Sonntag, 7. September 2025

"Like a Complete Unknown" – Eine Hymne an den Mythos Dylan

 

"Like a Complete Unknown" ist kein gewöhnliches Biopic – es ist eine tief empfundene Hommage an einen Künstler, der nie wirklich greifbar war. Regisseur James Mangold gelingt das Kunststück, Bob Dylan nicht erklären zu wollen, sondern ihn in all seiner Widersprüchlichkeit erfahrbar zu machen. Der Film fokussiert sich auf die frühen Jahre Dylans, die Zeit, in der aus einem jungen Musiker aus Minnesota eine Ikone der Gegenkultur wurde.

Im Zentrum steht Timothée Chalamet, der mit einer fast unheimlichen Authentizität in die Rolle des jungen Dylan schlüpft. Er spielt nicht nur – er lebt die Figur: die Stimme, der Blick, das Spiel mit der Gitarre, selbst das Scheue und zugleich Durchdringende in seiner Präsenz. Chalamet singt selbst, und das mit überraschender Überzeugungskraft – kein Imitat, sondern eine sensible Annäherung.


 

Die Inszenierung verzichtet bewusst auf klassische Biopic-Dramaturgien. Stattdessen erleben wir Momente – fragmentarisch, poetisch, voller Atmosphäre. Die Kamera fängt das New York der frühen 1960er mit rauer Romantik ein: verrauchte Clubs, regennasse Straßen, spontane Jam-Sessions. Musik wird hier nicht zur bloßen Kulisse – sie ist das erzählerische Herz des Films. Wenn Dylan singt, dann spricht der Film – leise, eindringlich, wahrhaftig.

Bemerkenswert ist auch das Ensemble: Nebenrollen wie Joan Baez oder Pete Seeger erhalten eigene Nuancen, ohne die Hauptfigur zu überstrahlen. Doch trotz der starken Darsteller bleibt der Film stets bei Dylan – oder besser gesagt: bei dem Versuch, ihn zu begreifen, ohne ihn zu entmystifizieren.

Was diesen Film besonders macht, ist seine Zurückhaltung. "Like a Complete Unknown" versucht nicht, Antworten zu geben. Er stellt Fragen – über Identität, Kunst, Wahrheit und Wandel. Er zeigt einen Dylan, der sich entzieht, neu erfindet, aneckt. Und genau darin liegt seine Größe: Der Film bewahrt das Geheimnis, das Dylan umgibt. Und macht daraus großes Kino.

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Sonntag, 24. August 2025

"Black Bag" – Stilvoller Spionagefilm mit Tiefgang

 

Steven Soderbergh liefert mit "Black Bag" ein ungewöhnliches Spionagedrama ab: dialogreich, ruhig inszeniert und visuell elegant. Statt Action und Gadgets gibt es hier ein konzentriertes Kammerspiel zwischen zwei Agenten – und Ex-Partnern – gespielt von Michael Fassbender und Cate Blanchett.

Was als geheime Mission beginnt, entwickelt sich zu einem dichten psychologischen Duell, bei dem Wahrheit, Vertrauen und Verrat miteinander verschwimmen. Die Chemie der Hauptdarsteller ist fesselnd, die Dialoge pointiert, das Setting minimalistisch, aber atmosphärisch stark.

Soderbergh inszeniert präzise, fast schon literarisch – mit viel Subtext und wenig Spektakel. Wer klassische Spionagethriller im Stil von John le Carré mag, wird hier fündig. Wer auf Action und Tempo hofft, eher nicht.


 

Der Film dreht sich um das Ehepaar George (Michael Fassbender) und Kathryn (Cate Blanchett), beide hochrangige Agenten des britischen Geheimdienstes. Ihre Beziehung, die von gegenseitiger Täuschung und beruflicher Paranoia geprägt ist, wird auf die ultimative Probe gestellt, als Kathryn als Maulwurf verdächtigt wird. George muss sich entscheiden: seine Loyalität gegenüber seiner Frau oder gegenüber seinem Land.

Die größte Stärke von "Black Bag" sind die herausragenden Leistungen der Hauptdarsteller. Michael Fassbender spielt den Geheimdienstler mit einer faszinierenden Mischung aus professioneller Kälte und persönlicher Zerrissenheit. Cate Blanchett glänzt als seine undurchschaubare Frau, deren Motive bis zum Schluss im Dunkeln liegen. Ihre gemeinsamen Szenen, in denen jeder Satz eine potenzielle Lüge sein könnte, sind das Herzstück des Films.

Soderberghs Inszenierung ist bewusst minimalistisch: keine ausufernden Verfolgungsjagden oder Explosionen. Stattdessen konzentriert er sich auf beklemmende Verhörsituationen, leise Dialoge und eine kühle, urbane Ästhetik, die die emotionale Distanz der Charaktere perfekt widerspiegelt. Die Kameraführung, oft aus der Hand geführt, verstärkt das Gefühl der Unmittelbarkeit und der ständigen Überwachung.

Der Film besticht auch durch sein scharfes Drehbuch von David Koepp, das mit trockenem Witz und cleveren Enthüllungen gespickt ist. "Black Bag" ist ein Thriller, der das Publikum zum Nachdenken anregt und nicht nur passiv unterhält. Er spielt virtuos mit den Themen Vertrauen, Paranoia und der Frage, wie man die Wahrheit erkennt, wenn jeder im eigenen Umfeld ein professioneller Lügner ist.

Der Titel "Black Bag" bezieht sich auf eine verdeckte Operation, die in der Welt der Geheimdienste als "Black Bag Job" bekannt ist. Das ist der umgangssprachliche Ausdruck für einen geheimen Einbruch, bei dem es nicht um Diebstahl geht, sondern darum, an Informationen zu gelangen. Agenten brechen in eine Wohnung oder ein Büro ein, um beispielsweise Dokumente zu kopieren, Wanzen zu platzieren oder Daten zu stehlen. Solche Aktionen sind oft illegal und werden im Geheimen ausgeführt, weil sie die Grenzen des Gesetzes überschreiten.

Der Film verwendet diesen Begriff, um von Anfang an klarzumachen, dass es um eine Welt voller Geheimnisse und moralisch fragwürdiger Taktiken geht. Es geht nicht nur um physische Einbrüche, sondern auch um das Eindringen in das Privatleben und die Psyche von Menschen, was das zentrale Thema des Films perfekt widerspiegelt.

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Samstag, 23. August 2025

„Night Always Comes“: Existenzkampf in einer Nacht

 

Mit "Night Always Comes" liefert Netflix einen packenden Thriller, der die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Im Zentrum des Films (Regie Benjamin Caron) steht Lynette (Vanessa Kirby), die in einer einzigen Nacht alles riskiert, um das Zuhause, das sie mit ihrem Bruder teilt, vor der Zwangsräumung zu bewahren. Lynettes alleinerziehende, labile Mutter Doreen (Jennifer Jason Leigh) hat sich auf Pump plötzlich für 25.000 Dollar ein Auto gekauft. Das Geld war aber für die Anzahlung des Hauses gedacht. Der Hauskauf droht zu platzen, Obdachlosigkeit droht.

Vanessa Kirby bringt die Figur der Lynette mit einer Mischung aus Wut, Verzweiflung und Stärke zu Leben, die einfach mitreißend ist. Sie schafft es, die schwierige moralische Lage ihrer Figur greifbar zu machen und dem Zuschauer die Zerrissenheit ihrer Entscheidungen näherzubringen. Ihre schauspielerische Leistung ist definitiv der Höhepunkt des Films – sie verleiht Lynette Tiefe und Authentizität.


 

 
Was der Film "Night Always Comes" besonders sehenswert macht, ist sein Fokus auf das menschliche Drama der Geschichte. Der Film stellt die Frage, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, wenn es um ihre Existenz geht. Die Themen Armut, soziale Ungerechtigkeit und Gentrifizierung werden zwar angeschnitten, aber der Film stellt in erster Linie die menschliche Seite dieser Themen dar - einer der besten Filme des ganzen Jahres.

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„Heretic": Zwischen Glaube und Grauen

Was passiert, wenn der Glaube auf die Probe gestellt wird, nicht durch Zweifel, sondern durch eine völlige Zerstörung des Fundaments? "Heretic", der neue Film von Scott Beck und Bryan Woods, stellt genau diese Frage – und zeigt dabei, wie der Glaube gerade durch Herausforderungen gestärkt werden kann.

Zwei junge Missionarinnen landen in einem abgelegenen Haus, wo sie einem Mann begegnen, der ihre Überzeugungen auf die härteste Weise hinterfragt. Was als Gespräch über den Glauben beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Spiel aus Manipulation und psychologischen Angriffen.

Hught Grant liefert als Mr. Reed in "Heretic" eine meisterhaft komplexe Performance ab: charmant, bedrohlich und intellektuell intrigan­t. Sie zeigt, wie er alte Rollenmuster umkehrt.


 

Die beiden Nebendarstellerinnen, Sophie Thatcher (Sister Barnes) und Chloe East (Sister Paxton), liefern in "Heretic" kraftvolle, nuancierte Performances, die den Film emotional und thematisch tief verankern. Besonders authentisch wird das Spiel der beiden durch ihre eigene Herkunft: East und Thatcher wurden beide in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (LDS) erzogen – ein Detail, das den Regisseuren im Casting nicht bekannt war, das aber ihren Zugang zur Rolle stark unterstützt hat 

"Heretic" zeigt nicht einfach den Kampf zwischen Glauben und Unglauben, sondern stellt eine tiefere Frage: Was bleibt, wenn alles, woran du glaubst, auf den Prüfstand kommt? Der Film fordert den Zuschauer heraus, sich mit seinen eigenen Überzeugungen auseinanderzusetzen – und bietet keine leichten Antworten, sondern die Chance, den eigenen Glauben zu festigen.

Gerade für gläubige Zuschauer kann dieser Film eine wertvolle Reflexion sein, die den Glauben nicht untergräbt, sondern ihn aus neuen Perspektiven heraus stärkt mit schlagfertigen Argumenten.

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Samstag, 16. August 2025

Eingesperrt hinter der Wand – „Brick“ sorgt für Gänsehaut auf Netflix

 

Was tun, wenn dein Haus plötzlich von einer schwarzen Wand umschlossen ist – ohne Tür, ohne Fenster, ohne Erklärung? "Brick", ein deutscher Mystery-Thriller auf Netflix, setzt genau hier an und zieht uns in ein klaustrophobisches Szenario, das zwischen Science-Fiction und Kammerspiel schwankt.

Das Konzept ist stark: Eine mysteriöse Hightech-Barriere schneidet ein Wohnhaus samt Bewohnern von der Außenwelt ab. Die Ursache? Eine fehlgesteuerte Verteidigungstechnologie – klingt abgefahren, funktioniert aber erstaunlich gut als Aufhänger für Misstrauen, Gruppendynamik und existenzielle Angst.


