Dienstag, 31. Dezember 2013

Nachtlektüre (1/2014): "Der Tod von Sweet Mister" (Verlag Heyne)

Daniel Woodrell schreibt Krimis, die wie griechische Tragödien anmuten. "Der Tod von Sweet Mister"  ist eine weitere düstere Geschichte vom Leben in den Ozarks. *****

Sonntag, 29. Dezember 2013

"Der Hobbit - Smaugs Einöde“ - Wieder mal in Mittelerde


Es ist ein kalter, trüber Sonntag. Genau die richtige Zeit, um ins Kino zu gehen. Auf dem Programm steht: "Der Hobbit - Smaugs Einöde“. Der Pressevorführung in Hamburg bin ich wohlweislich ferngeblieben. 48 Bilder pro Sekunde brauche ich nicht. Diese Hyperrealität, auch als "Soap-Opera-Effekt" bezeichnet, der an selbst gedrehte Videos erinnert, hat mich vor einem Jahr richtig genervt und den Filmzauber genommen. Das Cineplex in Elmshorn zeigt auch die 24-Bilder-pro-Sekunde-Version. Reicht völlig aus.
Zum fünften Mal in Mittelerde, in dem Fantasy-Reich, so wie es Peter Jackson sieht. Bilbo Beutlin, der Zauberer Gandalf und 13 Zwerge wollen das Zwergenreich Erebor befreien. Mit ihrem Anführer Thorin Eichenschild geht es zum Einsamen Berg, einst Sitz der Zwergenherrscher. Nun bewacht darin der riesige und machtgierige Drache Smaug einen unermesslichen Schatz. Mit dem Bild des Drachen endete der erste Teil, aber Jackson geht nicht in medias res, sondern spult zeitlich zurück.
Gandalf (Ian McKellen) darf nicht fehlen. Foto: Warner Bros.
"Der Hobbit - Smaugs Einöde“ zeigt  das Beste des modernen Kinos, das aber ohne Kompromisse respektive  Kalkül nicht mehr auskommt. Um die unverschämt hohen Kinopreise zu rechtfertigen, dauern die Blockbuster immer länger. Gar 160 Minuten sind es hier. Ein Kampf gegen Riesenspinnen im Düsterwald, die Flucht in Weinfässern über einen reißenden Fluss und Kämpfe gegen Orks, bei denen auch schon Mal Köpfe rollen, sind wunderbar in Szene gesetzt, doch die Sequenzen sind viel zu schnell geschnitten. Da kommt das Auge nicht mit. Jeden Punkt, jedes Komma von Tolkiens "Der kleine Hobbit" hat Jackson im ersten Teil verfilmt, damit  ihm aber der Stoff nicht ausgeht, dichtet er nun eine Liebesgeschichte zwischen einer Elbe und einem Zwerg hinzu. Das hätte er sich sparen können, da dieser Erzählstrang nichts zur eigentlichen Handlung beiträgt, auch wenn "Lost"-Star Evangeline Lilly eine Augenweide ist. Schon beim Schauen der Fernsehserie dachte ich damals, die würde eine prima Elbe abgeben. Vielleicht hat Jackson meinen Gedanken empfangen...
Großartig ist das  Mittelerde-Venedig "Seestadt", ein visuell beeindruckender Schauplatz wie aus einem Dickens-Roman.
Schlecht animiert indes ist  das flüssige Gold, das sich gegen Ende des Films in einem gewaltigen Schwall über den Drachen ergießt, aber nichts bewirkt, außer den Drachen so richtig in Rage zu bringen. Ein Genuss ist die deutsche Stimme von Smaug:  Sascha Rotermund. Die Dialoge zwischen dem Drachen und Bilbo Beutlin (Martin Freeman) sind so genüsslich anzuhören wie schon die im ersten Teil zwischen  Beutlin und Gollum.

Bei all diesen Schauwerten vergisst man fast, dass  der Film  auch eine Botschaft hat.Wird hier doch die Gier der Menschen nach Reichtum thematisiert, dem alle hinterherrennen, die Guten wie die Bösen. Der unermessliche Schatz des Drachen, den das Scheusal gar nicht benötigt, denn was will ein Drache mit Gold und Edelsteinen, wird zum Symbol für die von Marx kritisierte Akkumulation des Geldes. Wenn sich so viel über einen Film schreiben lässt, kann er nicht so schlecht sein. Meine Reise nach Mittelerde hat den trüben Sonntag gerettet.

