Daniel Woodrell schreibt Krimis, die wie griechische Tragödien anmuten. "Der Tod von Sweet Mister" ist eine weitere düstere Geschichte vom Leben in den Ozarks. ***** |
Dienstag, 31. Dezember 2013
Nachtlektüre (1/2014): "Der Tod von Sweet Mister" (Verlag Heyne)
Sonntag, 29. Dezember 2013
"Der Hobbit - Smaugs Einöde“ - Wieder mal in Mittelerde
Es ist ein kalter, trüber Sonntag. Genau die richtige Zeit, um ins Kino zu gehen. Auf dem Programm steht: "Der Hobbit - Smaugs Einöde“. Der Pressevorführung in Hamburg bin ich wohlweislich ferngeblieben. 48 Bilder pro Sekunde brauche ich nicht. Diese Hyperrealität, auch als "Soap-Opera-Effekt" bezeichnet, der an selbst gedrehte Videos erinnert, hat mich vor einem Jahr richtig genervt und den Filmzauber genommen. Das Cineplex in Elmshorn zeigt auch die 24-Bilder-pro-Sekunde-Version. Reicht völlig aus.
Zum fünften Mal in Mittelerde, in dem Fantasy-Reich, so wie es Peter Jackson sieht. Bilbo Beutlin, der Zauberer Gandalf und 13 Zwerge wollen das Zwergenreich Erebor befreien. Mit ihrem Anführer Thorin Eichenschild geht es zum Einsamen Berg, einst Sitz der Zwergenherrscher. Nun bewacht darin der riesige und machtgierige Drache Smaug einen unermesslichen Schatz. Mit dem Bild des Drachen endete der erste Teil, aber Jackson geht nicht in medias res, sondern spult zeitlich zurück.
"Der Hobbit - Smaugs
Einöde“ zeigt das Beste des modernen Kinos, das aber ohne Kompromisse respektive Kalkül nicht mehr auskommt. Um die unverschämt hohen Kinopreise zu rechtfertigen, dauern die Blockbuster immer länger. Gar 160 Minuten sind es hier. Ein Kampf gegen Riesenspinnen im Düsterwald, die Flucht in Weinfässern über einen reißenden Fluss und Kämpfe gegen Orks, bei denen auch schon Mal Köpfe rollen, sind wunderbar in Szene gesetzt, doch die Sequenzen sind viel zu schnell geschnitten. Da kommt das Auge nicht mit. Jeden Punkt, jedes Komma von Tolkiens "Der kleine Hobbit" hat Jackson im ersten Teil verfilmt, damit ihm aber der Stoff nicht ausgeht, dichtet er nun eine Liebesgeschichte zwischen einer Elbe und einem Zwerg hinzu. Das hätte er sich sparen können, da dieser Erzählstrang nichts zur eigentlichen Handlung beiträgt, auch wenn "Lost"-Star Evangeline Lilly eine Augenweide ist. Schon beim Schauen der Fernsehserie dachte ich damals, die würde eine prima Elbe abgeben. Vielleicht hat Jackson meinen Gedanken empfangen...
Großartig ist das Mittelerde-Venedig "Seestadt", ein visuell beeindruckender Schauplatz wie aus einem Dickens-Roman.
Schlecht animiert indes ist das flüssige Gold, das sich gegen Ende des Films in einem gewaltigen Schwall über den Drachen ergießt, aber nichts bewirkt, außer den Drachen so richtig in Rage zu bringen. Ein Genuss ist die deutsche Stimme von Smaug: Sascha Rotermund. Die Dialoge zwischen dem Drachen und Bilbo Beutlin (Martin Freeman) sind so genüsslich anzuhören wie schon die im ersten Teil zwischen Beutlin und Gollum.
Bei all diesen Schauwerten vergisst man fast, dass der Film auch eine Botschaft hat.Wird hier doch die Gier der Menschen nach Reichtum thematisiert, dem alle hinterherrennen, die Guten wie die Bösen. Der unermessliche Schatz des Drachen, den das Scheusal gar nicht benötigt, denn was will ein Drache mit Gold und Edelsteinen, wird zum Symbol für die von Marx kritisierte Akkumulation des Geldes. Wenn sich so viel über einen Film schreiben lässt, kann er nicht so schlecht sein. Meine Reise nach Mittelerde hat den trüben Sonntag gerettet.