 

Visuell solide und atmosphärisch dicht, lebt der Film von seiner bedrückenden Stimmung. Allerdings bleibt die Figurenzeichnung flach – insbesondere die Beziehung zwischen Tim (Matthias Schweighöfer) und Olivia (Ruby O. Fee) wirkt eher behauptet als fühlbar. Auch der Erzählfluss wirkt teils überhastet.Schauspielerisch ist Schweighöfer in einer ernsteren Rolle eine angenehme Überraschung.

"Brick" bietet viel Atmosphäre, ein spannendes Thema und eine gelungene visuelle Umsetzung. Der Erzählfluss wirkt allerdings teils überhastet.

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Donnerstag, 7. August 2025

"Inside" – Ein kühles Kammerspiel über Isolation und Wahnsinn

 

In "Inside" stellt sich der griechische Regisseur Vasilis Katsoupis einer außergewöhnlichen Herausforderung: Was passiert, wenn ein Mann völlig allein und gefangen in einem hochmodernen Luxus-Apartment ist, ohne Aussicht auf Rettung? Willem Dafoe, der als Kunstdieb Nemo in dieses düstere Abenteuer stürzt, trägt den Film mit einer packenden Performance, die den Zuschauer auf eine psychologische Reise zwischen Überleben und Wahnsinn mitnimmt.

Nemo, ein Kunstdieb, gerät bei einem Einbruch in eine moderne Luxuswohnung in eine verzwickte Situation. Ein unvorhergesehener Sicherheitsmechanismus versperrt den Ausgang, und der Besitzer der Wohnung bleibt verschwunden. Gefangen in einem gläsernen Käfig, ist er nun auf sich allein gestellt. Ohne Strom, Wasser oder Kontakt zur Außenwelt muss er sich mit den immer extremere werdenden Umständen auseinandersetzen.


 

Willem Dafoe ist schlichtweg der Motor dieses Films. Als alleiniger Darsteller schafft er es, die innere Zerrissenheit seiner Figur in jeder noch so kleinen Bewegung, in jedem Blick, in jeder Geste zu transportieren. Ohne die Unterstützung von Dialogen oder Mitspielern entfaltet sich Nemos psychische Zerrüttung auf eine ganz besondere Art und Weise. Es ist eine wahre Tour de Force der Schauspielkunst – Dafoe hält die Spannung und das Interesse der Zuschauer aufrecht.

Katsoupis nutzt das minimalistische, fast sterile Setting des Penthouse-Apartments, um den inneren Zustand der Hauptfigur widerzuspiegeln. Die Räume, die einerseits beeindruckend und luxuriös wirken, sind gleichzeitig kalt, unnahbar und ein Gefängnis. Kunstwerke an den Wänden, Skulpturen, teure Möbel – all das verliert schnell seinen Glanz. Besonders dann, wenn man immer weniger zu essen hat.

"Inside" ist weit mehr als nur ein klassischer Thriller oder ein Kammerspiel. Der Film thematisiert Isolation, Entfremdung und den psychologischen Verfall eines Menschen, der von der Welt abgeschnitten wird. Was passiert dann mit der menschlichen Psyche?

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Samstag, 2. August 2025

Einfach nur anstrengend: Netflix-Serie "Too Much"

 

Auf den ersten Blick verspricht die Netflix-Serie "Too Much" mit den renommierten Machern Lena Dunham ("Girls") und Luis Felber eine erfrischende, zeitgemäße Liebesgeschichte. Doch schnell wird klar, dass die Show, die so modern sein will, in altbekannten Erzählmustern stecken bleibt. Was als scharfsinnige Beobachtung über die Tücken der Liebe in den Dreißigern beginnt, entpuppt sich als eine vorhersehbare Aneinanderreihung von Klischees, die man in ähnlicher Form schon Dutzende Male gesehen hat.

Die Handlung um die New Yorker Statistikerin Jessica (Megan Marie Stalter), die sich in einen melancholischen britischen Musiker verliebt, ist der Kern dieser Enttäuschung. Statt die Dynamik einer Fernbeziehung oder die Herausforderungen einer neuen Kultur mit frischen Augen zu betrachten, verfällt die Serie in bekannte Stereotypen. Jessica ist die karriereorientierte, neurotische Denkerin, die ständig alles überanalysiert. Ihr Gegenüber, der Musiker Felix, ist der charmante, aber emotional unnahbare Freigeist. Diese Figurenkonstellation fühlt sich nicht authentisch an, sondern wie ein Abziehbild aus einem Indie-Film der 2010er Jahre.


 

Auch der Humor zündet selten. Der Versuch, die inneren Monologe der Hauptfigur witzig und tiefgründig zu gestalten, ermüdet schnell. Die Selbstzweifel und Sorgen der Protagonistin wirken oft selbstgefällig, was es schwer macht, mit ihr mitzufühlen. Die Dialoge sind bemüht, geistreich zu sein, wirken aber oft unnatürlich und künstlich. Anstatt die Komik in den absurden Momenten des Lebens zu finden, scheint die Serie Humor erzwingen zu wollen.

Am Ende bleibt "Too Much" eine vertane Gelegenheit. Trotz der vielversprechenden Ausgangslage und talentierter Köpfe hinter der Kamera gelingt es der Serie nicht, aus dem Schatten ihrer Vorgänger zu treten. Statt einer packenden und originellen Geschichte bekommt man einen generischen Plot mit Figuren, die man kaum ins Herz schließen kann.

Montag, 28. Juli 2025

„Companion – Die perfekte Begleitung“ – Wenn die KI zurückschlägt

In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz fast schon zum Alltag gehört, bringt „Companion – Die perfekte Begleitung“ frischen Wind ins Sci-Fi-Genre – mit einer Portion bitterbösem Humor, satirischer Gesellschaftskritik und überraschend viel Blut. Was zunächst wie eine charmante romantische Komödie beginnt, entpuppt sich schnell als düsteres Szenario über Kontrolle, Erwartungen und die Frage, wer eigentlich für wen da ist.

Iris (gespielt von Sophie Thatcher) ist nicht einfach nur eine Traumfrau – sie ist programmiert, eine zu sein. Als künstliche Begleiterin wird sie an einen jungen Mann „übergeben“, der sich eine perfekte Partnerin wünscht. Doch bald merkt Iris, dass „perfekt“ für ihn bedeutet: gehorsam, still, sexuell verfügbar sein. Was als skurrile Beziehung beginnt, kippt schlagartig, als Iris sich gegen ihre Rolle wehrt – mit tödlichen Konsequenzen.Was den Kipp-Punkt auslöst, soll hier nicht verraten werden.   

Thatcher verleiht Iris eine faszinierende Ambivalenz: Zwischen kindlicher Naivität und präziser Brutalität entwickelt sie sich zur eigentlichen Protagonistin. Ihre Darstellung macht es dem Publikum leicht, mit einem Roboter zu sympathisieren – und schwer, die menschlichen Figuren zu mögen. Jack Quaid verkörpert seinen Part mit einer Mischung aus Charme, Narzissmus und viel krimineller Energie.


 

Visuell pendelt der Film zwischen nostalgischer 50er-Jahre-Wohnwelt und klinisch-futuristischer Dystopie. Diese stilistische Mischung ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch bitterböse pointiert: Der Film spielt bewusst mit Schönheitsidealen, Genderrollen und dem Wunsch nach einer „perfekten“ Beziehung. Dabei geizt er weder mit schwarzem Humor noch mit blutigen Ausbrüchen – manche Szenen wirken fast wie aus einem Splatterfilm, ohne ins rein Exploitative abzurutschen.

Obwohl „Companion“ auf den ersten Blick wie ein klassischer Genre-Mix daherkommt, kratzt er an einigen spannenden Fragen: Was passiert, wenn Technologie unsere Bedürfnisse besser versteht als wir selbst? Wo liegt die Grenze zwischen Fürsorge und Besitzdenken? Und wie frei ist ein Wesen, das für jemanden anderen programmiert wurde?

Der Film wirft diese Fragen auf, ohne sie allzu tief auszuführen – aber vielleicht ist das auch seine Stärke: Er lädt zum Nachdenken ein, ohne belehrend zu sein.

Nicht alles sitzt perfekt: Manche Dialoge wirken konstruiert, die Story verliert im Mittelteil etwas an Tempo, und wer eine tiefgehende Analyse künstlicher Intelligenz erwartet, wird eher unterhalten als erleuchtet. Auch das Finale ist eher spektakulär als konsequent, aber stört nicht den Gesamteindruck.

„Companion – Die perfekte Begleitung“ ist kein philosophisches KI-Drama, sondern ein böser kleiner Film mit überraschendem Tiefgang, scharfer Satire und einer Hauptfigur, die sich von einem Produkt zur Rebellin wandelt. Ein Film, der auf clevere Weise zeigt, dass nicht immer der Mensch der Held ist – manchmal ist es die Maschine, die erkennt, was falsch läuft.

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Samstag, 26. Juli 2025

„Juror #2“: Ein Schuldiger unter Geschworenen

Mit Juror #2 kehrt Clint Eastwood als Regisseur zurück und liefert ein spannungsgeladenes Justizdrama, das weniger durch laute Effekte als durch innere Konflikte überzeugt. Die Geschichte dreht sich um Justin Kemp (Nicholas Hoult), einen Familienvater, der als Geschworener in einem Mordfall sitzt – und plötzlich erkennt, dass er selbst in das Verbrechen verwickelt sein könnte.

Nicholas Hoult spielt die innere Zerrissenheit seines Charakters glaubhaft, unterstützt von einer starken Toni Collette als kompromisslose Staatsanwältin. 

Eastwood inszeniert mit ruhiger Hand und seinem typischen Gespür für moralische Grauzonen. Statt klarer Schuld oder Unschuld geht es um Verantwortung, Gewissen und die Frage: Wann sagt man die Wahrheit, wenn sie einen selbst zerstören könnte?


 

Juror #2 ist ein nachdenklicher Film über Schuld, Moral und Zivilcourage – kein Thriller im klassischen Sinne, sondern ein leises Drama mit Gewicht. Eastwood bleibt seinem Stil treu – zurückhaltend, aber wirkungsvoll.

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Samstag, 19. Juli 2025

„The Last Showgirl" – Wenn der Applaus verklingt

Pamela Anderson überrascht – und überzeugt. In "The Last Showgirl", Regie Gia Coppolaspielt sie Shelly, eine gealterte Tänzerin aus Las Vegas, die nach Jahrzehnten auf der Bühne ihren Platz im Leben neu finden muss. Der Film folgt ihr durch eine stille Krise, die mehr mit Identität als mit Glamour zu tun hat – und ist dabei leiser, ehrlicher und viel tiefgründiger als man zunächst erwarten würde.

Anderson verleiht Shelly eine Mischung aus Verletzlichkeit und Trotz, die berührt. Es ist kein lauter Film, kein klassisches Comeback-Spektakel. Vielmehr geht es um das langsame Verblassen eines Lebensstils – und die Frage, was bleibt, wenn der Applaus verstummt. Anderson spielt das zurückhaltend und mit einem Mut zur Selbstoffenbarung, der überrascht.