 Text: René Erdbrügger




Donnerstag, 26. Dezember 2013

Lieblings-CDs 2013

1.  The National - "Trouble will find me"
2.  Quickbeam - "Quickbeam"
3.  Agnes Obel - "Aventine"
4. Mark Kozelek & Jimmy Lavalle - "Perils from the sea"
5.  Tocotronic -  "Wir wir leben wollen"






Lieblingsserien 2013

 1.  "House of Cards" (Season 1), beste Politdrama-Serie ever
 2.  "Breaking Bad" (Season 5), grandioses Staffelfinale
 3.  "Sons of Anarchy" (Season 6), obwohl Clay und Tara sterben, schnief
 4.  "Mad Men" (Season 6), elegant wie immer, oh, ihr wunderbaren 60er Jahre
 5.  "The Americans" (Season 1), steigert sich von Folge zu Folge, viel Potenzial
 6.  "Nashville" (Season 1), herrliche Songs, tolle Schauspieler, Geheimtipp
 7.  "Girls" (Season 2), manche Folgen sind so gut wie ein Woody-Allen-Film
 8.  "Hannibal" (Season 1), düster
 9.  "Homeland" (Season 3), wieder segnet eine geliebte Hauptfigur das Zeitliche
10. "The Following" (Season 1), spannend
11. "The Blacklist", (Season 1), darf nicht fehlen, James Spader grandios
12. "The Good Wife", (Season 4), beste Anwaltsserie ever

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Filme des Jahres 2013 - kurz und schmerzlos


  1."Gravity"

  2. "The Best Offer"

  3. "Der Geschmack von Rost und Knochen"

  4. "Blue Jasmine"

  5. "Trance"

  6. "The Place beyond the Pines"

  7. "Rush"

  8. "Wolverine -Tage des Kriegers"

  9. "Der große Gatsby"

 10. "Les Misérables"

 11. "World War Z"

 12. "Feuchtgebiete"

 13. "Spring Breakers"

 14. "Inside Llewyn Davis"

 15. "The Master"


Samstag, 14. Dezember 2013

Frank Salewski - Der Mann, der nur im Sommer schreibt

Interview mit dem Bremer Lehrer und Autor Frank Salewski

Frank Salewski (links) auf der Frankfurter Buchmesse.

Herr Salewski, was können Sie uns über Ihr neues Buch  „Fußballmord“ verraten?

Zunächst möchte ich Vorsicht anmahnen; wenn man den Aussagen eines Redakteurs einer großen Münchner Tageszeitung glaubt, ist der Inhalt des Buches zu brisant, um etwas darüber zu veröffentlichen und wäre ein Grund für seine fristlose Kündigung.  Doch sei hier Entwarnung gegeben; es handelt sich bei Fußballmord weder um ein pornographisches noch um ein gewaltverherrlichendes Buch. Vermutlich hätte er darüber eher geschrieben als über einen jungen Fußballprofi, der als jüngster Torwart der Liga zu einem großen Münchner Verein wechselt. Er wird dort wie durch ein Wunder im Verlauf seiner ersten Saison für den FC zum besten Torwart Deutschlands und steigt zum Nationalkeeper auf. Doch Robin, so heißt der Protagonist der Geschichte, steht unter bisweilen großem Druck. Im Unklaren über seine Neigungen und seine wahre Berufung, sitzen ihm auch noch sein ehrgeiziger Vater und eine alkoholkranke Mutter im Nacken. Zudem muss er auch noch zwischen Gesundheit und Erfolg wählen. Doch hat auch sein Verein Probleme. Verstrickt in den Mord an dem bekannten Münchner Immobilienmakler Hans Christian K., kommen  pikante Details aus dem Leben der FC Stars ans Tageslicht. Selbst der übermächtige FC Manager Ambos, der sich zunächst schützend vor seine Spieler stellt, steht plötzlich wegen Steuerhinterziehung im Fokus der Behörden.

Fußballmord klingt nach einem Krimi. Würden Sie es dem Genre Krimi zuordnen?

