Samstag, 2. August 2014

Starfotograf in Quickborn gestrandet

Hartwig Valdmanis hat einst die Schönen und Reichen der  Welt abgelichtet – heute kümmert er sich  um seine kranke Tochter

Quickborn Hartwig Valdmanis (62) wartet draußen,  obwohl es für die Jahreszeit recht frisch ist. Er blättert in einer Tageszeitung. Nach einer herzlichen Begrüßung geht  es  in einen Anbau des weißen Bungalows, in dem er mit seiner Familie wohnt. Graue Metallschränke  stehen in dem kleinen Raum, in denen  sein Foto- und Videoarchiv untergebracht ist – Zeugnis einer beispiellosen Karriere als Fotograf.
Hartwig Valdmanis erzählt aus seinem Leben. Fotos (6): Erdbrügger
Valdmanis  hat sie alle vor der Linse gehabt: die Schönen und Reichen dieser Welt, die Stars und Sternchen, den Jahrmarkt der Eitelkeiten der vergangenen vier Dekaden. Von Tina Turner, den „Stones“, Lady Di und Leonard Bernstein über Helmut Schmidt   und die Queen bis hin zu Oliver Kahn. Der Star-fotograf, den seine Kollegen und Freunde „Valdi“ nennen,  jettete um die Welt für ein Foto, „jagte“ Steffi Graf in New York und lauerte vor Dieter Bohlens Haus. Er besuchte Weltmeister- und Europameisterschaften und  reiste zu den Filmfestspielen nach Cannes.


Der Starfotograf, der mit acht Jahren zum ersten Mal zur Kamera griff,  war gut im Geschäft: Während der Zeiten, als die Zeitungsverlage noch kräftig zahlten, gab's 20000 Euro für eines seiner Fotos. Bild, Stern und die Bunte lichteten seine Porträts ab. Valdmanis gründete seine eigene Agentur: „Foto Press International“. 17 Fotografen arbeiteten für ihn. Fünf Jahre lang war er der Einzige, der bei der NDR-Talkshow Fotos schießen und diese selbst vermarkten durfte. Schon deshalb möchte er nicht als Paparazzo bezeichnet werden: „Ich bin nie über  Zäune gestiegen und habe nie durch Schlüssellöcher fotografiert.“
So hätte es immer weitergehen können, doch auf dem Zenit seiner Karriere schlug das Schicksal  erbarmungslos zu: Seine Tochter Jennifer, heute 26,  hatte einen schweren Unfall. Während der Behandlungen stellten die  Ärzte darüber hinaus fest, dass Jennifer an einer unheilbaren Muskelerkrankung leidet, die sie an den Rollstuhl fesseln sollte.


Der Starfotograf zog die Konsequenzen: Er löste seine Firma auf, verkaufte sein Haus in Niendorf und zog nach Quickborn in einen Bungalow, den er behindertengerecht umbauen ließ.   „Ich will die nächsten  Jahre uneingeschränkt für Jennifer da sein. Sie muss 24 Stunden am Tag beaufsichtigt werden“, sagt Valdmanis. Und das zieht er ohne wenn und aber durch. Der Fotograf, der für die Hamburger Morgenpost als Polizeireporter gearbeitet hat und die Kieler Redaktion der Bild-Zeitung leitete, lebt heute von wenig Geld.  Seine Frau, die mit dem Mediengeschäft nichts am Hut ab, geht als Kassiererin arbeiten.
„Ich bin in Quickborn gestrandet“, sagt der Mann mit den grauen langen Haaren und dem grauen Vollbart. Etwa so  wie ein Wal an einem unbekannten Strand.

Gern hätte Valdmanis sein riesiges Archiv, das aus Dias, Negativen, Fotos und 5000 Betamax-Kassetten besteht, für viel  Geld verkauft, doch das digitale Medienzeitalter hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die großen Agenturen wie DPA und Reuters gaben ihm eine Korb: „Mensch, Valdi. Das ist ein tolles Archiv, aber die Sachen sind nicht digitalisiert“, musste er sich anhören, denn die Umwandlung sei sehr teuer. „Aber ich  trenne mich ungern von meinen Arbeiten“, sagt der Fotograf.  So bringt er Fotobände seiner Porträts in Eigenregie heraus. Dennoch sind von einer Million Dias und Negativen nur noch 100000 übrig geblieben.  Valdmanis schätzt, dass er zehn Jahre dafür brauchen wird, sie auf Computer und CDs zu übertragen. 

Wenn auch ein großer Teil seiner Fotos vernichtet sind, in seinem Kopf hat er all die Aufnahmen gespeichert.  Er wirft einen kurzen Blick auf einen gelben Spickzettel hat, den er sich gemacht, und   schon laufen vor seinem Auge die Kopffilme zu den Präliminarien der Shootings ab.

Als Weizsäcker seine Rede in Israel an der Klagemauer hielt, abgeschirmt von einem Zelt,  war Valdmanis mit dabei. „Eigentlich durfte man überhaupt nicht fotografieren. Ich habe es trotzdem getan. Weizsäcker hat nur geschmunzelt“, erinnert er sich.  Während der Trauerfeier von Olof Palme sprach Honecker den Starfotografen an. „Ob ich ihn mit Johannes Rau fotografieren könne. Das habe ich getan und später von beiden Dankesschreiben erhalten.“ Und so geht es weiter:  Für Karl Lagerfeld und Chanel hat  „Valdi“ im Backstage-Bereich gearbeitet und einen Blick auf Claudia Schiffer „oben ohne“ werfen dürfen.  „Da denkt man gern dran zurück“, sagt er und schmunzelt. Genauso wie an Jessica Stockmanns nackten Busen, den der Fotograf nur durch Zufall vor seine Linse bekam, als er mit dem langen Tele während eines Tennis-Turniers am Rothenbaum die Reihen abgraste. „Sie zog ihren Pullover aus und dabei rutschte das T-Shirt nach oben.“ In Sibirien hat Valdmanis  alte Ölraffinerien aufgenommen. „Es brodelte, qualmte und zischte.“ Um Bilder vom Absturz der Maschine zu machen, in der Uli Hoeneß saß, sei er um Mitternacht durchs Moor gelaufen.



Man könnte ihm noch stundenlang zuhören, wie er eine Geschichte nach der anderen erzählt. „Andere haben vielleicht ein Erlebnis gehabt, sind  mal über den roten Teppich gegangen. Ich habe fast jeden Tag solche Erlebnisse gehabt.  Je mehr ich erzähle, desto unglaubwürdiger erscheint es.  Ich kann es aber alles beweisen und belegen.“

Von René Erdbrügger

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