 

Auch die Nebenrollen sind klug besetzt. Besonders Jamie Lee Curtis bringt mit einer ikonischen Szene Schwung in den Film – und sorgt für einen der wenigen echten „Wow“-Momente.

Trotz starker Darstellerinnen bleibt der Film erzählerisch nicht durchgehend rund. Einige Themen – etwa familiäre Konflikte oder Shellys innerer Wandel – werden angedeutet, aber nicht konsequent weitergeführt. Das sorgt für emotionale Lücken, gerade im letzten Drittel.

Was "The Last Showgirl" jedoch stark macht, ist seine Atmosphäre: Die Bilder, oft auf rauem 16 mm-Film gedreht, verleihen dem Ganzen eine fast nostalgische Intimität. Die Kamera bleibt nahe an Shellys Gesicht, und manchmal erzählt ein Blick mehr als jede Zeile im Drehbuch.

Es ist kein perfekter Film – aber ein mutiger. Einer, der sich traut, still zu sein, wo andere laut wären. Der sich auf eine Figur konzentriert, die sonst gerne übersehen wird. Und der eine Schauspielerin zeigt, die sich selbst neu erfindet – ganz ohne Glamour, aber mit echtem Herz. 

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Poker Face“ Staffel 2: Viel Routine, wenig Raffinesse

 

Nach dem Überraschungserfolg der ersten Staffel von "Poker Face" waren die Erwartungen an die Fortsetzung groß. Doch Staffel 2 kann das Niveau des Vorgängers leider nicht halten. Was einst als originelle Mischung aus klassischem „Whodunit“ und moderner Road-Mystery-Serie überzeugte, wirkt nun oft wie eine blasse Kopie seiner selbst.

Im Zentrum steht natürlich wieder Natasha Lyonne als Charlie Cale – mit ihrer charmant-rotzigen Art und der Fähigkeit, jede Lüge zu durchschauen. Doch was in Staffel 1 frisch, spannend und clever konstruiert war, wirkt in der zweiten Runde zunehmend formelhaft. Viele Episoden plätschern vor sich hin, der Überraschungseffekt fehlt, und echte emotionale Tiefe sucht man diesmal vergeblich.



Auch die neuen Nebenfiguren, sonst ein großes Plus der Serie, bleiben in Staffel 2 auffallend blass. Die Drehbücher sind weniger pointiert, die Fälle vorhersehbarer, und der Reiz des ständigen Unterwegsseins nutzt sich ab. Statt weiterzuentwickeln, wiederholt die Serie ihr Erfolgsrezept – nur ohne die gleiche Würze.

Natürlich ist "Poker" Face nach wie vor gut produziert, mit liebevollen Retro-Details und solidem Handwerk. Aber während Staffel 1 fast jede Folge wie ein kleines, raffiniertes Krimi-Juwel wirkte, bleibt in Staffel 2 vieles im Mittelmaß stecken.

Schade – denn das Potenzial wäre da. Vielleicht braucht es für Staffel 3 (so sie kommt) wieder mehr Mut zum Risiko, weniger Routine – und vor allem: bessere Geschichten.

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Andrea Arnolds "Bird": Zwischen Härte und Poesie

Mit "Bird" legt Andrea Arnold einmal mehr einen Film vor, der mitten ins Herz trifft – und ordentlich daran rüttelt. Wer ihre Werke wie "Fish Tank" oder "American Honey" kennt, weiß, dass sie sich nicht für die bequemen Seiten des Lebens interessiert. Auch diesmal blickt sie dorthin, wo Kino sonst oft wegsieht: an die Ränder der Gesellschaft, mitten hinein in Lebensrealitäten, die hart, ungeschönt und zugleich voller leiser Poesie sind.

Ein Kind, das zu früh erwachsen sein muss

Im Zentrum der Geschichte steht Bailey (beeindruckend: Newcomerin Nykyia Adams), zwölf Jahre alt, aufgewachsen in einem tristen Londoner Vorort. Ihre Kindheit ist von Armut, Vernachlässigung und einer bedrückenden Trostlosigkeit geprägt. Ihr Vater Bug – gespielt von Barry Keoghan, der auch hier wieder zeigt, dass er komplexe Charaktere wie kaum ein anderer verkörpern kann – ist überfordert, emotional abwesend und mehr mit seiner neuen Freundin beschäftigt als mit seinen Kindern. Bailey wird zur Ersatzmutter, noch bevor sie selbst weiß, wer sie eigentlich ist.


 

Arnold zeigt diese Welt ohne Filter, aber auch ohne Voyeurismus. Die Kamera ist dicht an den Figuren, oft dokumentarisch, und fängt die Details des Alltags mit einer unglaublichen Unmittelbarkeit ein: Sommertage am Strand, überfüllte Zimmer, Partys – man glaubt, das alles förmlich spüren zu können. Doch inmitten dieser Härte blitzen immer wieder zarte, fast magische Momente auf.

Zwischen Sozialrealismus und magischem Realismus

In dieses soziale Brennglas platzt plötzlich Bird (Franz Rogowski), ein mysteriöser Außenseiter, der auf einem verlassenen Grundstück sein Lager aufgeschlagen hat. Mit seiner rätselhaften Art, seinem langen Rock und der scheinbaren Verbundenheit zur Natur wirkt er wie aus einer anderen Welt. Er spricht in Bildern, bewegt sich durch die Geschichte wie ein Geist – und wird für Bailey zu einer Art unerwartetem Vertrauten.

Mit Birds Auftauchen verschiebt sich der Ton des Films. "Bird" bleibt zwar Sozialdrama, öffnet sich aber auch in Richtung eines leisen magischen Realismus. Kein Effektgewitter, kein Eskapismus – sondern kleine, fast schwebende Momente, die Baileys innere Sehnsucht nach Freiheit, Geborgenheit und einem besseren Leben widerspiegeln."

"Bird" ist kein Film für zwischendurch. Er verlangt Aufmerksamkeit – und belohnt dafür mit einem tief berührenden Blick auf das, was oft übersehen wird: die Widerstandskraft von Menschen, die Hoffnung auf ein besseres Morgen. Andrea Arnold bleibt sich treu – radikal in der Ehrlichkeit, aber auch sensibel im Blick.

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Samstag, 28. Juni 2025

Viel Lärm um weißen Rauch: Warum „Konklave“ enttäuscht

 

"Konklave“ von Edward Berger („Im Westen nichts Neues“ ) verspricht ein intensives politisches Kammerspiel: Der Papst ist tot, die Kardinäle versammeln sich zur geheimen Wahl seines Nachfolgers im Vatikan. Mittendrin: Kardinal Lomeli (Ralph Fiennes), ein Mann des Gewissens, der zwischen Machtspielen, Intrigen und spirituellem Zweifel vermitteln soll. Klingt nach einem spannenden moralischen Drama – ist es aber nur auf dem Papier.


 

Die Handlung verläuft weitgehend vorhersehbar. Die verschiedenen Kardinäle wirken wie Schachfiguren, die in bekannten Mustern agieren: Der erzkonservative Traditionalist, der machtbewusste Außenseiter, der scheinbar heilige Außenseiterkandidat – alle bewegen sich in erwartbaren Bahnen. Die Enthüllungen über dunkle Geheimnisse vergangener Jahre wirken konstruiert und kommen nie mit echtem emotionalem Gewicht. 

Ralph Fiennes bemüht sich um Tiefe, doch sein Kardinal Lomeli bleibt letztlich eine Projektionsfläche moralischer Dilemmata, ohne dass man ihn als Mensch greifen kann. Die Nebenfiguren – allesamt Kardinäle – wirken entweder wie Karikaturen oder Statisten. Besonders die konservativen Figuren verkommen zu einseitigen Bösewichten, ohne Differenzierung oder echtes Profil. Diese mangelnde Charaktertiefe wäre weniger problematisch, wenn der Film wenigstens Spannung durch cleveres Storytelling aufbauen würde – doch dazu kommt es nicht. Viele Dialoge klingen wie aus einem klischeehaften Fernsehfilm: bedeutungsschwer, aber leer. Das steht der Film dem Buch von Robert Harris in nichts nach. 

Visuell ist der Film durchaus eindrucksvoll: Die düsteren Flure des Vatikans, die opulenten Hallen, der Regen über Rom, die roten Roben der Kardinäle– all das ist stimmig eingefangen. Doch leider versucht der Film zu oft, durch Kameraarbeit und Musik Tiefe vorzutäuschen, wo das Drehbuch sie schuldig bleibt. Die Regie setzt auf ein ruhiges Tempo, das in der ersten Hälfte durchaus funktioniert. Doch spätestens im letzten Drittel kippt es ins Zähe. Gespräche wiederholen sich, Entwicklungen stehen auf der Stelle, und das große Finale kommt dann zu plötzlich – wie eine schlecht vorbereitete Opernszene. 

Der Film möchte viel: Er will die katholische Kirche als moralisch fragwürdige Institution zeigen, ihr eins auswischen, zugleich aber spirituelle Tiefe und Hoffnung vermitteln. Er will Fragen von Geschlecht, Macht, Schuld und Vergebung anreißen. Doch all das bleibt Stückwerk. Die finale Enthüllung über den neuen Papst (intersexuell geboren, als Symbol für eine neue, „offene“ Kirche) ist zwar mutig gemeint, wirkt jedoch wie ein kalkulierter Skandal – zumal diese Wendung keinerlei inhaltliche Vorbereitung oder echte psychologische Tiefe besitzt.

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Freitag, 13. Juni 2025

Kompromisslos, idealistisch, manchmal größenwahnsinnig: Brady Corbets „The Brutalist"

 

Brady Corbets „The Brutalist“ ist ein Film wie ein Bauwerk: kantig, monumental, kühl – und dabei voller menschlicher Tragik. In über 3,5 Stunden entfaltet sich eine epische Geschichte, die nicht nur das Leben eines Architekten nachzeichnet, sondern auch die Widersprüche einer ganzen Ära sichtbar macht.

Im Zentrum steht László Tóth, ein ungarischer Architekt jüdischer Herkunft, gespielt von einem außergewöhnlichen Adrien Brody. Tóth flieht mit seiner Frau Erzsébet (Felicity Jones) nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA – in der Hoffnung auf Freiheit, Anerkennung und die Verwirklichung seiner architektonischen Visionen. Doch der amerikanische Traum entpuppt sich bald als moralisch brüchige Konstruktion. Was als Hoffnung beginnt, wird zur schleichenden Dekonstruktion seiner Ideale.

Schon der Titel ist vielschichtig: Der Brutalismus ist ein Architekturstil, der für rohe Betonoberflächen, klare Linien und Funktionalität steht – oft verkannt, oft missverstanden. Genau das trifft auch auf Tóths Persönlichkeit und seine Lebensreise zu. Er ist kompromisslos, idealistisch, manchmal größenwahnsinnig – und das macht ihn nicht nur zur faszinierenden Figur, sondern auch zur tragischen.

Auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt: Guy Pearce als zwielichtiger Mäzen Van Buren Sr. verkörpert die moralische Ambivalenz der Mächtigen mit subtiler Finesse, während Felicity Jones als Erzsébet mit stiller Stärke gegen das Zerbröckeln ihrer Familie ankämpft. 


 

Corbet inszeniert diese metaphorische Verbindung meisterhaft. Seine Kamera zeigt Bauten wie Charaktere – mal erdrückend, mal erhaben. Gedreht wurde auf analogem Film im seltenen VistaVision-Format. Bei diesem in den 1950er Jahren entwickelten Verfahren wird der Filmstreifen horizontal belichtet, aber vertikal abgespielt. Die Farben sind entsättigt. Das verleiht dem Werk eine ästhetische Strenge, fast museale Würde.

Dabei verzichtet  er weitgehend auf klassische Spannungsbögen. Stattdessen lässt er die Zeit selbst wirken – wie sie Menschen verändert, Ehen zerstört. Das fordert Geduld und Konzentration, belohnt aber mit einer emotionalen Tiefe, wie sie im heutigen Kino selten geworden ist.

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Samstag, 7. Juni 2025

„MobLand“: Machtspiele und Verrat in Londons düsterer Unterwelt

 

Willkommen in Londons düsterer Unterwelt: In „MobLand“ dreht sich alles um Harry Da Souza (Tom Hardy), einen sogenannten Fixer, der im Schatten zweier verfeindeter Mafiafamilien operiert. Als der brüchige Waffenstillstand zwischen den Clans droht zu eskalieren, gerät Harry zwischen die Fronten – und wird zum Spielball einer brutalen Machtverschiebung.

Wer denkt, das klingt nach klassischem Gangsterstoff, liegt goldrichtig. Doch „MobLand“ versucht, aus der altbekannten Story mehr herauszuholen – mit Stil, starken Schauspielern und einer ordentlichen Portion Atmosphäre.

 


Optisch ist die Serie ein echtes Brett. Produzent Guy Ritchie bringt seine typische Handschrift ein: schnelle Schnitte, trockener Humor, scharfe Dialoge – das Ganze verpackt in ein dreckig-schönes London voller Nebel, Beton und Blut.

Helen Mirrens Rolle als manipulierende Matriarchin erinnert an Lady Macbeth aus „Macbeth“ – eine Frau, die ihren Mann (Pierce Brosnan als Conrad Harrigan) zum Handeln anstiftet und durch ihre Machenschaften die ganze Familie ins Verderben stürzt 

Insgesamt ist „MobLand“ eine moderne Hommage an Shakespeares tiefgründige Erkundung von Macht, Verrat und menschlicher Schwäche – nur eben mit schnellerem Tempo.

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Mittwoch, 4. Juni 2025

Viel Drama, wenig Überraschung: Jessica Biel in „Die perfekte Schwester"

 

Mit der neuen Thriller-Serie „Die perfekte Schwester“ bringt Amazon Prime eine Geschichte auf den Bildschirm, die vertraut wirkt – und gerade deshalb polarisiert. Jessica Biel und Elizabeth Banks stehen im Zentrum eines Familienkrimis, der psychologisch dichte Momente bietet, insgesamt aber auf bewährte Genreformeln setzt.

Chloe lebt das perfekte Vorstadtleben – erfolgreicher Job, liebevoller Ehemann, ein Teenager-Sohn. Doch als ihr Mann Adam brutal ermordet wird, gerät alles ins Wanken. Plötzlich steht ihre jüngere Schwester Nicky wieder vor der Tür, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt hatte. Während die Polizei ermittelt, tauchen dunkle Geheimnisse auf – aus der Ehe, der Kindheit, dem ganzen Konstrukt Familie. Und bald ist klar: Jeder hat etwas zu verbergen.


 

Die Serie punktet mit ihrer hochkarätigen Besetzung: Jessica Biel überzeugt als kühle, kontrollierte Chloe, während Elizabeth Banks als impulsive Nicky eine emotionale Tiefe mitbringt, die der Geschichte Energie verleiht. Auch die visuelle Umsetzung – düster, elegant, stimmungsvoll – trägt zur intensiven Atmosphäre bei. Die einzelnen Folgen lassen sich gut durchbingen, da immer wieder neue Hinweise und Konflikte eingestreut werden.

Trotz des spannenden Setups bleibt „Die perfekte Schwester“ weitgehend vorhersehbar. Die Enthüllungen sind solide inszeniert, folgen aber bekannten Mustern. Wer Serien wie "Big Little Lies" oder "The Undoingkennt, wird viele Elemente wiedererkennen. Auch die Nebenfiguren bleiben meist flach, und das Tempo schwankt – einige Szenen ziehen sich, andere überspringen wichtige Entwicklungen.

„Die perfekte Schwester“ ist zwar ein stilvoll inszeniertes Drama über Schuld, Verrat und familiäre Verletzungen, aber überrascht kaum. Wer aber Lust auf psychologischen Thrill ohne große Experimente hat, wird hier solide unterhalten.

Freitag, 30. Mai 2025

White Lotus (3) - Schönheit, Schein und spirituelle Leere

 

Mit der dritten Staffel von "The White Lotus" geht Mike White erneut auf Tauchgang in die Abgründe der Wohlstandsgesellschaft – diesmal vor der atemberaubenden Kulisse Thailands. Doch während die tropische Atmosphäre erneut beeindruckt, bleibt ein schaler Beigeschmack: Der bissige Witz und die erzählerische Schärfe früherer Staffeln scheint langsam zu verblassen.

Thailand als Postkartenkulisse – aber auch als Spiegel

Wer "The White Lotus kennt", weiß: Der Urlaub ist hier selten Erholung. Diesmal führt uns die Serie nach Südostasien, genauer gesagt nach Thailand – mit Stopps in Bangkok, Phuket und Ko Samui. Alles wirkt wieder makellos inszeniert: üppige Vegetation, Tempelanlagen, leuchtende Sonnenuntergänge über türkisblauen Buchten. Doch unter der schillernden Oberfläche brodelt es – wie immer.


 

Die Serie lebt auch in Staffel 3 von Kontrasten: westliche Selbstfindungsversuche treffen auf östliche Spiritualität, Luxus auf Leere, schöne Kulisse auf hässliche Wahrheiten.

Neue Gesichter, alte Muster

Das Ensemble ist wie immer hochkarätig: Carrie Coon, Walton Goggins, Jason Isaacs und Newcomerin Aimee Lou Wood bringen Leben (und Abgründe) in die luxuriöse Hotelanlage. Besonders Wood überzeugt als Chelsea mit einer leisen, tiefgründigen Performance, die im Gedächtnis bleibt.


 

Weniger überzeugend ist dagegen die Besetzung von Resort-Manager Fabian (gespielt von Christian Friedel) und Popstar Lisa (Lalisa Manobal). Ihre Rollen bleiben blass, wirken wie Karikaturen.

Ein bisschen zu viel Zen

Thematisch bleibt die dritte Staffel bei seinen Kernfragen: Wer bin ich, wenn mir alles offensteht? Was bleibt übrig, wenn Geld keine Rolle spielt – oder genau deswegen jede spielt? Diesmal wird das Ganze in ein spirituelles Gewand gehüllt – mit Meditation, Guru-Sessions und Yoga am Infinity-Pool. 

Einige Twists, wie die späte Vaterschafts-Enthüllung eines Gastes, wirken bemüht und vorhersehbar. Die Serie traut sich nicht mehr ganz so viel, sondern schleicht eher gemächlich zum Höhepunkt – der allerdings wie ein Paukenschlag daherkommt. Sehenswert ist die Serie allemal.

„Paddington in Peru“ – das gewisse Etwas fehlt

 

Mit „Paddington in Peru“ geht die beliebte Reihe rund um den marmeladenliebenden Bären in die dritte Runde – diesmal mit einem ganz neuen Regisseur am Steuer: Dougal Wilson gibt hier sein Langfilmdebüt. Nach den überaus charmanten Vorgängern waren die Erwartungen hoch. Der neue Film bietet zwar viele liebevolle Details, sympathische Figuren und ein exotisches Setting – doch das gewisse Etwas fehlt leider.

Die Geschichte führt Paddington und die Browns in den peruanischen Dschungel, auf der Suche nach Tante Lucy, die spurlos aus einem Heim für pensionierte Bären verschwunden ist. Klingt nach einem spannenden Abenteuer – und tatsächlich begegnen sie unterwegs allerlei skurrilen Gestalten, von einer singenden Nonne (Olivia Colman) bis hin zu einem etwas zwielichtigen Bootsführer (Antonio Banderas).


 

Diese Begegnungen sind bunt, schrullig und bringen die nötige Portion Humor mit sich, die man von einem Paddington-Film erwartet. Aber anders als in den Vorgängern wirken manche dieser Momente ein wenig bemüht – fast so, als wolle man den bekannten Paddington-Zauber mit aller Kraft konservieren.

Optisch macht „Paddington in Peru“ einiges her. Die Landschaftsaufnahmen sind wunderschön, die Animation des Bären erneut hervorragend in die reale Welt eingebettet. Doch was nützt das schönste Bild, wenn die Geschichte nicht ganz mitzieht? Während Paddington weiterhin charmant-tollpatschig agiert, geraten die Browns überraschend ins Hintertreffen. Figuren, die früher ein Herzstück der Filme waren, wirken diesmal eher wie Beiwerk.

Was gut funktioniert: Olivia Colman bringt mit ihrer überdrehten Nonne eine frische, wenn auch leicht überzeichnete Note ins Spiel. 

Was weniger überzeugt: Die Handlung ist stellenweise vorhersehbar, die emotionale Tiefe bleibt oberflächlich, und die musikalischen Einlagen – ja, es gibt Gesang – wirken nicht immer harmonisch integriert. 

"Paddington in Peru“ ist ein liebevoll gemachter Familienfilm mit Herz, Humor und einer tollen Hauptfigur. Aber er erreicht nicht ganz die emotionale Wärme und kreative Originalität, die "Paddington 1 und 2" so besonders gemacht haben. 

Samstag, 24. Mai 2025

"Sirens": Sirenengesang mit Julianne Moore

Manchmal braucht es nur ein langes Wochenende, um die bröckelnden Fassaden einer perfekten Welt zu entlarven – genau das tut die neue Netflix-Miniserie "Sirens", und zwar mit scharfem Blick, bitterem Witz und starker Besetzung.

Die Geschichte spielt an einem sonnigen Strandanwesen der superreichen Familie Kell – ein Ort, der gleichzeitig paradiesisch und unheimlich wirkt. Im Zentrum stehen zwei Schwestern: Devon (gespielt von Meghann Fahy), frisch aus dem Gefängnis entlassen, und Simone (Milly Alcock), die sich als persönliche Assistentin der mysteriösen Milliardärin Michaela Kell (Julianne Moore) in einer glitzernden, aber seltsam kontrollierten Welt verloren hat. Devon kommt mit einem klaren Ziel: ihre Schwester zurückholen. Doch je tiefer sie in die Dynamik dieses luxuriösen Mikrokosmos eindringt, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Rettung und Unterwerfung.