Als ich es geschrieben habe, war ich sicher, ich schreibe ein Jugendbuch, doch kaum fertiggestellt, haben sowohl mein Verleger, als auch meine schärfsten Kritiker (meine Familie) dem widersprochen und es als Krimi, der im Fußallmilieu spielt und eine Liebesgeschichte beinhaltet,  bezeichnet. Nach einigem Nachdenken konnte ich dem zustimmen, aber ich glaube, dass  Fußballmord, wenn kein Jugendbuch, so doch auch für diese Altersgruppe gut geeignet ist.

Als Lehrer an einer sportbetonten Oberschule haben Sie viel mit leistungsorientierten Schülern zu tun. Hat Sie diese Tatsache beim Schreiben von „Fußballmord“ beeinflusst?

Vermutlich mehr als mir es zunächst beim Schreiben klar gewesen ist. Erst nach und nach ist mir bewusst geworden, dass mir die eine oder andere Szene im Buch sehr bekannt vorkam, als ich nach Beendigung des Buches wieder in die Schule kam.
So hatte ich es zum Beispiel in den letzten Jahren mehrmals erlebt, dass ein Sportler unserer Schule nach dem Abitur zum Profisportler wurde.


Welche Faszination geht für Sie vom Schreiben aus?

Die Möglichkeit völlig abzutauchen, alles hinter sich zu lassen und doch (meist unbewusst) die eigenen Gedanken mit zu verarbeiten.

Hat das Ihr Leben verändert?
Da muss ich ein wenig ausholen, denn den Drang zu schreiben hatte ich schon immer und habe das auch der Umwelt (vor allem meiner Frau) immer wieder Kund getan. Besonders intensiv (so wird von bösen Stimmen behauptet) bei der Talkshow 3 nach 9. Bei diesen ritualisierten Fernsehabenden soll ich immer, wenn ein junger Autor sein neues Buch vorstellte, gesagt haben, ich will auch schreiben, ich will auch zu 3 nach 9 (gewisse Ähnlichkeiten zu einem an der Kanzleramtspforte rüttelnden Gerhard Schröder wurden mir nachgesagt). An so einem Abend vor vier Jahren platzte deswegen meiner sonst stets ruhigen und ausgeglichenen Frau der Kragen: „Entweder Du fängst jetzt endlich an zu schreiben oder ich will nie mehr etwas davon hören.“
 2010 habe ich dann mein erstes Buch geschrieben. In den Sommerferien. „Zugezogen“, die Geschichte eines Jungen, der als 8-jähriger auf ein Dorf zieht. Dazu bin ich jeden Morgen um 7 Uhr aufgestanden, habe sechs Stunden geschrieben, bin mit meiner Frau spazieren gegangen und habe weitere zwei bis vier Stunden geschrieben. Es war wie ein Rausch, in dem ich endlich meine Ideen, Phantasien und Erlebnisse in eine angemessene Form gießen konnte. Seitdem habe ich in den folgenden Sommerferien jeweils ein Buch geschrieben. 2011 „Heimgekehrt - Wäre er doch gefallen“.

Das in Quickborn spielt?
Richtig, das Buch erzählt ja zumindest in Ansätzen die Geschichte meiner Oma und die hat hier in Quickborn gelebt.

Mit „Heimgekehrt“ hatten Sie einen überraschenden Erfolg?
Das stimmt, es hat sich so gut verkauft, dass der E-Bookverlag strombuch an meinen Verlag herangetreten ist, um die Rechte für die englische Version zu erwerben. Es ist inzwischen unter dem Titel „Back home why?“ sowohl in den USA, als auch in England erhältlich.

Doch sie haben sich nicht auf dem Erfolg ausgeruht?
Nein, 2012 habe ich „Fußballmord“ geschrieben und in den Sommerferien dieses Jahr eine Geschichte über einen Sonderschullehrer, der sich für einen berühmten Autor hält und hofft, so aus seiner hoffnungslosen Lage zu entkommen (noch in Arbeit).
Doch um auf die Frage zurückzukommen, ob das Schreiben mein Leben verändert hat. Die vermutlich konkreteste Veränderung ist, dass ich das Schrauben an Oldtimern gegen das Schreiben eingetauscht habe. Fahrzeugöl gegen Druckertinte. Den Tausch habe ich noch nicht eine Sekunde bereut.

Was lesen Sie selbst gern?

