„Verblendung": Viel besser als
die schwedische Verfilmung: Das US-Remake zeigt ein
düsteres Spiegelbild der Gesellschaft
Aber auch die düstere Stimmung des Plots, in der
von einer verkommenen schwedischen Gesellschaft erzählt wird, in der
Mord, Vergewaltigung und Korruption zum pervertierten Kodex der
besseren Schichten gehört, dürfte David Fincher
(„Sieben“, „The Social Network“), dem Regisseur mit der Vorliebe für
menschliche Abgründe, zum Remake der schwedischen Filmversion von 2009
animiert haben.
Bullerbü, der Inbegriff für ein idyllisches
Schweden, ist abgebrannt: „Da steckte viel Saft drin, jede Menge
Reibung, eine Unmenge an dramatischen Möglichkeiten“, erklärt Fincher
seine Motivation und liefert mit der Neuinterpretation
des Stoffes, zu der Steven Zaillian („Schindlers Liste“) das Drehbuch
schrieb, eine der stimmigsten Literatur-Adaptionen der letzten Jahre
ab. So schlägt die US-Version den Schweden-Thriller, der in
statischer Fernseh-Ästhetik gedreht wurde, um Längen,
weil sie filmisch eleganter ist und die vielschichtigen Aspekte des
Buches herausarbeitet. Finchers Edel-Thriller ist von eisiger
Schönheit: Allein die in blau gehaltenen Bilder, die symbolisch für die
kalten Seelenlandschaften der Menschen stehen, lassen
einen frösteln, während der im Hintergrund pulsierende elektronische
Score die bedrohliche Atmosphäre auf akustischer Ebene subtil
unterstützt.
An der Handlung haben Fincher und Zaillian fast
nichts verändert. Gedreht wurde im winterlichen Schweden, und in der
amerikanischen Original-Version ist bei der einen oder anderen Figur
ein reizvoller skandinavischer Akzent zu hören.
Langsam lässt es Fincher dabei angehen. Er setzt allein auf den Sog
der Geschichte.
Beim Casting liegt das Remake ebenfalls klar vorn
– es ist eine Traumbesetzung. Daniel Craig hat sein James-Bond-Image
abgelegt. Meist mit Dreitagebart und ein paar Pfund schwerer, spielt er
den mürrischen, promiskuitiven und investigativen
Wirtschaftsjournalisten Mikael Blomkvist, der seinen Ruf wieder
herstellen will, nachdem er wegen übler Nachrede verurteilt wurde. Das
hat ihn sein ganzes Vermögen gekostet. Deswegen zögert er nicht lange,
als er von dem reichen Industriellen Henrik Vanger
(Christopher Plummer) engagiert wird, dessen Familie eine
Nazi-Vergangenheit hat. Blomkvist soll einen Fall neu aufrollen und
herausbekommen, warum Vangers Großnichte vor 40Jahren spurlos
verschwand. Schon bald ist der Journalist einem Frauenmörder auf
der Spur.
Die Bühne gehört indes Rooney Mara, der „neuen“
Lisbeth Salander, die Blomkvist bei der Recherche mit ihren
außergewöhnlichen Hackerfähigkeiten unterstützt. Im Gegensatz zu Noomi
Rapace, der schwedischen Salander-Darstellerin, ist
sie bei aller Kaltblütigkeit, die ihr Vergewaltiger und Vormund zu
spüren bekommt, verletzlicher – und damit glaubwürdiger. Das gibt
Fincher auch die Möglichkeit, die Liebesgeschichte zwischen der
Außenseiterin und dem taffen Reporter stärker herauszuarbeiten
– ohne sie zu sentimentalisieren. Denn der Regisseur erzählt die Story
von Anfang bis zum Ende mit unbarmherziger Härte.
René Erdbrügger
Bewertung: Sehenswert
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