Sonntag, 23. Februar 2014

Timo Brandt: Ein junger Poet aus Quickborn

Der Lyriker Timo Brandt. Foto: Erdbrügger
Quickborn „Gedichte schreiben ist eine brotlose Kunst in Deutschland“, sagt Timo Brandt (21). Da macht er sich keine Illusionen. Es  hält den Quickborner aber auch nicht davon ab. „Ich schreibe jeden Tag mehr als eine Seite“, sagt  er.  Lyrik – das ist seine Passion. Auch wenn sich in den Programmen der großen Verlage derzeit kaum junge Lyriker finden, so sorgen doch einige wenige  dafür, dass jungen Autoren eine Plattform geboten wird, ihre Werke einem Publikum vorzustellen.
Wie beim Treffen junger Autoren im Haus der Berliner Festspiele. Aus 1000 Bewerbern wurde Brandt  ausgewählt. Die Wettbewerbsjury – darunter die Schriftstellerinnen Rabea Edel und Kirsten Fuchs sowie  die Verlegerin Daniela Seel und der Dramatiker Thomas Freyer – hatte getagt und 20 Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt. Ein Ritterschlag für einen jungen Poeten. Im Rahmen dieses Wettbewerbs  betraten Autoren wie Finn-Ole Heinrich („Räuberhände“) und  Tamara Bach („Was vom Sommer übrig ist“) zum ersten Mal die literarische Bühne.
„Es war meine erste Lesung überhaupt“, sagt Brandt. Mit mehreren Gedichten zog er das Publikum in seinen Bann. Darunter auch „Knirschen“ – ein Naturgedicht, an dem auch Freunde der Verse von Sarah Kirsch ihre Freude haben. Im Lauf der Woche nahm Brandt an einem Campus-Programm teil: Mit den Autorinnen und Autoren wurde in Workshops über  die  Texte gesprochen. „Wir haben uns ausgetauscht. Es wurde aber keines meiner Gedichte verrissen. Man muss es sich wie einen Dialog über die Texte vorstellen. Ich habe es als sehr angenehm empfunden. “
Dass die Verlegerin Daniela Seel dabei gewesen sei, sei gut für  Bewerbungen.  Sicher ist,  dass   im Zuge des Treffens der jungen Autoren eine Jahrgangsanthologie im Februar erscheinen soll, in der auch einige Gedichte von Brandt abgedruckt sein werden. Es ist seine erste Veröffentlichung. Doch der junge Poet aus Quickborn mit der hohen Denkerstirn und dem Dreitagebart bleibt bescheiden: „Ich war sehr beeindruckt von den Leuten, die Prosa schreiben.“ Der  Lyrik will er jedoch treu bleiben. Er fährt dabei zweigleisig:   „Ich lese sehr gern und ebenso gern schreibe ich über Literatur und meine Leseerlebnisse.“ Das schlägt sich auch in Essays und Besprechungen von Lyrik anderer Autoren nieder. „Damit will ich einen Fuß in die Tür bekommen“, sagt Brandt, der kein Abitur hat, weil er wegen einer Erkrankung  das Gymnasium verlassen  musste.
Mit 12, 13 Jahren habe er angefangen zu schreiben, mit 17 mit Anspruch. Seine Vorbilder sind Ted Hughes, Joseph Brodsky  und Anna Achmatova. Über die russische Dichterin hat der  Quickborner ein Gedicht geschrieben mit dem Titel „Requiem auf Anna Achmatowa“.  Warum schreibt er? „Mich fasziniert die Vielfalt der Ideen und Herangehensweisen, die nicht im Alphabet enthalten sind, aber sich im Schreiben niederschlagen – in dem, was passiert, wenn man die Buchstaben nach gedanklichen und intuitiven Gesichtspunkten als Begriffe kombiniert und diese Begriffe in ihrer Kombination dann wieder über sich hinauswachsen.“  Seiner Lyrik ein Etikett zu geben, findet er schwierig.

Auch wenn es banal klingt: Brandts Gedichte sprechen für sich. Wie das zum Tode von Lou Reed, dessen Musik er liebt. So wie die von Bob Dylan und der legendären englischen Band „The Clash“. Kein Wunder, dass „Für Lou Reed  (died 27th October 2013)“ auch wie ein Songtext gelesen werden kann („The SoundHound bites/                        and hope is bleeding/to death/or to life…The voice of Lou Reed“), obwohl das Poem  ironisch endet: „Wer schreibt schon Gedichte/die Welt liebt Musik.“ Mag sein. Wenn aber einer so schreiben kann wie Brandt,  hat Lyrik eine Zukunft. Vom Timo Brandt  wird man  noch viel hören – und lesen.
René Erdbrügger



Auswahl:



Knirschen für Angela Seitz

Schnee,
immer getrennt von seinem Anblick, seinem Moment,
wie eine Idee von Weiß,
die sich zur Luft gesellt, wenn die Welt
schweigen soll
und alles nur aus seiner Geste lebt
und nicht aus seinem Sein, das ruht
wie auch
er selbst
in dieser Stille,
der weiße, graue, schöne
atem(be)raubende
Schnee.

Himmeltief
und jenseits seiner Träume.

(Timo Brandt)



Für Lou Reed  (died 27th October 2013)

I

Gitarrenklänge setzen ein
            wie Fetzen und Funken
    von Nikotin…

Lachende Echos…
   hymnische Stille-
leitende Blüten
            im Strom…

And, god,
            hell is known
by the word:
            freedom…

Life hurts best, because you
   have nothing to lose…

Nichts erreicht
den todesähnlichen Sound…

II

Die Seele sucht Vorkommnisse
            von Abgrund
im Gestein….
                        Glitzert da Liebe? ...
be mine… the SoundHound… no time

“And anyone who ever played a part
oh wouldn't turn around and hate it…,”

The SoundHound bites
                        and hope is bleeding 
to death
or to life…

The voice of Lou Reed.

Ein Streiflicht voraus, in die Dunkelheit…
                        urbane Zeitlosigkeit…
Ein gehärtetes Vorbild für Lässigkeit,

                        und Nähe aus simpler,
                                   gescheuter,
                           einbeiniger Zuneigung…

Kaputte Zäune wildern
   durch den klanglichen Wald…

Der Rhythm benachrichtigt das Ufern des Lebens,
            die Gitarre ist die Hoffnung,
    nach uns der Sandsturm…
            woanders
suchst du vergebens.

Cause there is no answer
                        to the perfect day…
-Psychedelische Freiheit kam den Gedanken zuvor-
And the stars are only lights,
            so they say…

Wer schreibt schon Gedichte,
            die Welt liebt Musik.
In ihr liegt etwas,
            das wir nicht ignorieren können.

(Timo Brandt)




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