Zurzeit sind es drei Bücher: Die Bibel, von James Herriot: „Der Doktor und das liebe Vieh“, Shakespeares: „Much Ado about Nothing“  und natürlich der neue Asterix. Gerade in der dunklen Jahreszeit bevorzuge ich unterhaltsame Literatur.
 
Drei Bücher auf einmal, haben Sie immer schon viel gelesen?
Ja, ich hatte immer einen starken Drang mich in fremde Geschichten und Charaktere zu versenken.

Wie kann man diese Begeisterung am Lesen in Zeiten von X-Box und Internet jungen Menschen weitergeben?

Ich glaube durch Vorleben und durch Vorlesen von guten Büchern. Wenn man seinen Kindern früh vorliest, später beim Lesen-Lernen mit ihnen zusammenliest und ihnen danach immer guten Lesestoff zur Verfügung stellt, kann Lesen zu einer lebenslangen Sucht werden. Bei meiner Tochter hat es funktioniert, sie ist eine echte Leseratte. 

Sie haben von guten Büchern gesprochen. Warum sollte Ihr Buch dieses Jahr unterm Weihnachtsbaum liegen?

- weil Weihnachten das Fest der Liebe ist
- weil die Norddeutschen mehr noch als der Rest Deutschlands  fußballverrückt (und das im  
   besten Sinne) sind
- weil viele Menschen Krimis lieben
- weil eine Liebesgeschichte nie verkehrt sein kann.

Welche Pläne haben Sie als Autor für das nächste Jahr?

Natürlich arbeite ich an der Ursprungsidee der Einladung zu 3 nach 9 weiter. Aber im Ernst, vielleicht ein wenig mehr Zeit zum Schreiben freischaufeln, denn die Ideen, zumindest für die nächsten zwei Bücher, habe ich schon im Kopf und die wollen natürlich raus. 


Erfolgreicher Auftritt mit Fußballmord

Frank Salewski.
Auch mit seinem zweiten Roman „Fußballmord“  hat der Autor Frank Salewski das Publikum auf der Frankfurter Buchmesse überzeugt. War die letztjährige Präsentation seines Romans „Heimgekehrt -Wäre er doch gefallen“, der in Quickborn spielt, ein echter Erfolg, so hat die Vorstellung seines neuen Buches alle Erwartungen des Autors und seines Verlegers übertroffen. „Für mich gab es kaum einen ruhigen Moment, kaum hatte ich ein Exemplar signiert, wartete schon der nächste Interessent, der näheres über den Titel und den Inhalt von „Fußballmord“ wissen wollte. Für den Autor eine alles andere als zu erwartende Wendung. Hatte er doch noch kurz vor der Buchmesse die Rückmeldung der Münchner tz bekommen: „Ein  sicherlich interessantes und gutes Buch, aber  jede kritische Veröffentlichung über Leistungsdruck in der Bundesliga oder die Thematisierung  von Homosexualität  von Fußballprofis findet bei Lesern kein Interesse.“  Ein Irrtum, wie sich herausgestellt hat. Vielleicht dem geschuldet, dass Salewski in seinem neuen Buch verschiedene Probleme im Bundesliga-Alltag in einen Krimi eingebettet hat und die Geschichte aus der Sicht Robins, eines jungen Fußballprofis,  schildert. Der ist gerade aus dem Amateurbereich zu einem Bundesligaverein aus München gewechselt und macht im Verlauf der Geschichte nicht nur Erfahrungen mit dem gnadenlosen Leistungsdruck im Profifußball, sondern wird auch von älteren Vereinskollegen mit in ein Bordell gelockt. Überraschend ist, dass Salewski den Roman schon im Sommer 2012 geschrieben hat und eine der Personen in seinem Buch ein Manager ist, der wegen Steuerhinterziehung (wenn auch für seinen Verein) angeklagt wird. Eine Vorahnung des Autors, vielleicht hat er aber auch, wie 2012 mit "Heimgekehrt", einen Nerv getroffen. 




