könnten wir ihn für etwa 100 000 Euro produzieren, so unsere Überlegungen. Ich schlug vor, Damian Rice für die Hauptrolle zu nehmen. Er ist ein guter Sänger. Aber John sagte: Wenn wir es machen, dann mit dir.

Viele Szenen schauen sehr spontan aus. Gab es ein Drehbuch?
Hansard: Ja, es gab ein Script. Ein sehr kurz gefasstes. John ist ein sehr guter Schreiber. Aber wir haben uns nicht immer daran gehalten.

Ich habe gelesen, dass Sie und Markéta im richtigen Leben ein Paar sind?
Hansard: Ja, aber erst nach dem Film. Ich kenne Markéta allerdings schon seit sie 13 Jahre alt ist. Markétas Vater ist ein sehr bekannter Konzertpromoter in Tschechien. Als er vor sechs Jahren mein Konzert in Prag betreute, lud er mich und meine Band in sein Haus ein.

In dem Film küssen sie sich und Markéta kein einziges Mal.
Hansard: Der Grund, warum der Film „Once“ (zu deutsch: einmal; Anmerkung der Redaktion) heißt, ist, weil John auf die Idee kam, dass sich das Mädchen und der Junge einmal küssen sollten. Das kam für mich und Markéta aber überhaupt nicht in Frage. Vollkommener Blödsinn. Wenn sie sich geküsst hätten, wäre der Film tot.

Frage: Die Geschichte endet bittersüß: Was glauben Sie, passiert später mit dem Mädchen und dem Jungen?
Hansard: Das Mädchen wird wahrscheinlich bei ihrem Ehemann bleiben und weiter Klavier spielen. Der Junge wird nach London gehen. Wahrscheinlich wird er wieder mit seiner Ex-Freundin zusammenkommen und einen Job annehmen.

Dann sind sie also mit dem Ende des Films zufrieden?
Hansard: Ich liebe es.

„Once“ ist auch ein Film über das Loslassen? Die Szene mit dem Jungen und seinem Vater sind sehr gefühlvoll.
Hansard: Es ist eine typische irische Lebensart. Iren leben bis  zu ihren Dreißigern ja sogar Mittdreißigern zu Haus bei ihren Eltern. Die drängen ihre Kinder  auch nicht, das Haus zu verlassen. Es mag vielleicht daran liegen, dass Hunderte von Jahren irische Jugendliche so schnell sie konnten nach Amerika oder England auswanderten, um bessere Arbeit zu finden. Heute ist das nicht mehr nötig. Für irische Familien ist es eine gute Sache, ihre Kinder so lange wie möglich zu Hause zu behalten. Ja, „Once“ ist ein Film vom Loslassen.

Kennen Sie übrigens den Film „Klang des Herzens“. Dort gibt es dasselbe Motiv wie in „Once“: Menschen, die sich lieben, kommunizieren  über die Musik miteinander.
Hansard: Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber was für ein Zufall: Der Regisseur Curstin hat Markéta und mich gefragt, ob wir für seinen Film einen Song schreiben würden. Dazu ist es aber nicht gekommen.

Frage: Es gibt den  Song von The Who „My Generation“. Für welche Generation ist „Once“ gedacht?
Hansard:   Für die You-Tube-Generation. Im Kino gibt es derzeit eine neue Strömung. Das gleiche gilt für die Musik. Man muss kein Studio buchen, um eine gute Platte zu machen. Man kann  Platten oder Filme heutzutage für sehr wenig Geld produzieren.

In der Anfangssequenz von „Once“ wird dem Musiker der Gitarrenkasten mit dem Geld, das er für sein Spielen bekommen hat,  auf offener Straße gestohlen. Ist Ihnen das auch schon passiert, als Sie noch auf den Straßen von Dublin musiziert haben?
Hansard (lacht): Ja, das ist mir das schon wiederfahren. Ein Kerl hat es bis zu fünf Mal versucht.

Die Gitarre, auf der sie im Film spielen, schaut auf, als sei sie demoliert. Unter dem Resonanzkörper ist ein Loch im Holz.
Hansard: Die Gitarre ist nicht kaputt. Das kommt vom häufigen Spielen.

Das sieht aber sehr komisch aus.
Hansard: Auf dem Sundance-Festival in Amerika, wo unser Film lief, gingen Markéta und ich auf die Bühne, um ein paar Songs zu spielen. Als ich die Gitarre rausholte, fiel das Publikum plötzlich an zu klatschen. Ich fragte „Warum klatscht Ihr?“ „Das ist die Gitarre aus dem Film “, antworteten sie. Tatsächlich: Meine Gitarre ist berühmt geworden.“

Gibt es schon Filmangebote aus Hollywood?
Hansard: Ja, es gibt Angebote für Filme. Aber ich bin nicht wirklich  interessiert. Ich bin Musiker, das ist mein Leben.