Text: René Erdbrügger
Gandalf (Ian McKellen) darf nicht fehlen. Foto: Warner Bros. |
Großartig ist das Mittelerde-Venedig "Seestadt", ein visuell beeindruckender Schauplatz wie aus einem Dickens-Roman.
Schlecht animiert indes ist das flüssige Gold, das sich gegen Ende des Films in einem gewaltigen Schwall über den Drachen ergießt, aber nichts bewirkt, außer den Drachen so richtig in Rage zu bringen. Ein Genuss ist die deutsche Stimme von Smaug: Sascha Rotermund. Die Dialoge zwischen dem Drachen und Bilbo Beutlin (Martin Freeman) sind so genüsslich anzuhören wie schon die im ersten Teil zwischen Beutlin und Gollum.
Text: René Erdbrügger
Donnerstag, 26. Dezember 2013
Lieblings-CDs 2013
1. The
National - "Trouble will find me"
2. Quickbeam - "Quickbeam"
3. Agnes Obel - "Aventine"
4. Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - "Perils from the sea"
5. Tocotronic - "Wir wir leben wollen"
2. Quickbeam - "Quickbeam"
3. Agnes Obel - "Aventine"
4. Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - "Perils from the sea"
5. Tocotronic - "Wir wir leben wollen"
Lieblingsserien 2013
1. "House of Cards" (Season 1), beste Politdrama-Serie ever
2. "Breaking Bad" (Season 5), grandioses Staffelfinale
3. "Sons of Anarchy" (Season 6), obwohl Clay und Tara sterben, schnief
4. "Mad Men" (Season 6), elegant wie immer, oh, ihr wunderbaren 60er Jahre
5. "The Americans" (Season 1), steigert sich von Folge zu Folge, viel Potenzial
6. "Nashville" (Season 1), herrliche Songs, tolle Schauspieler, Geheimtipp
7. "Girls" (Season 2), manche Folgen sind so gut wie ein Woody-Allen-Film
8. "Hannibal" (Season 1), düster
9. "Homeland" (Season 3), wieder segnet eine geliebte Hauptfigur das Zeitliche
10. "The Following" (Season 1), spannend
11. "The Blacklist", (Season 1), darf nicht fehlen, James Spader grandios
12. "The Good Wife", (Season 4), beste Anwaltsserie ever
3. "Sons of Anarchy" (Season 6), obwohl Clay und Tara sterben, schnief
4. "Mad Men" (Season 6), elegant wie immer, oh, ihr wunderbaren 60er Jahre
5. "The Americans" (Season 1), steigert sich von Folge zu Folge, viel Potenzial
6. "Nashville" (Season 1), herrliche Songs, tolle Schauspieler, Geheimtipp
7. "Girls" (Season 2), manche Folgen sind so gut wie ein Woody-Allen-Film
8. "Hannibal" (Season 1), düster
9. "Homeland" (Season 3), wieder segnet eine geliebte Hauptfigur das Zeitliche
10. "The Following" (Season 1), spannend
11. "The Blacklist", (Season 1), darf nicht fehlen, James Spader grandios
12. "The Good Wife", (Season 4), beste Anwaltsserie ever
Donnerstag, 19. Dezember 2013
Filme des Jahres 2013 - kurz und schmerzlos
2. "The Best Offer"
3. "Der Geschmack von Rost und Knochen"
4. "Blue Jasmine"
5. "Trance"
6. "The Place beyond the Pines"
7. "Rush"
8. "Wolverine -Tage des Kriegers"
9. "Der große Gatsby"
10. "Les Misérables"
11. "World War Z"
12. "Feuchtgebiete"
13. "Spring Breakers"
14. "Inside Llewyn Davis"
15. "The Master"
Samstag, 14. Dezember 2013
Frank Salewski - Der Mann, der nur im Sommer schreibt
Interview mit dem Bremer Lehrer und Autor Frank Salewski
Frank Salewski (links) auf der Frankfurter Buchmesse. |
Herr Salewski, was können Sie uns über Ihr neues Buch „Fußballmord“ verraten?