Donnerstag, 12. Dezember 2013

Audienz beim König - Stephen King liest im CCH

The King and I -  das ist eine Beziehung, die schon über 30 Jahre währt. Er hat mir mit seinen Romanen, viele davon brillant,  über so viele schlechte Tage und Monate hinweggeholfen.
Dass Stephen King zum ersten Mal in Deutschland liest, ist fast unglaublich. Sein erstes Buch "Carrie" hat er schon in den 1970er Jahren  veröffentlicht. Soll man zur Lesung gehen? An einem Mittwoch? Nach einem harten Arbeitstag? "Vielleicht die letzte Chance", sagt meine Frau und drängt mich. Schließlich ist King 66 Jahre alt und dem Tod (Alkoholismus und Unfall) schon ein paar Mal sehr nahe gekommen. Selbst ist man auch nicht mehr der Jüngste.

"Ich hatte Angst", sagt King während seiner Lesung im Hamburger CCH, zu der etwa 3000 Fans gekommen sind. Tatsächlich mehr junge Besucher als alte Säcke. Aber die Grauhaarigen werden von mir mit Sympathie bedacht. Schüchtern sei er, sagt der König. Koketterie, wenn ihr mich fragt,  genauso wie das graue T-Shirt und die ausgewaschene Jeans, die er trägt. Ganz ehrlich: Der Mann ist einer der reichsten Menschen in den USA, aber läuft so rum wie einst Steve Jobs.

The one and only: Stephen King.
Nach den ersten Minuten ist klar: Da steht ein Popstar. "The one and only Mr. King", kündigt ihn ARD-Moderator Ingo Zamperoni an, der zu meinem Bedauern besser Englisch spricht als ich dachte und sich auch noch als Kenner von Kings Büchern entpuppt. Allerdings hat man das Gefühl, der Kerl will King die Show stehlen. Das misslingt gründlich. Bei den sporadischen Übersetzungen des Interviews ist Zamperoni oft schluderig. King ist, das weiß jeder Fan, der seine Auftritte gesehen hat, ein Entertainer, ein Comedian. Beispielsweise findet er es lustig, dass sein Roman "IT" im Deutschen "Es" heißt. "ESSSSSS", lässt King immer wieder das Wort genüsslich über seine Lippen kommen wie "Mit Schlag?", weil dem Horror-Schriftsteller aufgefallen ist, dass bei uns in Deutschland zu allem Schlagsahne angeboten wird. Ein Gag, den ich nicht so richtig nachvollziehen kann. Vielleicht in München, dort war seine letzte Lesung?
Dafür dieses Statement umso mehr: Er liebe die grausigen Märchen der Gebrüder Grimm. Kinder, die mit diesen Märchen aufgewachsen seien, würden quasi zu seinen Lesern herangezogen. Darum habe er auch in Deutschland so viele Fans. Stimmt.

Als das Blitzlicht-Gewitter der Presse losgeht, dreht King sich um, bückt sich und schiebt seinen Hintern raus: "Ich mach Euch den Angus Young." Die Menge grölt vor Freude und Bewunderung wie auch bei jedem King-Titel, der genannt wird: "The Shining" (Jubel), "On Writing" (Jubel), "Turm-Saga" (Jubel).

Ja, genau: King ist auf einer kleinen Europatour, um sein neues Buch "Doctor Sleep" vorzustellen, die Fortsetzung zu "Shining". Auch wenn der Roman an "Shining" nicht herankommt, das Buch ist nicht völlig misslungen wie so einige, die nach 2000 erschienen sind. Als Beispiele seien "Love" und "Wahn" genannt. Viel zu verkrampft, zu sehr auf ernsthafte Literatur gemünzt.

Ein Kapitel aus "Doctor Sleep" liest King auf Englisch, ein zweites der begnadete David Nathan auf Deutsch, der auch die deutsche Hörbuchfassung eingelesen hat. Als der Synchronsprecher zum Ende kommt, sind wir alle und auch King gerührt: "Da war Musik drin", sagt er. Und verdammt viel Gefühl und Gespür für den Duktus des Textes, finde ich.

Auch wenn es eine schreckliche Platitüde ist, aber sie ist so stimmig wie die Gänsehaut, die ich an diesem Abend des Öfteren bekomme:  Der Abend vergeht wie im Flug. Gegen Ende erklärt King, es sei wirklich wahr, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" damals aus dem Mülleimer gefischt hat. Schon deshalb hat sich die kleine Reise von Pinneberg nach Hamburg ins CCH gelohnt. Thank you, the one and only Mr. King. Danke für die Audienz.