 

Was "Sirens" besonders macht, ist nicht nur das starke Schauspiel – besonders Julianne Moore ist als charismatische und manipulative Michaela absolut fesselnd – sondern die dichte Atmosphäre und die Themen, die sich leise, aber unerbittlich entfalten: Macht, Abhängigkeit, weibliche Selbstbestimmung und die Frage, wie leicht sich Identitäten in einer Welt verlieren lassen, in der alles käuflich wirkt.

Und dann gibt’s da noch Kevin Bacon, der als der undurchsichtige Ehemann von Michaela, Rick Kell, auftritt. Bacon spielt den Part mit einer unterschwelligen Bedrohung, die einem das Gefühl gibt, dass er jederzeit aus dem Schatten treten könnte, um die Geschichte auf eine völlig neue Ebene zu katapultieren.Was in der letzten Folge auch passiert.

Der Titel „Sirens“ ist übrigens kein Zufall: Wie die mythischen Sirenen der Antike lockt auch diese Welt mit Schönheit und Luxus – nur um ihre Figuren emotional an Felsen zerschellen zu lassen. 

Alle fünf Episoden von „Sirens“ sind jetzt auf Netflix verfügbar.

Montag, 12. Mai 2025

Ein-Mann-Armee: Tom Hardy zerlegt die Unterwelt in "Havoc"

Mit "Havoc" liefert Regisseur Gareth Evans ("The Raid") einen gnadenlosen Actionthriller ab, der vor allem eines will: durch rohe Gewalt und ungeschönte Härte beeindrucken. Der Netflix-Film versetzt uns in eine namenlose, düstere Stadt, in der Korruption, Drogen und Gewalt den Alltag bestimmen – ein urbaner Alptraum, durch den sich Tom Hardy als gebrochener Einzelkämpfer schleppt.

Handlung als Aufhänger – nicht als Fokus

Die Geschichte selbst ist schnell erzählt: Nach einem aus dem Ruder gelaufenen Drogendeal kämpft sich der Polizist Walker (Hardy) durch die kriminelle Unterwelt, um den Sohn eines Politikers zu retten. Doch wer bei dieser Prämisse auf vielschichtige Erzählkunst hofft, wird enttäuscht. Die Handlung ist klar zweitrangig – sie dient vor allem als Bühne für eine Tour de Force aus Faustkämpfen, Verfolgungsjagden und Schusswechseln.



Was "Havoc" an Tiefe fehlt, macht er in der Action wieder wett. Die Kampfszenen sind brutal, intensiv und oft schmerzhaft realistisch. Gareth Evans bleibt seiner Handschrift treu: Die Kämpfe sind handgemacht, ungeschönt und mitreißend choreografiert – ein Fest für Genre-Fans. Tom Hardy geht körperlich wie emotional an seine Grenzen und überzeugt als wortkarger, kaputter Cop, der sich nur noch mit Wut und Willenskraft auf den Beinen hält.

Düster, aber nicht besonders neu

Visuell ist der Film konsequent in seinem Ton: alles ist grau, dreckig und bedrückend. Die Kameraarbeit unterstreicht das Gefühl einer Stadt im moralischen Verfall. Doch trotz dieser gelungenen Atmosphäre hat der Streifen mit einem Problem zu kämpfen: Das alles kennt man irgendwie schon. Die Geschichte vom Einzelgänger, der sich durch Korruption und Chaos kämpft, wirkt in ihrer Erzählweise erstaunlich konventionell.

"Havoc" ist zwar ein kompromissloser Actionfilm, der seine Stärken klar im physischen Spiel von Tom Hardy und in den brutal-ehrlichen Kampfszenen hat. Als emotionaler oder erzählerischer Thriller bleibt er aber hinter den Erwartungen zurück. Wer knallharte Action ohne viel Drumherum sucht, kommt auf seine Kosten – alle anderen werden sich an der fehlenden Tiefe und Originalität stören.

"Your Friends & Neighbors" – Jon Hamm brilliert als Gentleman-Gauner

 

Mit "Your Friends & Neighbors" präsentiert Apple TV+ eine ebenso bissige wie unterhaltsame Dramedy, die reichlich Gesprächsstoff liefert. Im Mittelpunkt der Serie steht Coop (Jon Hamm), ein gefallener Hedgefonds-Manager, der nach dem Verlust seines Jobs und seiner Ehe seinen dekadenten Lebensstil aufrechtzuerhalten versucht – indem er beginnt, seine reichen Nachbarn systematisch zu bestehlen. Was auf dem Papier wie ein klassischer Heist-Plot klingt, entpuppt sich als pointierte Gesellschaftssatire über Status, Moral und den brüchigen Glanz der Wohlstandselite.

Jon Hamm liefert hier seine vielleicht stärkste Performance seit "Mad Men". Als charismatischer, aber zutiefst widersprüchlicher Coop schwankt er zwischen Selbstmitleid, Überheblichkeit und echter Verzweiflung. Hamm gelingt es, diesen moralisch fragwürdigen Charakter so nuanciert darzustellen, dass man als Zuschauer nie ganz sicher ist, ob man ihn verachten oder bewundern soll.


 

Die Serie lebt von ihren scharf geschriebenen Dialogen, einem doppelbödigen Humor und einem Ensemble, das bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt ist. Olivia Munn überzeugt als Coops Geliebte Sam mit einer kühlen Eleganz, während Lena Hall als dessen Schwester Ali emotionale Tiefe beisteuert. Besonders gelungen ist der Kontrast zwischen der polierten Oberfläche des Vorstadtlebens und den dunklen, oft absurden Geheimnissen, die sich dahinter verbergen.

Nicht jede Episode ist gleich stark – einige Handlungsstränge verheddern sich in Nebenkriegsschauplätzen. Doch insgesamt gelingt der Serie eine überzeugende Balance zwischen Drama und Komik, Kritik und Unterhaltung.

Montag, 21. April 2025

"The Order": Jude Law jagt Neo-Nazis in Amerika

 

Hammerstoff: Mit "The Order" liefert Regisseur Justin Kurzel einen beklemmenden Thriller, der sich mit einem düsteren Kapitel der US-Geschichte beschäftigt. Basierend auf realen Ereignissen erzählt der Film vom Aufstieg einer rechtsextremen Terrorzelle in den 1980er Jahren – eine Thematik, die auch heute noch erschreckend aktuell ist.

 




Im Zentrum steht FBI-Agent Terry Husk, gespielt von Jude Law, der in der Abgeschiedenheit Idahos eine Reihe brutaler Verbrechen untersucht. Schnell wird klar: Hinter den Taten steckt keine gewöhnliche Bande, sondern eine radikalisierte Gruppe unter der Führung des fanatischen Robert Jay Mathews (Nicholas Hoult), die sich „The Order“ nennt. Ihr Ziel: den gewaltsamen Umsturz der US-Regierung.

Jude Law verkörpert den innerlich zerrissenen Ermittler. Zwischen Pflichtgefühl, Wut und Resignation verleiht er seiner Figur Tiefe. Nicholas Hoult überrascht mit einer unheimlich kühlen Darstellung des charismatischen Anführers – fernab seiner sonst eher charmanten Rollen.

Inszenatorisch überzeugt der Film durch seine düstere Bildsprache, kalte Farben und die trostlose Landschaft – perfekt eingefangen von Kameramann Larkin Seiple.Trotz der dichten Atmosphäre bleibt die Inszenierung stellenweise konventionell. Die Erzählung folgt bekannten Mustern des Cop-vs.-Extremisten-Thrillers – mit FBI, Undercover-Ermittlungen und eskalierenden Gewaltakten.  

Inszeniert als Katz-und-Maus-Spiel auf den Spuren von Michael Manns ‚Heat‘, auch was die intensiven Schießszenen betrifft, ist "The Order" dennoch ein spannender und bedrückender Film der alten Schule, der wichtige Fragen über Radikalisierung, Gewalt und staatliche Ohnmacht aufwirft. 

"The Order" läuft auf Amazon Prime Video

Dienstag, 15. April 2025

„Joker: Folie à Deux" - So schön kann Wahnsinn sein

 

Keine Frage: "Joker" war krass. Mit „Folie à Deux“ hat Regisseur Todd Phillips etwas gemacht, das man Hollywood kaum noch zutraut: Er geht volles Risiko. Statt auf Nummer sicher zu gehen und die düstere Formel des ersten „Joker“-Films zu wiederholen, liefert er eine radikal andere, mutigere Vision. Das Ergebnis ist ein hypnotisierendes, musikalisches Psychodrama. Sicher, nicht etwas für jeden Geschmack. Das ist kein Mainstream-Kino – und will es auch gar nicht sein. Stattdessen ist es ein intensiver, verstörender und zutiefst künstlerischer Film.

 


Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) lebt nach den Ereignissen des ersten Films in der geschlossenen Psychiatrie Arkham Asylum – verwahrlost, zerbrochen, aber nicht gebrochen. Dort begegnet er Dr. Harleen Quinzel (Lady Gaga), die als Psychiaterin mit ihm arbeitet. Doch was als Behandlung beginnt, wird zur zerstörerischen Romanze zweier verlorener Seelen. Gemeinsam rutschen sie in eine „Folie à Deux“, eine psychische Symbiose, in der Wahnsinn, Liebe und künstlerischer Ausdruck miteinander verschmelzen.

Was diesen Film so besonders macht: Er erzählt keine lineare Geschichte, sondern spiegelt den Geisteszustand seiner Figuren in Musik, Tanz und surrealer Ästhetik. Realität und Fantasie verschwimmen in einem einzigartigen filmischen Tanz – düster, bizarr und wunderschön. 

„Folie à Deux“ läuft auf Sky Cinema Premiere und auf Abruf



Samstag, 12. April 2025

"The Studio" nimmt Hollywood aufs Korn

 

Mit "The Studio" ist Apple TV+ ein satirisches Highlight gelungen, das nicht nur für Fans von Seth Rogen ein Volltreffer sein dürfte. Die Serie, die von Rogen gemeinsam mit Evan Goldberg entwickelt wurde, nimmt die Hollywood-Maschinerie herrlich bissig aufs Korn und kombiniert klugen Humor mit pointierten Beobachtungen über die Eitelkeiten und Absurditäten der Filmindustrie.

Im Zentrum steht Rogen selbst als Matt Remick, der frisch ernannte Chef eines traditionsreichen, aber zunehmend dysfunktionalen Filmstudios. In dieser Rolle zeigt er sich gewohnt charmant und selbstironisch – ein Stil, der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Serie zieht. Die Mischung aus satirischer Überzeichnung und verblüffend realitätsnahen Spitzen macht The Studio zu einer Serie, die irgendwo zwischen "Veep", "The Office" und "Entourage" balanciert, ohne in die reine Parodie abzudriften.