Zunächst
möchte ich Vorsicht anmahnen; wenn man den Aussagen eines Redakteurs
einer großen Münchner Tageszeitung glaubt, ist der Inhalt des Buches zu
brisant, um etwas darüber zu veröffentlichen
und wäre ein Grund für seine fristlose Kündigung. Doch sei hier
Entwarnung gegeben; es handelt sich bei Fußballmord weder um ein
pornographisches noch um ein gewaltverherrlichendes Buch. Vermutlich
hätte er darüber eher geschrieben als über einen jungen Fußballprofi,
der als jüngster Torwart der Liga zu einem großen Münchner Verein
wechselt. Er wird dort wie durch ein Wunder im Verlauf seiner ersten
Saison für den FC zum besten Torwart Deutschlands und steigt zum
Nationalkeeper auf. Doch Robin, so heißt der Protagonist
der Geschichte, steht unter bisweilen großem Druck. Im Unklaren über
seine Neigungen und seine wahre Berufung, sitzen ihm auch noch sein
ehrgeiziger Vater und eine alkoholkranke Mutter im Nacken. Zudem muss er
auch noch zwischen Gesundheit und Erfolg wählen.
Doch hat auch sein Verein Probleme. Verstrickt in den Mord an dem
bekannten Münchner Immobilienmakler Hans Christian K., kommen pikante
Details aus dem Leben der FC Stars ans Tageslicht. Selbst der
übermächtige FC Manager Ambos, der sich zunächst schützend
vor seine Spieler stellt, steht plötzlich wegen Steuerhinterziehung im
Fokus der Behörden.
Fußballmord klingt nach einem Krimi. Würden Sie es dem Genre Krimi zuordnen?
Als
ich es geschrieben habe, war ich sicher, ich schreibe ein Jugendbuch,
doch kaum fertiggestellt, haben sowohl mein Verleger, als auch meine
schärfsten Kritiker (meine Familie) dem widersprochen
und es als Krimi, der im Fußallmilieu spielt und eine Liebesgeschichte
beinhaltet, bezeichnet. Nach einigem Nachdenken konnte ich dem
zustimmen, aber ich glaube, dass Fußballmord, wenn kein Jugendbuch, so
doch auch für diese Altersgruppe gut geeignet ist.
Als
Lehrer an einer sportbetonten Oberschule haben Sie viel mit
leistungsorientierten Schülern zu tun. Hat Sie diese Tatsache beim
Schreiben von „Fußballmord“ beeinflusst?
Vermutlich
mehr als mir es zunächst beim Schreiben klar gewesen ist. Erst nach und
nach ist mir bewusst geworden, dass mir die eine oder andere Szene im
Buch sehr bekannt vorkam, als ich
nach Beendigung des Buches wieder in die Schule kam.
So
hatte ich es zum Beispiel in den letzten Jahren mehrmals erlebt, dass
ein Sportler unserer Schule nach dem Abitur zum Profisportler wurde.
Welche Faszination geht für Sie vom Schreiben aus?
Die
Möglichkeit völlig abzutauchen, alles hinter sich zu lassen und doch
(meist unbewusst) die eigenen Gedanken mit zu verarbeiten.
Hat das Ihr Leben verändert?
Da
muss ich ein wenig ausholen, denn den Drang zu schreiben hatte ich
schon immer und habe das auch der Umwelt (vor allem meiner Frau) immer
wieder Kund getan. Besonders intensiv (so wird
von bösen Stimmen behauptet) bei der Talkshow 3 nach 9. Bei diesen
ritualisierten Fernsehabenden soll ich immer, wenn ein junger Autor sein
neues Buch vorstellte, gesagt haben, ich will auch schreiben, ich will
auch zu 3 nach 9 (gewisse Ähnlichkeiten zu einem
an der Kanzleramtspforte rüttelnden Gerhard Schröder wurden mir
nachgesagt). An so einem Abend vor vier Jahren platzte deswegen meiner
sonst stets ruhigen und ausgeglichenen Frau der Kragen: „Entweder Du
fängst jetzt endlich an zu schreiben oder ich will nie
mehr etwas davon hören.“
2010
habe ich dann mein erstes Buch geschrieben. In den Sommerferien.