Von René Erdbrügger

Meine fünf Lieblingsromane von Stephen King:

"Christine"
"Brennen muss Salem"
"The Stand"
"Friedhof der Kuscheltiere"
"Es"
"Der Anschlag"

und nicht zu vergessen die großartige Erzählung "Der Nebel".


Dienstag, 10. Dezember 2013

Bücher des Jahres 2013

Aus dem Leben eines Professors an einer kleinen amerikanischen Uni. Das Buch hat mich emotional so berührt wie zuletzt "The Road" und "Ins Freie". Ein Klassiker.


Stephen King bekommt Beistand von Stewart O'Nan für diese gelungene Geistergeschichte.
Krankenschwester trifft auf Gangster. Söderberg ist der neue Stieg Larsson. Genial.
Der Sohn eines Anwalts gerät unter Morderverdacht. Schuld und Sühne.
Mutter klärt den Tod ihrer Tochter auf. Ergreifend.
Ungewöhnliche Werwolf-Geschichte. Einer der besten Horror-Romane seit Jahren.

Deutscher Knast-Roman. Beeindruckend unprätentiös. 

In Nachhinein gar nicht mal schlecht, wenn auch nicht spannend.

Joe Hill ist der Sohn von Stephen King. Hill schreibt so wie der junge King - vintage. Diese Geschichte über einen Ort namens Christmasland, so auch der deutschen Titel, vergisst man so schnell nicht.




Donnerstag, 5. Dezember 2013

Wohnen wie in Kalifornien

Architektur der Moderne: Familie  Hodel  öffnet die Türen ihres Neutra-Bungalows / Häuser erregen deutschlandweit Aufmerksamkeit


Der Tisch im Wohnzimmer ist gedeckt. Es gibt Kuchen und Kaffee. Wir sind im Haus der Familie Professor  Robert Hodel und Pia Hodel-Winicker. Fünf Zimmer, Küche, Bad und ein  kleiner Keller. Das alles  auf 120 Quadratmetern. Plus Carport. Klingt nach einem  beliebigen 08/15-Eigenheim. Doch weit gefehlt: Die Hodels wohnen in einem jener schmucken, kastenartigen  Flachbungalows an der Marienhöhe, die der österreichisch-amerikanische Stararchitekt Richard Neutra (1892 - 1970)  entworfen hat.
Es ist  eine Siedlung mit Häusern, die ein wenig kleiner sind als die großen Villen, die Neutra in den USA gebaut hat, aber denselben architektonischen Charme versprühen und für ein Lebensgefühl stehen, das die Eigentümer nicht missen wollen: Individualität und Nonkonformismus  strahlen diese Bungalows aus, die deutschlandweit das Interesse bei Architekten und Museen erwecken. Fehlt nur noch  die Sonne Kaliforniens.  Doch in Norddeutschland macht sie sich rar.  
Beim  Besuch  ist der  Quickborner Architekt Jens-Olaf Nuckel als Fachmann mit dabei. Er ist ein Freund der Familie.  Das erste Aha-Erlebnisse für mich: Der Wohnraum  hat  eine große Stahlrahmen-Fensterfront,  durch die man in den Garten blickt. Das Dach ragt weit darüber hinaus. „Die Verzahnung von Innen-und Außenraum ist ein Haupt-Merkmal der Neutra-Häuser“, sagt Nuckel.
„Den erweiterten Raum, dieses Gefühl von Weite“, schätzt der Hausherr, der Professor für Slavistik an der Hamburger Universität ist,  genauso wie die Funktionalität der Architektur im Stil der Bauhaus-Tradition. Deswegen hat Neutra auch auf störende Heizkörper verzichtet. Die warme Luft gelangt durch ein Gebläse in die Räume.
„Es gibt keine Lügen in dieser Architektur. Es wird nichts vorgegeben, was man nicht braucht wie zum Beispiel Säulen“, sagt Hodel-Winicker. Die Konstruktion sei so, dass im Winter die  Sonne ins Wohnzimmer voll hereinscheine, im Sommer  jedoch nicht. „Oft stelle ich nachmittags die Heizung ab, weil sich das Wohnzimmer erwärmt wie ein Wintergarten“, berichtet sie.
Die Licht durchfluteten Räume des Hauses:  Als Malerin weiß Hodel-Winicker das  zu schätzen. In einem hat sie ihr Atelier eingerichtet. „Die Funktionalität des Hauses, die klaren Formen, haben mich bei meiner Malerei beeinflusst“, so die Künstlerin.
So wie die Hodels schwärmen heute viele Besitzer eines Neutra-Hauses. Das war nicht immer so. „Friedrich Wilhelm Krüger, der Vater von Liedermacher Mike Krüger, hatte Anfang der 60er Jahre  als Direktor der Hamburger Betreuungs- und Wohnungsbaugesellschaft den Auftrag bekommen,  in Quickborn eine Siedlung zu bauen. Alle bedeutenden Architekten lehnten jedoch ab. Dann fragte man   Richard Neutra und er sagte ‚Ja‘“, berichtet  Nuckel.
Doch die Avantgarde-Bauten, von Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl einmal als „Iglus in der Wüste“ bezeichnet, entwickelten sich zum Ladenhüter. „Statt der geplanten 190 Wohneinheiten ließ die Baugesellschaft nur 67 Bungalows bauen –obwohl jeder Käufer  zu  dem Haus als Zugabe einen VW Käfer bekam“, berichtet Nuckel, der  ein großer Fan von Neutra ist und dem jedes kleinste Detail sofort ins Auge springt. Wie das „Spiderleg“, das wie ein Spinnenbein über den Baukörper hinaus in die Natur ragt. „Es ist deswegen gebaut worden, um die statischen Kräfte nicht in einer dicken Stütze in der Ecke des Fensters abzuleiten. Damit wird die Sicht auf die Natur, auf das Außen eingeschränkt“, erklärt Nuckel die Funktion.
  Wir befinden uns jetzt im Garten, der von den Nachbargrundstücken abgeschirmt zu sein scheint. „Um die Privatsphäre zu schützen, sind die Gärten in der Neutra-Siedlung versetzt“, berichtet Nuckel. Ein weiteres Merkmal von Neutra-Häusern. Obwohl die Funktionalität im Mittelpunkt steht, Neutra hatte bei seiner Architektur immer das Wohl des  Menschen im Sinn.
Dass die Quickborner Traum-Bungalows in den vergangenen Jahren eine Renaissance erfahren haben und das Marta-Museum für zeitgenössische Kunst  in Herford ihnen jüngst eine deutschlandweit Aufsehen erregende Ausstellung widmete (wir berichteten),  ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Siedlung vor neun Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde – trotz vieler Proteste. Einige  der Eigentümer hatten ihre Bungalows zuvor so wild umbauen lassen, dass der typische Neutra-Stil nicht mehr zu erkennen war. Davor schob die Denkmalschutzbehörde jedoch einen Riegel. „Wäre die Neutra-Siedlung nicht unter Denkmalschutz gestellt worden, wären die  Hintergrundstücke auch bebaut worden“, sagt Nuckel.