 

Besonders hervorzuheben ist die hochkarätige Besetzung. Catherine O'Hara und Kathryn Hahn liefern eine Glanzleistung ab, ebenso Bryan Cranston, der sich in bester „selbstironischer Promi“-Manier ins Geschehen einfügt. Die prominenten Gastauftritte – darunter Anthony Mackie, Paul Dano und sogar Martin Scorsese – sind nicht nur amüsante Überraschungen, sondern clever eingesetzt und sorgen für einige der besten Momente der Staffel.

In einer der besten Folgen, es ist die zweite, besucht Matt das Filmset der Oscar-Preisträgerin Sarah Polley, die gerade versucht, eine finale Szene in einer einzigen Kameraeinstellung mit ihrer Hauptdarstellerin Greta Lee zu drehen. Was folgt, ist Matts unbeholfenes Herumstolpern, bei dem er jede Aufnahme stört  - bis nichts mehr zu retten ist, weil es mit dem Tageslicht nicht mehr hinhaut.

Der Humor ist mal subtil, mal derb, trifft aber meistens ins Schwarze. Die Serie spielt virtuos mit Metaebenen und Klischees, schafft es aber auch, echte Themen wie Machtmissbrauch, Diversity-Diskussionen oder die Absurdität des modernen Star-Kults anzuschneiden – ohne belehrend zu wirken. 


 

Montag, 31. März 2025

"Holland": Wenn die Fassade bröckelt

 

Tulpen, Windmühlen und Klompen? Warum nicht? "Holland" spielt im Jahr 2000 in der Stadt Holland, Michigan, die für ihren starken niederländischen Einfluss bekannt ist. Die Protagonistin ist Nancy Vandergroot (Nicole Kidman), eine Lehrerin, die mit dem Optiker Fred Vandergroot (Matthew Macfadyen) verheiratet ist. Sie haben einen Sohn namens Harry.

Die Geschichte beginnt damit, dass Nancy ein Kindermädchen namens Candy verhört, da sie vermutet, dass diese einen Ohrring gestohlen hat. Dieser Vorfall wirft einen Schatten auf Nancys ohnehin schon vorhandenes Misstrauen. Als Fred dann zu einer weiteren Geschäftsreise aufbricht, wird Nancy stutzig. Sie findet ein zerknittertes Flugticket aus Madison, Wisconsin, obwohl Fred angeblich in einer anderen Stadt in Michigan sein sollte.


 

Überzeugt, dass Fred eine Affäre hat, beschließt Nancy, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei sucht sie die Hilfe ihres Kollegen Dave Delgado einem attraktiven neuen Lehrer an ihrer Schule. Zwischen Nancy und Dave entwickelt sich eine Anziehung, und während sie gemeinsam Freds Aktivitäten untersuchen, kommen sie sich näher. Der Film spielt mit der ironischen Situation, dass die beiden, die Untreue aufdecken wollen, selbst in Versuchung geraten.

Im Laufe ihrer Nachforschungen entdeckt Nancy immer mehr Ungereimtheiten und Geheimnisse um ihren Mann. Fred scheint ein Doppelleben zu führen, und die scheinbar perfekte Fassade ihrer Ehe und ihres Familienlebens beginnt zu bröckeln. Fred verbringt viel Zeit mit seiner Modelleisenbahn im Keller, die eine Miniaturversion von Holland darstellt – ein weiteres Symbol für die Künstlichkeit und die verborgenen Seiten der Stadt und ihrer Bewohner.

Der Film deutet an, dass hinter der malerischen Oberfläche von Holland, mit seinen Windmühlen und Tulpenfesten, dunklere Geheimnisse verborgen liegen. Nancy, die selbst mit ihrer Rolle als perfekte Ehefrau und Mutter ringt und sich nach etwas mehr Aufregung sehnt, wird immer tiefer in ein Netz aus Lügen und Täuschungen hineingezogen.

Die Coen-Brüder hätten es wahrscheinlich besser gemacht. Regisseurin Mimi Cave erreicht mit "Holland" zwar gegen Ende einige verstörende Momente, erklärt aber nie, warum die Figuren so handeln wie sie handeln.

"Holland" läuft auf Prime

Montag, 24. März 2025

"Severance" - Work-Life-Balance ad absurdum

 


"Severance", eine Mischung aus "Nummer 6", "Akte X", "Twin Peaks" und "Lost", wirft einen verstörenden Blick auf die Work-Life-Balance und die möglichen Folgen einer Technologie, die Arbeit und Privatleben vollständig trennt. Die Serie spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die Firma Lumon Industries ein Verfahren namens "Severance" anbietet. Dabei wird das Gehirn der Mitarbeiter so verändert, dass sie sich während der Arbeit nicht an ihr Privatleben erinnern können und umgekehrt. Die "Innies" (die Arbeits-Persönlichkeiten) und die "Outies" (die Privat-Persönlichkeiten) leben getrennte Leben und sind sich ihrer Existenz im jeweils anderen Bereich nicht bewusst.

Hochkarätiger Cast

Die Handlung folgt Mark Scout (Adam Scott), einem Mitarbeiter von Lumon, dessen "Innie" beginnt, die Realität seiner Existenz in Frage zu stellen. Zusammen mit seinen Kollegen Irving (John Turturro), Dylan (Zach Cherry) und Helly (Britt Lower) deckt er nach und nach die dunklen Geheimnisse von Lumon auf. Zum hochkarätigen Cast gehören neben Scott auch Patricia Arquette, John Turturro, Christopher Walken, und Tramell Tillman. Regie führen neben Ben Stiller unter anderem Uta Briesewitz und Jessica Lee Gagné.

Noch verrückter

Zu welchem Zweck sie das überhaupt tun, wissen sie gar nicht. Wer danach fragt oder die Firma infrage stellt, wird hart bestraft. Ja, auch ein wenig Kafka ist in der Serie zu finden. Die Dinge werden in der zweiten Staffel noch verrückter, besonders in der vierten Episode, in der die Vier auf einen Betriebsausflug geschickt werden. Oder was hat es mit der Abteilung auf sich, die sich um die Aufzucht von Ziegen kümmert?

Viele Fragen bleiben offen

Einige Rätsel werden gelöst, aber viele Fragen bleiben unbeantwortet. Auf Apple TV+ lief am Freitag. 22. März, die letzte Folge der zweiten Staffel, die mit einem Cliffhanger endet, über den man streiten kann. Marks "Innie" bleibt in den Räumen von Lumon wegen seiner Liebe zu Helly. Ein erzählerischer Kniff, um eine dritte Staffel zu rechtfertigen. Die wurde auch schon angekündigt - Mark darf seinen Arbeitsplatz vorerst behalten.

m Ende des Severance Staffel 2-Finales entscheidet sich Marks Arbeitsplatzpersönlichkeit für sein Love Interest Helly R. und flieht mit ihr zurück in die Flure und Räume von Lumon. Zusammen das Gebäude verlassen funktioniert nicht, vor allem wegen Helly.
Marks Arbeitsplatzpersönlichkeit für sein Love Interest Helly R. und flieht mit ihr zurück in die Flure und Räume von Lumo


 

Sonntag, 16. März 2025

"Delicious“ - Hinter der Idylle lauert der Horror

"Delicious" (2025) ist ein packender, psychologischer Thriller, der mit einer subtilen Spannung und tiefgründigen Charakterstudien überzeugt. Die Geschichte dreht sich um eine deutsche Familie, die ihre Sommerferien in einer eleganten Villa an der französischen Riviera verbringt. Als ein Unfall passiert, nehmen die Familienmitglieder eine junge Frau namens Theodora  auf, die auf der Durchreise ist. Doch was als Akt der Hilfsbereitschaft beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Spiel von Manipulation und Misstrauen.

Die atemberaubende Kulisse Südfrankreichs und die luxuriöse Villa kontrastieren perfekt mit der wachsenden, fast greifbaren Spannung zwischen den Figuren. Die idyllische Umgebung wird schnell von der dunklen, bedrohlichen Stimmung überschattet, die sich mit jedem weiteren Ereignis aufbaut.

Die Familie, die zunächst als harmonisch und einladend erscheint, wird nach und nach durch den Einfluss der jungen Frau in Frage gestellt. Ihre scheinbar naive und hilfsbedürftige Art entpuppt sich als strategisches Spiel, das die Familienmitglieder dazu zwingt, sich mit ihren eigenen Geheimnissen und verborgenen Wünschen auseinanderzusetzen. 


 

Die Erzählweise lässt den Zuschauer immer wieder zwischen Misstrauen und Sympathie für die Figuren schwanken. Was zu Beginn wie ein klassischer Thriller aussieht, entwickelt sich bald zu einer tiefgründigen Untersuchung von Moral, Vertrauen und den Konsequenzen von scheinbar gut gemeinten Handlungen. Die Dynamik innerhalb der Familie und ihre Reaktionen auf die zunehmende Bedrohung sind realistisch und emotional intensiv.

Das vermutlich bekannteste Gesicht des Films ist Fahri Yardım. Bekannt wurde er durch das Comedy-Format"Jerks" an der Seite von Christian Ulmen, doch er spielte beispielsweise auch schon in dem einen oder anderen "Tatort" mit.In weiteren Rollen sind Valerie Pachner ("The King's Man: The Beginning"), Carla Díaz ("Élite"), Caspar Hoffmann ("Notruf Hafenkante") und Julien de Saint Jean ("Le Paradis") zu sehen. 

Für das Drehbuch und die Regie zeichnet die Schauspielerin Nele Mueller-Stöfen verantwortlich, die mit einem großartigen Debüt überrascht. Das Ende der Serie ist besonders verstörend und lässt den Zuschauer mit einem Gefühl des Unbehagens zurück. Insgesamt kombiniert „Delicious“ psychologische Spannung, explizite Gewalt und sozialkritische Elemente, um einen wirkungsvollen Horror zu erzeugen.

"Delicious" läuft auf Netflix

 

 

Montag, 3. März 2025

"Anora" - "Pretty Woman" 2.0

 

"Pretty Woman" 2.0. Cinderalla in High Heels. Aber ohne Happy End. Das ist "Anora", eín Streifen, der aus dem aktuellen Kino-Müll heraussticht wie ein Diamant unter Katzengold.

"Anora", unter der Regie von Sean Baker, der zuvor mit Filmen wie "The Florida Project" und "Red Rocket" für Aufsehen sorgte, entfaltet sich als eine brillante Mischung aus Drama, Komödie und Gesellschaftskritik. Er entführt uns in die Welt der Stripperin und Sexarbeiterin Ani, die in einem New Yorker Nachtclub arbeitet und durch ihre Begegnung mit dem russischen Oligarchensohn Ivan in eine völlig neue Welt katapultiert wird.