„Zugezogen“, die Geschichte eines Jungen, der als 8-jähriger auf ein
Dorf zieht. Dazu bin ich jeden Morgen um 7 Uhr
aufgestanden, habe sechs Stunden geschrieben, bin mit meiner Frau
spazieren gegangen und habe weitere zwei bis vier Stunden geschrieben.
Es war wie ein Rausch, in dem ich endlich meine Ideen, Phantasien und
Erlebnisse in eine angemessene Form gießen konnte.
Seitdem habe ich in den folgenden Sommerferien jeweils ein Buch
geschrieben. 2011 „Heimgekehrt - Wäre er doch gefallen“.
Das in Quickborn spielt?
Richtig, das Buch erzählt ja zumindest in Ansätzen die Geschichte meiner Oma und die hat hier in Quickborn gelebt.
Mit „Heimgekehrt“ hatten Sie einen überraschenden Erfolg?
Das
stimmt, es hat sich so gut verkauft, dass der E-Bookverlag strombuch an
meinen Verlag herangetreten ist, um die Rechte für die englische
Version zu erwerben. Es ist inzwischen unter dem
Titel „Back home why?“ sowohl in den USA, als auch in England
erhältlich.
Doch sie haben sich nicht auf dem Erfolg ausgeruht?
Nein,
2012 habe ich „Fußballmord“ geschrieben und in den Sommerferien dieses
Jahr eine Geschichte über einen Sonderschullehrer, der sich für einen
berühmten Autor hält und hofft, so aus seiner
hoffnungslosen Lage zu entkommen (noch in Arbeit).
Doch
um auf die Frage zurückzukommen, ob das Schreiben mein Leben verändert
hat. Die vermutlich konkreteste Veränderung ist, dass ich das Schrauben
an Oldtimern gegen das Schreiben eingetauscht
habe. Fahrzeugöl gegen Druckertinte. Den Tausch habe ich noch nicht
eine Sekunde bereut.
Was lesen Sie selbst gern?
Zurzeit
sind es drei Bücher: Die Bibel, von James Herriot: „Der Doktor und das
liebe Vieh“, Shakespeares: „Much Ado about Nothing“ und natürlich der
neue Asterix. Gerade in der dunklen Jahreszeit
bevorzuge ich unterhaltsame Literatur.
Drei Bücher auf einmal, haben Sie immer schon viel gelesen?
Ja, ich hatte immer einen starken Drang mich in fremde Geschichten und Charaktere zu versenken.
Wie kann man diese Begeisterung am Lesen in Zeiten von X-Box und Internet jungen Menschen weitergeben?
Ich
glaube durch Vorleben und durch Vorlesen von guten Büchern. Wenn man
seinen Kindern früh vorliest, später beim Lesen-Lernen mit ihnen
zusammenliest und ihnen danach immer guten Lesestoff
zur Verfügung stellt, kann Lesen zu einer lebenslangen Sucht werden.
Bei meiner Tochter hat es funktioniert, sie ist eine echte Leseratte.
Sie haben von guten Büchern gesprochen. Warum sollte Ihr Buch dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum liegen?
- weil Weihnachten das Fest der Liebe ist
- weil die Norddeutschen mehr noch als der Rest Deutschlands fußballverrückt (und das im
besten Sinne) sind
- weil viele Menschen Krimis lieben
- weil eine Liebesgeschichte nie verkehrt sein kann.
Welche Pläne haben Sie als Autor für das nächste Jahr?
Natürlich
arbeite ich an der Ursprungsidee der Einladung zu 3 nach 9 weiter. Aber
im Ernst, vielleicht ein wenig mehr Zeit zum Schreiben freischaufeln,
denn die Ideen, zumindest für die nächsten
zwei Bücher, habe ich schon im Kopf und die wollen natürlich raus.