Bei so viel Begeisterung, fragt man sich, warum Nuckel eigentlich nicht selbst in einem Neutra-Bungalow wohnt. „Ich bin mit Mike Krüger befreundet. Als sein Vater starb und mir die  Familie sein Neutra-Haus angeboten hat, habe ich leider zu lange gezögert –  und dann war das Haus weg.“ sagt Nuckel. Damals hätte der Quickborner Architekt 660000 Mark hinlegen müssen. Heute gehen die Kult-Immobilien der Moderne, die wohl auch in Zukunft an Wert zulegen dürften,  in der Stadt für mehr als 400000 Euro über den Tisch.  Tendenz steigend.


Von René Erdbrügger

Info:
Richard J. Neutra gilt als  einer der wichtigsten Architekten des
20. Jahrhunderts. In Wien geboren wanderte er 1923 in die USA aus, wo er nach Anstellung bei Frank Lloyd Wright und Zusammenarbeit mit Rudolf Schindler 1926 ein eigenes Büro in Los Angeles gründete. Mit seinen ultramodernen Villen, darunter dem Wohnhaus des Hollywood-Regisseurs Josef v. Sternberg (1935), avancierte Neutra bald zu einem der bekanntesten und gefragtesten Architekten in Nordamerika. Zwischen 1960 und 1970  baute er   in Europa Villen und 109 Häuser in Quickborn und Walldorf/Frankfurt. Für  seine Methode wählte Neutra den Begriff des „Biorealismus“. Seine Philosophie: „Es ist  wichtig, dass der Mensch sich stets auch als Teil seiner Umgebung wahrnimmt.“