Was zunächst als rein geschäftliche Beziehung zwischen den beiden beginnt, sie soll ihm eine Woche für 15.000 Dollar zur Verfügung stehen, so drastisch muss man das ausdrücken, entwickelt sich bald zu einer turbulenten Romanze, die nicht nur ihre Welt, sondern auch Ivans von Traditionen und Reichtum durchzogene Familie auf den Kopf stellt.


 

Die Geschichte könnte auf den ersten Blick an ein klassisches Märchen erinnern – ein einfaches Mädchen, das mit einem Prinzen aus einer ganz anderen Welt zusammenkommt. 

Anti-Cinderella“-Erzählung 

Doch Baker gelingt es meisterhaft, das Märchen in eine „Anti-Cinderella“-Erzählung zu transformieren, sie gegen den Strich zu erzählen und durch den Fleischwolf zu drehen. 

Der Film spielt mit den traditionellen Erzählmustern, indem er sie subversiv kommentiert und ein realistisches, kritisches Licht auf die gesellschaftlichen Strukturen wirft, die Menschen in ihren sozialen Positionen gefangen halten. In einer Welt, in der Macht und Geld bestimmen, wer oben und wer unten steht, ist Ani die, die sich ihren Platz auf ihre ganz eigene Weise erkämpft. Zunächst.

Mikey Madison, die Ani spielt, liefert eine schauspielerische Leistung, die sowohl mitreißend als auch tiefgründig ist. Sie schafft es, Ani als eine starke, aber zugleich verletzliche Figur darzustellen, die nicht nur mit ihrer eigenen Identität ringt, sondern auch mit den moralischen und emotionalen Dilemmata, die mit ihrer Arbeit verbunden sind. 

 


Ihre Darstellung ist roh, ehrlich und nie klischeehaft. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie sie zwischen Momenten der Selbstbestimmung und der Zerrissenheit hin und her pendeln, Hunderte von  "Fucks" auf den Lippen. 

Neben Madison sind auch die Nebendarsteller hervorragend in ihren Rollen, insbesondere Mark Eydelshteyn, der Ivan verkörpert, ein verwöhnter, reicher Bengel.

Sex, Alkohol, Drogen und PlayStation

Ihre Chemie auf der Leinwand lässt die Beziehung zwischen den beiden Charakteren authentisch wirken, was die emotionale Reise des Films umso mehr verstärkt. Ivan ist kein "Prinz", sondern ein junger oberflächlicher Mann, der von den Erwartungen seiner Familie und der Gesellschaft eingeengt wird und dem mit einem hedonistischen Lebensstil begegnet. Sex, Alkohol, Drogen und PlayStation-Zocken. Dies gibt der Geschichte eine zusätzliche Dimension und stellt die Frage, inwiefern wahre Freiheit in einer Welt, die auf Status und Geld fokussiert ist, überhaupt möglich ist. 

Baker gelingt es, die satirischen Elemente des Films zu einer scharfsinnigen Kritik an den Mechanismen der Macht und des Wohlstands zu verweben, ohne den emotionalen Kern der Geschichte aus den Augen zu verlieren. Dies macht "Anora" nicht nur zu einem unterhaltsamen, sondern auch zu einem tiefgründigen Film. 

Bei den Filmfestspielen von Cannes erhielt "Anora" die goldene Palme. Bei den Oscar-Verleihungen in Hollywood hat die Tragikomödie „Anora“ den Preis für den besten Film gewonnen. Insgesamt erhielt das Werk fünf Oscars. Zu Recht.

Samstag, 22. Februar 2025

"Cassandra": Fiese KI macht Famlie das Leben zur Hölle

Viele Kritiker mögen "Cassandra" überhaupt nicht, dabei ist die Netflix-Serie eine der besten der vergangenen Monate. Ein Mischung aus "Twilight Zone" und "Black Mirror", stilvoll in Szene gesetzt von Autor und Regisseur Benjamin Gutsche.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Familie Prill, die in ein modernes Smart Home zieht, das jedoch seit den 1970er-Jahren unbewohnt ist. Dort reaktivieren sie das veraltete, aber fortschrittliche Haushaltsrobotersystem "Cassandra". Was als technologische Hilfe beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Albtraum, als die KI beginnt, die Familie zu manipulieren und ihre eigenen finsteren Absichten zu verfolgen. Die Serie entfaltet sich sowohl in der Gegenwart als auch in Rückblenden, die die Entstehung und den Ursprung von Cassandra beleuchten.

"Ich bin Cassandra, willkommen in meinem Haus. Ich bin die gute Fee, die alles in Schuss hält. Ich kann den Geschirrspüler und die Waschmaschine bedienen, die Zimmer auf Wohlfühltemperatur heizen und erinnere daran, wenn die Lebensmittel zur Neige gehen." 

Die visuelle Gestaltung von Cassandra ist ein weiteres Highlight, das die Serie von anderen Produktionen abhebt. Die Ästhetik ist von einer Mischung aus Retro-Futurismus und düsterer, dystopischer Vision geprägt. Der Einsatz von altmodischer Technologie, gepaart mit futuristischen Elementen, erzeugt eine surreale Atmosphäre, die perfekt zu den Themen von Cassandra passt. Das Design der KI und des Smart Homes, das sich als charismatisch und doch bedrohlich herausstellt, trägt zur unheimlichen Stimmung bei und verstärkt das Gefühl, dass Technik, die einst als Vorteil gedacht war, zunehmend außer Kontrolle gerät.


 

Der Name „Cassandra“ ist eine Anspielung auf die mythologische Figur, die mit der Fähigkeit gesegnet war, die Zukunft zu sehen, jedoch verflucht wurde, dass ihr Wissen nie geglaubt wurde. Diese Parallele ist tiefgründig, denn auch die KI in der Serie scheint mit einer fast prophetischen Kraft ausgestattet zu sein, deren Entscheidungen von den Menschen jedoch lange nicht verstanden werden.

Cassandra ist in der Miniserie allgegenwärtig. Auf Bildschirmen ist ihr Konterfei in jedem Zimmer zu sehen. Kein Streit oder Kummer entgeht ihr, jedes Gespräch hört sie mit. Die absolute Kontrolle. Lavinia Wilson spielt diesen heimtückischen Roboter mit Bravour. 

Die Serie bleibt stets spannend und emotional packend, sie hat viele Pointen, während sie den Zuschauer zu grundlegenden Überlegungen über den Platz des Menschen in einer Welt, die von Maschinen dominiert wird, herausfordert. 



„Die Sopranos": Wie alles begann

 

„Die Sopranos: Entstehung einer Hit-Serie“ ist eine fesselnde Dokumentation, die jetzt auf Sky zu sehen ist und den kreativen Prozess hinter einer der einflussreichsten Fernsehserien aller Zeiten beleuchtet.

Die Doku liefert nicht nur eine chronologische Darstellung der Entstehung von "Die Sopranos", sondern gibt auch einen faszinierenden Blick hinter die Kulissen. Inspiriert von seiner Kindheit in New Jersey und seiner eigenen Beziehung zu seiner Mutter entwickelte Showrunner David Chase diese bahnbrechende Serie.

Es werden Interviews mit den Schöpfern, Drehbuchautoren und Schauspielern geführt, die die Entwicklung der Serie aus erster Hand schildern. Besonders beeindruckend ist die Ehrlichkeit und Reflexion, mit der die Beteiligten über die Herausforderungen sprechen, die die Serie in der Entstehungsphase durchlief. Von den ersten Konzepten und dem anfänglichen Widerstand seitens des Fernsehens bis hin zum Durchbruch und den bahnbrechenden Erfolgen wird der Weg von "Die Sopranos" anschaulich und spannend nachgezeichnet.

 


Die Doku beleuchtet nicht nur den kreativen Aspekt der Serie, sondern auch deren kulturellen Einfluss. Es wird deutlich, wie "Die Sopranos" die TV-Landschaft verändert haben und eine neue Ära des Fernsehens einläuteten – eine Ära, in der komplexe, vielschichtige Charaktere und langwierige Erzählstränge im Vordergrund standen. Die Doku geht auch auf die gesellschaftlichen Themen ein, die die Serie behandelte, wie etwa die Psychologie von Tony Soprano und die Darstellung von Mafiafiguren.

Visuell ist die Dokumentation ebenso überzeugend, mit gut ausgewählten Archivaufnahmen, Szenenausschnitten und Behind-the-scenes-Material - existenziell!



 

Samstag, 18. Januar 2025

Darum ist die Serie "Die Sopranos" die beste aller Zeiten

 

„Die Sopranos“ ist für mich die beste Serien aller Zeiten, weil sie eine Vielzahl von Elementen meisterhaft kombiniert, die sie sowohl künstlerisch als auch kulturell einzigartig machen. Hier sind einige Gründe, warum sie als solche angesehen wird:


 

  1. Komplexe Charaktere: Die Serie bietet tiefgründige und mehrdimensionale Figuren, vor allem Tony Soprano, der als Gangsterboss und Familienvater mit den Herausforderungen des Lebens, der Familie und der eigenen Psyche kämpft. Tony ist kein klassischer Bösewicht, sondern ein menschlicher Charakter, der gleichzeitig Sympathie und Abscheu hervorruft. Diese komplexe Darstellung von Moral und Identität hebt die Serie von anderen ab.

  2. Psychologische Tiefe: Ein zentrales Thema der Serie ist die Psychologie von Tony Soprano, der mit Angstzuständen, Depressionen und familiären Problemen zu kämpfen hat. Die Gespräche mit seiner Therapeutin, Dr. Melfi, sind ein innovativer Bestandteil der Serie und ermöglichen es, die inneren Konflikte der Hauptfigur zu erforschen. Diese psychologische Tiefe trug dazu bei, dass die Serie in einem neuen Licht wahrgenommen wurde – nicht nur als Mafia-Geschichte, sondern als ernsthafte Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche.

  3. Revolutionäres Erzählformat: „Die Sopranos“ war eine der ersten Serien, die komplexe, lange Erzählstränge aufbauten, die sich über mehrere Staffeln hinweg entwickelten. Die Mischung aus Handlungsebenen, die miteinander verflochten sind – von der Mafia-Welt über die Familienprobleme bis hin zu persönlichen Krisen – ermöglichte es der Serie, Charaktere und Geschichten auf eine tiefere und längerfristige Weise zu entwickeln als in früheren Fernsehformaten üblich.

  4. Gesellschaftliche und kulturelle Relevanz: Die Serie sprach wichtige gesellschaftliche Themen an, darunter die Darstellung von Männlichkeit, Familie, Macht, und den amerikanischen Traum. Sie stellte Fragen zu Loyalität und Verrat, zu Machtverhältnissen und moralischen Dilemmata, und ergriff nie Partei, sondern stellte diese Fragen auf eine Art und Weise, die dem Publikum die Freiheit ließ, selbst zu reflektieren.

  5. Innovative Erzähltechniken: Die Serie verwendete eine Vielzahl an filmischen Techniken und stilistischen Mitteln, die im Fernsehen zuvor selten oder gar nicht zum Einsatz kamen. Von der visuellen Symbolik über die innovative Musik- und Soundwahl bis hin zu metaphorischen Bildern und Traumsequenzen – „Die Sopranos“ war künstlerisch ein Vorreiter und beeinflusste viele nachfolgende Produktionen.