Erfolgreicher Auftritt mit Fußballmord
Frank Salewski. |
Auch
mit seinem zweiten Roman „Fußballmord“ hat der Autor Frank Salewski
das Publikum auf der Frankfurter Buchmesse überzeugt. War die
letztjährige Präsentation seines Romans „Heimgekehrt
-Wäre er doch gefallen“, der in Quickborn spielt, ein echter Erfolg, so
hat die Vorstellung seines neuen Buches alle Erwartungen des Autors und
seines Verlegers übertroffen. „Für mich gab es kaum einen ruhigen
Moment, kaum hatte ich ein Exemplar signiert,
wartete schon der nächste Interessent, der näheres über den Titel und
den Inhalt von „Fußballmord“ wissen wollte. Für den Autor eine alles
andere als zu erwartende Wendung. Hatte er doch noch kurz vor der
Buchmesse die Rückmeldung der Münchner tz bekommen:
„Ein sicherlich interessantes und gutes Buch, aber jede kritische
Veröffentlichung über Leistungsdruck in der Bundesliga oder die
Thematisierung von Homosexualität von Fußballprofis findet bei Lesern
kein Interesse.“ Ein Irrtum, wie sich herausgestellt
hat. Vielleicht dem geschuldet, dass Salewski in seinem neuen Buch
verschiedene Probleme im Bundesliga-Alltag in einen Krimi eingebettet
hat und die Geschichte aus der Sicht Robins, eines jungen
Fußballprofis, schildert. Der ist gerade aus dem Amateurbereich
zu einem Bundesligaverein aus München gewechselt und macht im Verlauf
der Geschichte nicht nur Erfahrungen mit dem gnadenlosen Leistungsdruck
im Profifußball, sondern wird auch von älteren Vereinskollegen mit in
ein Bordell gelockt. Überraschend ist, dass
Salewski den Roman schon im Sommer 2012 geschrieben hat und eine der
Personen in seinem Buch ein Manager ist, der wegen Steuerhinterziehung
(wenn auch für seinen Verein) angeklagt wird. Eine Vorahnung des Autors,
vielleicht hat er aber auch, wie 2012 mit "Heimgekehrt",
einen Nerv getroffen.
Donnerstag, 12. Dezember 2013
Audienz beim König - Stephen King liest im CCH
The King and I - das ist eine Beziehung, die schon über 30 Jahre währt. Er hat mir mit seinen Romanen, viele davon brillant, über so viele schlechte Tage und Monate hinweggeholfen.
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.
"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt, genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.
Nach den ersten Minuten ist klar: Da steht ein Popstar. "The one and only Mr. King", kündigt ihn ARD-Moderator Ingo Zamperoni an, der zu meinem Bedauern besser Englisch spricht als ich dachte und sich auch noch als Kenner von Kings Büchern entpuppt. Allerdings hat man das Gefühl, der Kerl will King die Show stehlen. Das misslingt gründlich. Bei den sporadischen Übersetzungen des Interviews ist Zamperoni oft schluderig. King ist, das weiß jeder Fan, der seine Auftritte gesehen hat, ein Entertainer, ein Comedian. Beispielsweise findet er es lustig, dass sein Roman "IT" im Deutschen "Es" heißt. "ESSSSSS", lässt King immer wieder das Wort genüsslich über seine Lippen kommen wie "Mit Schlag?", weil dem Horror-Schriftsteller aufgefallen ist, dass bei uns in Deutschland zu allem Schlagsahne angeboten wird. Ein Gag, den ich nicht so richtig nachvollziehen kann. Vielleicht in München, dort war seine letzte Lesung?
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.
Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).
Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.
Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.
Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme: Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.
Von René Erdbrügger
Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:
"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"
und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.
"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt, genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.
The one and only: Stephen King. |
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.
Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).
Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.
Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.
Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme: Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.
Von René Erdbrügger
Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:
"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"
und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".
