„Skyfall“: Im 23. James-Bond-Abenteuer
muss ein traumatisierter 007 gegen einen gemeingefährlichen
Cyber-Terroristen antreten
Ein Königreich für einen Geheimagenten: Wie
ein Feldherr nach einer gewonnenen Schlacht steht James
Bond (Daniel Craig, 44), der Rücken dem Betrachter zugekehrt, in einer
Szene vor der Skyline von London und blickt über die Stadt. Ein
melancholischer, einsamer Kämpfer mit 1299 Todesfällen in 22. Filmen auf
seinem Konto. Er gehört einfach zu England
wie die Queen und der Five O’Clock Tea.
Zum 50. Geburtstag der Action-Reihe kommt Sam
Mendes („American Beauty“) mit einem großartigen Geschenk zum
Kino-Jubiläum: In dem 23. Bond-Abenteuer „Skyfall“, sensationell smart
und stilvoll gedreht, gelingt dem Regisseur der Drahtseilakt,
dem Geheimagenten ihrer Majestät seine Menschlich- und Sterblichkeit
zurückzugegeben. Ein klarer Bruch mit den bisherigen Konventionen, ohne
jedoch den Sockel dieser Filmfigur-Ikone auch nur annähernd zu
beschädigen. Dafür sorgen schon die ästhetischen
Nahaufnahmen von Kameramann Roger Deakins („No Country For Old Men“),
die Craig mit Drei-Tage-Bart, raspelkurzen Haaren und schickem grauen
Retro-Anzug von Tom Ford cool, sexy und überirdisch gut aussehen lassen.
Adrenalin versprühende
Auftaktsequenz
Doch Lichtgestalten können auch fallen: Der Film-Titel „Skyfall“ wird zwar mit „Wolkenbruch“ übersetzt, nimmt aber auch Bonds Absturz vorweg: In der etwa 15-minütigen Adrenalin versprühenden Auftaktsequenz – mit Abstand die dramatischste, die je in einem 007-Streifen zu sehen war –, einer Nonstop-Verfolgungsjagd durch die Straßen und über die Dächer von Istanbul, endet die Hatz für Bond auf dem Eisenbahnwagon eines in einen Tunnel fahrenden Zuges, als ihn eine Kugel der unerfahrenen Kollegin Eve (Naomie Harris) trifft. Der Schurke, den der Geheimagent verfolgte, entkommt. 007 hingegen stürzt in die Tiefe. Dass der Feuerbefehl über Funk von M (brummig: Judi Dench), der Chefin des MI 6, kam, gibt der Aktion einen bitteren Beigeschmack: Bonds vermeintlicher „Tod“, ein in Kauf genommener Kollateralschaden. Very shocking.
Doch Lichtgestalten können auch fallen: Der Film-Titel „Skyfall“ wird zwar mit „Wolkenbruch“ übersetzt, nimmt aber auch Bonds Absturz vorweg: In der etwa 15-minütigen Adrenalin versprühenden Auftaktsequenz – mit Abstand die dramatischste, die je in einem 007-Streifen zu sehen war –, einer Nonstop-Verfolgungsjagd durch die Straßen und über die Dächer von Istanbul, endet die Hatz für Bond auf dem Eisenbahnwagon eines in einen Tunnel fahrenden Zuges, als ihn eine Kugel der unerfahrenen Kollegin Eve (Naomie Harris) trifft. Der Schurke, den der Geheimagent verfolgte, entkommt. 007 hingegen stürzt in die Tiefe. Dass der Feuerbefehl über Funk von M (brummig: Judi Dench), der Chefin des MI 6, kam, gibt der Aktion einen bitteren Beigeschmack: Bonds vermeintlicher „Tod“, ein in Kauf genommener Kollateralschaden. Very shocking.
Dieser Konflikt wird in den Mittelpunkt der
weiteren Handlung gestellt. Bereits in „Casino Royale“ (2006), dem
famosen Bond-Relaunch, in dem Craig der bisher hölzernen 007-Figur zum
ersten Mal eine – wenn auch kalte – Seele gibt, wurde
schon sein Verhältnis zu M als eine schwierige Sohn-Mutter-Beziehung
angedeutet. Damals ging es um den uneingeschränkten Gehorsam, nun muss
sich Bond fragen, wie weit seine Loyalität zu einer Frau geht, die
seinen Tod in Kauf nimmt. Der Regierungsbeauftragte
Gareth Mallory (Ralph Fiennes) hat die Übermutter längst im Visier.
Die Wiederauferstehung des Geheimagenten, der sein
Trauma in der Ferne mit Drinks und Sex versucht zu kurieren, ist einem
Bombenanschlag auf den MI 6 geschuldet. Damit ist die Reihe in der
Post 9/11-Ära angekommen. Mit Bond erhebt
sich auch ein Verbrecher: Silva, eine Art böser Stiefbruder von Bond,
um im psychoanalytischen Bild zu bleiben. Er hat mit M noch ein
Hühnchen zu rupfen. „Mami war sehr böse“, provoziert er Bond.
Der Spanier Javier Bardem (kleines Foto, „No
Country For Old Men“) spielt diesen gemeingefährlichen Cyber-Terroristen
– gefärbte blonde Haare und künstliches Gebiss – an der Grenze
zur Parodie – ein Comic Relief, wie es bei Amerikanern
heißt (in der deutschen Synchronfassung sprachlich leider völlig
glattgebügelt), denn sonst bliebe der Humor so trocken wie die von
Bond bevorzugten Martinis, die als Reminiszenz nicht fehlen dürfen.
Während „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“
(2008) nur nach vorne schauten, erlauben sich Mendes und Co-Autor John
Logan manchmal einen wehmütigen Blick zurück in die Sean-Connery-Ära.
Dabei werden die alten Bond-Klassiker auseinandergenommen
und versatzstückartig mit neuen Elementen wieder zusammengesetzt. So
taucht sogar der legendäre silberfarbene Aston Martin DB 5 aus
„Goldfinger“ plötzlich auf wie Kai aus der Kiste, und der Titelsong,
den die britische Soul-Diva Adele singt, erinnert
an die swing-getränkten Bond-Lieder von Shirley Bassey und Nancy
Sinatra.
Bei diesen paar Zugeständnissen an jene Fans, die
wieder mehr Retro verlangten, bleibt es dann auch: Als sich Bond
wundert, dass er für einen Einsatz von einem blutjungen Q (Ben
Whishaw) nur eine Waffe und einen Funksender bekommt,
fragt der Wissenschaftler kess: „Was haben Sie denn erwartet? Einen
explodierenden Füller?“
Passé sind die vielen exotischen
Postkarten-Schauplätze. Der Fokus liegt auf dem grau verhangenen
London. Das Königreich ist in Gefahr. Schon schwer genug für einen
womöglich alkoholkranken Bond, dessen Hände beim Schießtraining
zittern. Eben mal die Welt retten, das war vorgestern.
René Erdbrügger
Bewertung: Herausragend
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