Hartwig
Valdmanis hat einst die Schönen und Reichen der Welt abgelichtet –
heute kümmert er sich um seine kranke Tochter
Quickborn Hartwig
Valdmanis (62) wartet draußen, obwohl es für die Jahreszeit
recht frisch ist. Er blättert in einer Tageszeitung. Nach einer
herzlichen Begrüßung geht es in einen Anbau des weißen Bungalows, in
dem er mit seiner Familie wohnt. Graue Metallschränke stehen in dem
kleinen Raum, in denen sein Foto- und Videoarchiv untergebracht
ist – Zeugnis einer beispiellosen Karriere als Fotograf.
Hartwig Valdmanis erzählt aus seinem Leben. Fotos (6): Erdbrügger |
Der Starfotograf, der mit acht Jahren zum ersten
Mal zur Kamera griff, war gut im Geschäft: Während der Zeiten, als die
Zeitungsverlage noch kräftig zahlten, gab's 20000 Euro für eines seiner
Fotos. Bild, Stern und die Bunte lichteten
seine Porträts ab. Valdmanis gründete seine eigene Agentur: „Foto Press
International“. 17 Fotografen arbeiteten für ihn. Fünf Jahre lang war
er der Einzige, der bei der NDR-Talkshow Fotos schießen und diese selbst
vermarkten durfte. Schon deshalb möchte er
nicht als Paparazzo bezeichnet werden: „Ich bin nie über Zäune
gestiegen und habe nie durch Schlüssellöcher fotografiert.“
So hätte es immer weitergehen können, doch auf dem
Zenit seiner Karriere schlug das Schicksal erbarmungslos zu: Seine
Tochter Jennifer, heute 26, hatte einen schweren Unfall. Während der
Behandlungen stellten die Ärzte darüber hinaus
fest, dass Jennifer an einer unheilbaren Muskelerkrankung leidet, die
sie an den Rollstuhl fesseln sollte.
Der Starfotograf zog die Konsequenzen: Er löste
seine Firma auf, verkaufte sein Haus in Niendorf und zog nach Quickborn
in einen Bungalow, den er behindertengerecht umbauen ließ. „Ich will
die nächsten Jahre uneingeschränkt für Jennifer
da sein. Sie muss 24 Stunden am Tag beaufsichtigt werden“, sagt
Valdmanis. Und das zieht er ohne wenn und aber durch. Der Fotograf, der
für die Hamburger Morgenpost als Polizeireporter gearbeitet hat und die
Kieler Redaktion der Bild-Zeitung leitete, lebt
heute von wenig Geld. Seine Frau, die mit dem Mediengeschäft nichts am
Hut ab, geht als Kassiererin arbeiten.
„Ich bin in Quickborn gestrandet“, sagt der Mann
mit den grauen langen Haaren und dem grauen Vollbart. Etwa so wie ein
Wal an einem unbekannten Strand.
Gern hätte Valdmanis sein riesiges Archiv, das aus
Dias, Negativen, Fotos und 5000 Betamax-Kassetten besteht, für viel
Geld verkauft, doch das digitale Medienzeitalter hat ihm einen Strich
durch die Rechnung gemacht. Die großen Agenturen
wie DPA und Reuters gaben ihm eine Korb: „Mensch, Valdi. Das ist ein
tolles Archiv, aber die Sachen sind nicht digitalisiert“, musste er sich
anhören, denn die Umwandlung sei sehr teuer. „Aber ich trenne mich
ungern von meinen Arbeiten“, sagt der Fotograf.
So bringt er Fotobände seiner Porträts in Eigenregie heraus. Dennoch
sind von einer Million Dias und Negativen nur noch 100000 übrig
geblieben. Valdmanis schätzt, dass er zehn Jahre dafür brauchen wird,
sie auf Computer und CDs zu übertragen.
Wenn auch ein großer Teil seiner Fotos vernichtet
sind, in seinem Kopf hat er all die Aufnahmen gespeichert. Er wirft
einen kurzen Blick auf einen gelben Spickzettel hat, den er sich
gemacht, und schon laufen vor seinem Auge die Kopffilme
zu den Präliminarien der Shootings ab.
Als Weizsäcker seine Rede in Israel an der
Klagemauer hielt, abgeschirmt von einem Zelt, war Valdmanis mit dabei.
„Eigentlich durfte man überhaupt nicht fotografieren. Ich habe es
trotzdem getan. Weizsäcker hat nur geschmunzelt“, erinnert
er sich. Während der Trauerfeier von Olof Palme sprach Honecker den
Starfotografen an. „Ob ich ihn mit Johannes Rau fotografieren könne. Das
habe ich getan und später von beiden Dankesschreiben erhalten.“ Und so
geht es weiter: Für Karl Lagerfeld und Chanel
hat „Valdi“ im Backstage-Bereich gearbeitet und einen Blick auf
Claudia Schiffer „oben ohne“ werfen dürfen. „Da denkt man gern dran
zurück“, sagt er und schmunzelt. Genauso wie an Jessica Stockmanns
nackten Busen, den der Fotograf nur durch Zufall vor seine
Linse bekam, als er mit dem langen Tele während eines Tennis-Turniers
am Rothenbaum die Reihen abgraste. „Sie zog ihren Pullover aus und dabei
rutschte das T-Shirt nach oben.“ In Sibirien hat Valdmanis alte
Ölraffinerien aufgenommen. „Es brodelte, qualmte
und zischte.“ Um Bilder vom Absturz der Maschine zu machen, in der Uli
Hoeneß saß, sei er um Mitternacht durchs Moor gelaufen.
Man könnte ihm noch stundenlang zuhören, wie er
eine Geschichte nach der anderen erzählt. „Andere haben vielleicht ein
Erlebnis gehabt, sind mal über den roten Teppich gegangen. Ich habe
fast jeden Tag solche Erlebnisse gehabt. Je mehr
ich erzähle, desto unglaubwürdiger erscheint es. Ich kann es aber
alles beweisen und belegen.“
Von René Erdbrügger
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