Dienstag, 10. Dezember 2013
Bücher des Jahres 2013
Krankenschwester trifft auf Gangster. Söderberg ist der neue Stieg Larsson. Genial. |
Der Sohn eines Anwalts gerät unter Morderverdacht. Schuld und Sühne. |
Mutter klärt den Tod ihrer Tochter auf. Ergreifend. |
Ungewöhnliche Werwolf-Geschichte. Einer der besten Horror-Romane seit Jahren. |
Deutscher Knast-Roman. Beeindruckend unprätentiös. |
In Nachhinein gar nicht mal schlecht, wenn auch nicht spannend. |
Donnerstag, 5. Dezember 2013
Wohnen wie in Kalifornien
Architektur der
Moderne: Familie Hodel öffnet die Türen ihres Neutra-Bungalows / Häuser erregen deutschlandweit Aufmerksamkeit
Der Tisch im
Wohnzimmer ist gedeckt. Es gibt Kuchen und Kaffee. Wir sind
im Haus der Familie Professor Robert Hodel und Pia Hodel-Winicker.
Fünf Zimmer, Küche, Bad und ein kleiner Keller. Das alles auf 120
Quadratmetern. Plus Carport. Klingt nach einem beliebigen
08/15-Eigenheim. Doch weit gefehlt: Die Hodels wohnen in einem
jener schmucken, kastenartigen Flachbungalows an der Marienhöhe, die
der österreichisch-amerikanische Stararchitekt Richard Neutra (1892 -
1970) entworfen hat.
Es ist eine Siedlung mit Häusern, die ein wenig
kleiner sind als die großen Villen, die Neutra in den USA gebaut hat,
aber denselben architektonischen Charme versprühen und für ein
Lebensgefühl stehen, das die Eigentümer nicht missen wollen:
Individualität und Nonkonformismus strahlen diese Bungalows aus, die
deutschlandweit das Interesse bei Architekten und Museen erwecken. Fehlt
nur noch die Sonne Kaliforniens. Doch in Norddeutschland macht sie
sich rar.
Beim Besuch ist der Quickborner Architekt
Jens-Olaf Nuckel als Fachmann mit dabei. Er ist ein Freund der Familie.
Das erste Aha-Erlebnisse für mich: Der Wohnraum hat eine große
Stahlrahmen-Fensterfront, durch die man in den Garten
blickt. Das Dach ragt weit darüber hinaus. „Die Verzahnung von
Innen-und Außenraum ist ein Haupt-Merkmal der Neutra-Häuser“, sagt
Nuckel.
„Den erweiterten Raum, dieses Gefühl von Weite“,
schätzt der Hausherr, der Professor für Slavistik an der Hamburger
Universität ist, genauso wie die Funktionalität der Architektur im Stil
der Bauhaus-Tradition. Deswegen hat Neutra auch
auf störende Heizkörper verzichtet. Die warme Luft gelangt durch ein
Gebläse in die Räume.
„Es gibt keine Lügen in dieser Architektur. Es wird
nichts vorgegeben, was man nicht braucht wie zum Beispiel Säulen“, sagt
Hodel-Winicker. Die Konstruktion sei so, dass im Winter die Sonne ins
Wohnzimmer voll hereinscheine, im Sommer
jedoch nicht. „Oft stelle ich nachmittags die Heizung ab, weil sich das
Wohnzimmer erwärmt wie ein Wintergarten“, berichtet sie.
Die Licht durchfluteten Räume des Hauses: Als
Malerin weiß Hodel-Winicker das zu schätzen. In einem hat sie ihr
Atelier eingerichtet. „Die Funktionalität des Hauses, die klaren Formen,
haben mich bei meiner Malerei beeinflusst“, so die
Künstlerin.
So wie die Hodels schwärmen heute viele Besitzer
eines Neutra-Hauses. Das war nicht immer so. „Friedrich Wilhelm Krüger,
der Vater von Liedermacher Mike Krüger, hatte Anfang der 60er Jahre als
Direktor der Hamburger Betreuungs- und Wohnungsbaugesellschaft
den Auftrag bekommen, in Quickborn eine Siedlung zu bauen. Alle
bedeutenden Architekten lehnten jedoch ab. Dann fragte man Richard
Neutra und er sagte ‚Ja‘“, berichtet Nuckel.