Und was inspiriert Sie, wenn Sie Ihre Songs schreiben?
Hansard: Das Leben, die Liebe und die Romantik.

Vielen Dank für das Gespräch.

Anmerkung: Heute sind Glen und Markéta kein Paar mehr. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.







Filmkritik zu "Once"

Erstes Rendezvous im Musikladen um die Ecke

Ein irischer Musiker lernt auf den Straßen von Dublin eine tschechische Pianistin kennen –  es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Liebesbeziehung, die sich nur im gemeinsamen Musikmachen ausdrückt. Regisseur John Carney ist mit  „Once“  ein moderner Klassiker gelungen, der die Herzen im Sturm erorbert.

Von René Erdbrügger

Es ist ein modernes Märchen, das in den Straßen von Dublin spielt: Ein irischer Straßenmusiker lernt eine junge, wunderhübsche tschechische Pianistin kennen, eine Frau, für die ein Mann alles tun und sein Leben von heute auf Morgen komplett umkrempeln würde. Auf der Straße spricht sie ihn an.  Ein Song von ihm berührt sie. Sie glaubt, darin den Schmerz von vergangenen Erlebnissen herauszuhören.
Auch er möchte sie spielen hören, aber die Musikerin besitzt kein Klavier. Später führt sie zu einem Musikgeschäft, dessen Eigentümer er kennt. Sie spielt etwas von Mendelssohn. Dann kramt er die Noten eines Stücks aus, das er komponiert hat. Beide fangen an zu spielen, er auf der Gitarre, sie auch dem Klavier. „Falling Slowly“  heißt der Song, der noch öfter zu hören ist.
Allein dieser Moment ist pure Magie. Regisseur John Carney bezeichnet sie als „First-Kiss-Scene“. Statt eine Kusses flirten und lieben in „Once“ die beiden Hauptdarsteller jedoch nur über die Musik miteinander.  Immer wieder.

Dass sich der Junge und das Mädchen ineinander verknallt haben, steht außer Frage. Doch sie werden nicht miteinander ins Bett gehen -  bis zum bittersüßen Ende. Einmal besucht sie ihn zu Hause, und er fragt, ob sie mit ihm die Nacht verbringen möchte. Empört verlässt sie sein Zimmer.
Es ist nicht leicht für dieses ungewöhnliche Paar: Beide leiden an einem gebrochenen Herzen. Seine Freundin hat ihn verlassen und ist nach London gezogen. Auf Super-8-Aufnahmen werden Momenten dieser einst glücklichen Liebe gezeigt. Sie ist verheiratet und hat ein Kind. Ihr Mann lebt in Prag.  Beide haben es schwer: Der Straßenmusiker und die Pianistin sind bettelarm. Wenn er nicht spielt, repariert er für seinen Vater Staubsauger. Sie muss putzen gehen und lebt bei ihrer Mutter.

Dennoch fluchen beide nicht über das Leben oder geben sich auf,  sondern sie tun das, was sie am besten können: Musik machen.
Er möchte eine Demo-Band mit seinen Songs aufnehmen. Sie hilft ihm dabei und spielt nicht nur das Piano. Bei der Bank spricht sie vor, den Besitzer eines Aufnahmestudios überredet sie, mit dem Mietpreis runterzugehen.
In einer der vielen schönen Szenen überreicht er ihr schließlich das fertige Demo-Band. Sie hat keine Batterien, sucht nach Geld und geht noch nachts in einen Drugstore, um neue zu kaufen. Dann hört sie das Tape und spaziert wie gebannt und verzaubert durch die Stadt bei Nacht, angetrieben durch die wundervolle Musik, die sie beide aufgenommen haben.

Es sind diese kleinen, intimen, filmischen Momente, in denen Carney und seine beiden brillanten Hauptdarsteller den  Alltag entbanalisieren und zugleich mystifizieren. Hinter dem Realen verbirgt sich etwas  Magisches, dass sich nur durch die Musik offenbart. Mit ist kein Musikfilm bekannt, der das bisher so überzeugend und dennoch so bescheiden transportiert hat. 

„Once“ ist somit nicht nur gut, sondern sensationell, ein moderner Klassiker, ein Juwel, ein Meilenstein, wie wir ihn nur alle paar Jahre zu sehen bekommen. Wenn überhaupt. In Amerika und England hat er damals den Siegeszug angetreten und die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert. In Deutschland wollte ihn kaum jemand sehen. Aber mir sind gerade diese Geheimtipps, die man nur mit ein paar  Cineasten teilt, die liebsten.

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