  6. Hervorragendes Schauspiel: Die schauspielerischen Leistungen in der Serie sind außergewöhnlich. James Gandolfini, der Tony Soprano spielt, wird oft als einer der besten Schauspieler in der Geschichte des Fernsehens bezeichnet. Die gesamte Besetzung, einschließlich Edie Falco (Carmela Soprano), Michael Imperioli (Christopher Moltisanti) und anderen, liefert eine meisterhafte Darstellung, die den komplexen Charakteren Leben einhaucht und die emotionalen und dramatischen Höhepunkte der Serie verstärkt.

  7. Einfluss auf die TV-Landschaft: „Die Sopranos“ revolutionierte das Fernsehen, indem sie das Niveau und die Qualität von TV-Serien auf ein neues Level hob. Sie trug zur Entstehung der sogenannten „Goldenen Ära des Fernsehens“ bei, in der Serien wie „Mad Men“, „Breaking Bad“ und „The Wire“ folgten, die ebenso tiefgründige und komplexe Erzählweisen boten.

  8. Unaufgelöste Enden und Subtilität: Die Serie verzichtete auf einfache Antworten und Enden. Der berüchtigte Cliffhanger am Ende der letzten Episode lässt viele Fragen unbeantwortet und öffnete Raum für Interpretation und Diskussion. Diese offene und oft ambivalente Erzählweise forderte die Zuschauer heraus und machte die Serie umso eindrucksvoller.

     


In Memoriam David Lynch

 

Der Filmemacher David Lynch, der für seine einzigartig düstere Vision in Filmen wie "Blue Velvet" und "Mulholland Drive" und der Fernsehserie "Twin Peaks" gefeiert wurde, ist wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag gestorben. Seine Familie gab den Tod in einem Facebook-Post bekannt.

Mit seinem außergewöhnlichen Talent, seine tiefsten Ängste und Träume auf die Leinwand zu bringen, prägte Lynch das Kino und die Kunstwelt auf eine Weise, die sowohl faszinierte als auch verstörte. Sein Werk ist bis heute ein Meilenstein für die Filmgeschichte und die visuelle Kunst.


 

Geboren am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, wuchs Lynch in einer beschaulichen und ländlichen Umgebung auf. Diese frühen Jahre prägten seine künstlerische Sichtweise, die später sowohl von der Dunkelheit der menschlichen Psyche als auch von der bizarren Schönheit des Alltäglichen bestimmt wurde. Nachdem er die Kunstschule in Philadelphia besuchte, zog Lynch nach Los Angeles, wo er in den frühen 1970er Jahren mit seiner ersten, radikal eigenständigen Arbeit, dem surrealen Kurzfilm "Six Men Getting Sick" (1967), die Aufmerksamkeit der Kunstwelt auf sich zog.

Seinen Durchbruch als Filmemacher feierte Lynch mit dem 1977 veröffentlichten "Eraserhead". Die bizarren und traumhaften Bilder, gepaart mit dem unheimlichen Soundtrack, prägten sofort seinen einzigartigen Stil. Es war die Geburt eines neuen Erzählers, der die Grenzen des Konventionellen sprengen würde.


 

Doch es war die Veröffentlichung von "Blue Velvet" im Jahr 1986, die Lynch endgültig zum Meister der modernen Kinematografie machte. In diesem Film, der zwischen Film Noir und surrealer Psychodynamik oszilliert, hinterfragte Lynch die Dunkelheit in der amerikanischen Vorstadtwelt und zerriss die Fassade der Idylle, um die abscheulichen Geheimnisse darunter zu enthüllen.

Seine erfolgreichste und einflussreichste Arbeit jedoch war die Fernsehserie "Twin Peaks" (1990–1991). Die Serie, die mit ihren surrealen Wendungen und einer Mischung aus Mystery, Horror und melodramatischen Elementen den Fernsehdrama revolutionierte, wurde zu einem internationalen Kultphänomen.

Aber David Lynch beschränkte sich nicht nur auf Film und Fernsehen. Als vielseitiger Künstler zog er in verschiedenen Disziplinen Aufmerksamkeit auf sich. Seine Arbeiten als Maler und Zeichner, die er während seiner gesamten Karriere verfolgte, sind ebenso markant und rätselhaft wie seine Filme. Ebenso widmete er sich der Musik, wobei er oft eigene Kompositionen zu seinen Filmen beisteuerte und seine künstlerische Vision auf viele verschiedene Arten ausdrückte.

Sonntag, 12. Januar 2025

Von Yellowstone bis Tulsa King: Die Serienwelten von Taylor Sheridan

 

Taylor Sheridan ist ein preisgekrönter Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, der vor allem für seine Arbeiten im Genre des modernen Western und der Kriminaldramen bekannt ist. Einige seiner bekanntesten Serien sind „Yellowstone“, „1923“ und „Tulsa King“. Sheridan hat sich einen Namen gemacht, indem er komplexe Charaktere und tiefgründige gesellschaftliche Themen in seinen Erzählungen verarbeitet. Hier ist ein Überblick über einige seiner wichtigsten Serien:

1. Yellowstone

Yellowstone“ ist wohl Sheridans erfolgreichste und bekannteste Serie. Sie wurde erstmals 2018 ausgestrahlt und dreht sich um die Familie Dutton, die eine riesige Ranch in Montana besitzt. John Dutton (gespielt von Kevin Costner) führt die Familie und ihre Ranch inmitten politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Konflikte. Die Serie verbindet eine dramatische Familiengeschichte mit Themen wie Landbesitz, Korruption und den Herausforderungen, die sich aus der Modernisierung in den USA ergeben. „Yellowstone“ hat sich zu einem kulturellen Phänomen entwickelt und brachte mehrere Spin-offs hervor. 



2. 1923

1923“ ist ein Prequel zu „Yellowstone“, das sich mit der Geschichte der Dutton-Familie in den 1920er Jahren beschäftigt. Die Serie folgt der Generation vor John Dutton, insbesondere den Herausforderungen, denen sie sich nach dem Ersten Weltkrieg und während der Prohibition stellen müssen. In der Serie, die 2022 debütierte, spielen Helen Mirren und Harrison Ford die Hauptrollen. Sie beleuchtet den dramatischen Wandel Amerikas und die Schwierigkeiten, die die Duttons im frühen 20. Jahrhundert durchmachen.


 

3. 1883

1883“ ist ein weiteres Prequel zu „Yellowstone“ und spielt im Jahr 1883. Es folgt einer Pionierfamilie, die sich auf die gefährliche Reise durch die amerikanische Prärie begibt, um Land im Westen zu besiedeln. Die Serie behandelt die Reise von James Dutton (gespielt von Tim McGraw), einem Vorfahren von John Dutton, und seiner Familie, die sich auf eine schwierige Reise von Texas nach Montana begeben. 

 


4. Tulsa King

Tulsa King“ ist eine Serie, die 2022 auf Paramount+ debütierte. In dieser Serie geht es um Dwight „The General“ Manfredi, einen Mafia-Boss (gespielt von Sylvester Stallone), der nach 25 Jahren Haft in die Freiheit entlassen wird. Er wird nach Tulsa, Oklahoma, geschickt, um dort die Geschäfte für die Mafia wieder aufzubauen. Der Serie liegt eine interessante Mischung aus Mafia-Dramen und dem „Fish-out-of-Water“-Motiv zugrunde, da der Charakter in einer neuen Umgebung auf Schwierigkeiten stößt.


 

 

5. Mayor of Kingstown


Obwohl Sheridan bei „Mayor of Kingstown“ nicht direkt der Showrunner ist, trägt er maßgeblich zur Schaffung der Serie bei. Die Serie wurde von Sheridan und Hugh Dillon entwickelt und behandelt die Geschichten der McLusky-Familie, die in Kingstown, Michigan, lebt. Kingstown ist von einem der größten privaten Gefängniskonzerne des Landes dominiert, und die Familie McLusky nutzt ihre Beziehungen, um das Machtgefüge in der Stadt zu lenken. Die Serie greift tief in soziale Probleme wie das Gefängnissystem, Korruption und die Macht von Institutionen ein. Mike (Jeremy Renner) spielt den Bürgermeister. 

 


 

6. Land Man

Land Man“ ist ein weiteres Projekt von Taylor Sheridan, das die Geschichte eines texanischen Ölbarons und seiner Familie erzählt. Es geht um die Konflikte, die mit dem Besitz von Land und den damit verbundenen Ressourcen einhergehen. Die Serie setzt sich mit den schwierigen Entscheidungen auseinander, die ein Großunternehmer treffen muss, und greift Themen wie Wirtschaft, Macht und menschliche Gier auf. Tommy (Billy Bob Thornton) ist der Krisenmanager der Erdölfirma, Monty Miller (John Hamm) sein Chef. 

 


7. Lioness

Lioness“ ist eine Serie, die sich um die Welt des Geheimdienstes dreht, speziell um die Missionen einer Frau, die für die CIA arbeitet. Basierend auf realen Ereignissen behandelt sie das Leben einer jungen Frau, die in einem riskanten Geheimdienstprogramm arbeitet. Es geht um internationale Konflikte, Geheimoperationen und die Herausforderungen, die speziell für Frauen in diesem Bereich bestehen.

 


 

Stil und Themen

Taylor Sheridan ist bekannt für seinen düsteren, realistischen Erzählstil, der oft harte, moralische Dilemmata und komplexe Charaktere in den Mittelpunkt stellt. Viele seiner Serien behandeln Themen wie Landbesitz, Familie, Macht, Gewalt und die Herausforderungen, denen sich Menschen in einer modernen, oftmals chaotischen Welt stellen müssen. Die Geschichten von Sheridan zeichnen sich durch ihre düstere, realistische Darstellung des amerikanischen Westens und der sozialen Ungerechtigkeit aus.

Die Faszination am Traditionellen

  • Familie als Anker: Die Familie, insbesondere die Kernfamilie, bildet in Sheridans Serien häufig den Mittelpunkt. Werte wie Loyalität, Zusammenhalt und der Schutz der eigenen Blutsverwandtschaft werden hochgehalten. Dies erinnert an traditionelle Familienbilder, die oft mit konservativen Werten verbunden werden.
  • Verwurzelung im Land: Die tiefe Verbundenheit der Charaktere mit dem Land, insbesondere in Serien wie "Yellowstone", unterstreicht die Bedeutung von Tradition und Heimat. Der Kampf um Landbesitz wird oft als Kampf um Identität und Freiheit dargestellt.
  • Skepsis gegenüber dem Fortschritt: Sheridan zeigt oft eine gewisse Skepsis gegenüber der Modernisierung und dem Verlust traditioneller Lebensweisen. Die Charaktere sind oft mit den Veränderungen konfrontiert, die die Globalisierung und die moderne Gesellschaft mit sich bringen.