Doch die Avantgarde-Bauten, von Quickborns
Bürgermeister Thomas Köppl einmal als „Iglus in der Wüste“ bezeichnet,
entwickelten sich zum Ladenhüter. „Statt der geplanten 190 Wohneinheiten
ließ die Baugesellschaft nur 67 Bungalows bauen –obwohl
jeder Käufer zu dem Haus als Zugabe einen VW Käfer bekam“, berichtet
Nuckel, der ein großer Fan von Neutra ist und dem jedes kleinste Detail
sofort ins Auge springt. Wie das „Spiderleg“, das wie ein Spinnenbein
über den Baukörper hinaus in die Natur ragt.
„Es ist deswegen gebaut worden, um die statischen Kräfte nicht in einer
dicken Stütze in der Ecke des Fensters abzuleiten. Damit wird die Sicht
auf die Natur, auf das Außen eingeschränkt“, erklärt Nuckel die
Funktion.
Wir befinden uns jetzt im Garten, der von den
Nachbargrundstücken abgeschirmt zu sein scheint. „Um die Privatsphäre zu
schützen, sind die Gärten in der Neutra-Siedlung versetzt“, berichtet
Nuckel. Ein weiteres Merkmal von Neutra-Häusern.
Obwohl die Funktionalität im Mittelpunkt steht, Neutra hatte bei seiner
Architektur immer das Wohl des Menschen im Sinn.
Dass die Quickborner Traum-Bungalows in den
vergangenen Jahren eine Renaissance erfahren haben und das Marta-Museum
für zeitgenössische Kunst in Herford ihnen jüngst eine deutschlandweit
Aufsehen erregende Ausstellung widmete (wir berichteten),
ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Siedlung vor neun Jahren
unter Denkmalschutz gestellt wurde – trotz vieler Proteste. Einige der
Eigentümer hatten ihre Bungalows zuvor so wild umbauen lassen, dass der
typische Neutra-Stil nicht mehr zu erkennen war.
Davor schob die Denkmalschutzbehörde jedoch einen Riegel. „Wäre die
Neutra-Siedlung nicht unter Denkmalschutz gestellt worden, wären die
Hintergrundstücke auch bebaut worden“, sagt Nuckel.
Bei so viel Begeisterung, fragt man sich, warum
Nuckel eigentlich nicht selbst in einem Neutra-Bungalow wohnt. „Ich bin
mit Mike Krüger befreundet. Als sein Vater starb und mir die Familie
sein Neutra-Haus angeboten hat, habe ich leider
zu lange gezögert – und dann war das Haus weg.“ sagt Nuckel. Damals
hätte der Quickborner Architekt 660000 Mark hinlegen müssen. Heute gehen
die Kult-Immobilien der Moderne, die wohl auch in Zukunft an Wert
zulegen dürften, in der Stadt für mehr als 400000
Euro über den Tisch. Tendenz steigend.
Von René Erdbrügger
Info:
Richard J. Neutra gilt als einer der wichtigsten Architekten des
Richard J. Neutra gilt als einer der wichtigsten Architekten des
20. Jahrhunderts. In Wien geboren wanderte er 1923
in die USA aus, wo er nach Anstellung bei Frank Lloyd Wright und
Zusammenarbeit mit Rudolf Schindler 1926 ein eigenes Büro in Los Angeles
gründete. Mit seinen ultramodernen Villen, darunter
dem Wohnhaus des Hollywood-Regisseurs Josef v. Sternberg (1935),
avancierte Neutra bald zu einem der bekanntesten und gefragtesten
Architekten in Nordamerika. Zwischen 1960 und 1970 baute er in Europa
Villen und 109 Häuser in Quickborn und Walldorf/Frankfurt.
Für seine Methode wählte Neutra den Begriff des „Biorealismus“. Seine
Philosophie: „Es ist wichtig, dass der Mensch sich stets auch als Teil
seiner Umgebung wahrnimmt.“
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