Anspruchsvoller
Blockbuster: Die „Planet der Affen“-Fortsetzung ist ein Lehrstück über
die Zerbrechlichkeit des Friedens
Wie viel Affe steckt im Menschen, wie
viel Mensch im Affen? Das Erbmaterial beider Spezies
stimmt in großen Teilen überein. Schimpansen haben sogar bis zu 99
Prozent der menschlichen Gene. Doch dieser Unterschied von einem Prozent
macht eben den Unterschied aus, bestimmt, wer der Herr der Schöpfung
ist. Was aber wäre, wenn es zu einer Genmutation
käme, die den Affen zu einem Evolutionssprung verhelfen würde?
Von dieser Prämisse geht die vor 46Jahren
gestartete „Planet der Affen“-Reihe aus. Der erste Film aus dem Jahr
1968 mit Charlton Heston basiert auf dem Buch des französischen
Schriftstellers Pierre Boulle (1912 -1994). Regisseur Matt
Reeves („Cloverfield“) setzt die Serie nun mit „Revolution“ fort. Der
Vorgänger „Prevolution“, der 2011 erfolgreich in den Kinos lief, endet
mit dem Aufstand der Affen, angeführt durch den Schimpansen Ceasar.
Die Fortsetzung spielt zehn Jahre später: Das
einst aus einem Forschungslabor freigesetzte Virus hat den größten Teil
der Menschheit dahingerafft, die Affen hingegen schlauer gemacht. Eine
Kolonie von Menschen lebt in den Ruinen von San
Francisco, das Volk der Affen in den umliegenden Wäldern.
Wie in einer Natur-DokuDie ersten 20 Minuten sind
allerdings ganz den „Tieren“ gewidmet: Eine dynamische Sequenz, die wie
eine hyperrealistische Natur-Doku der BBC anmutet, gibt Einblicke in
das soziale Verhalten und die Hierarchie dieses
Affenvolkes nebst Rotwildjagd und der Geburt eines Jungen.
Die Affen kommunizieren per Zeichensprache und
werden von dem hochintelligenten und zur Reflektion fähigen Schimpansen
Caesar angeführt. Dieser beherrscht zwar auch rudimentär die menschliche
Sprache, aber er ist misstrauisch gegenüber
der Spezies Mensch.
So folgt die Affenbande seinen moralischen
Prinzipien: „Ein Affe tötet keinen Affen“. Es scheint der Beginn einer
neuen zivilisierten Gesellschaft aus Orang-Utans, Gorillas,
Schimpansen und Bonobos. Reeves und seine drei Drehbuchautoren
schaffen damit einen visionären Gegenentwurf – auch wenn sie ihn nicht
konsequent zu Ende denken – zur pessimistischen Prolog-Szene aus
„2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968), in der ein Menschenaffe nach einer
Art kosmischem Evolutionsschub einen Artgenossen
mit einem Knochen totprügelt – Regisseur Stanley Kubrick ging konform
mit jenen Verhaltensforschern, die Aggression als Antrieb für die
Entwicklung sehen.
Gespielt wird Caesar abermals von dem britischen
Schauspieler Andy Serkis. Dabei bedienen sich nicht nur Serkis, sondern
auch die anderen Affen-Darsteller des Performance-Capture-Verfahrens:
Bewegung und Mimik der Schauspieler, die spezielle
Körperanzüge tragen, werden dabei im realen Set aufgenommen. Später
verwandeln sich die Schauspieler mithilfe grafischer Effekte in
Primaten. Jede Gefühlsregung, von Liebe über Kummer bis Hass, spiegelt
sich dann in den Affengesichtern wider.
Dagegen wirken die menschlichen Charaktere blass.
Zur Konfrontation kommt es, als eine Gruppe, angeführt von dem zu
Kompromissen bereiten Ehepaar Malcom (Jason Clarke) und Ellie (Keri
Russell), auf ihrem Weg zu einem Stausee, der zur Stromgewinnung
für San Francisco genutzt werden soll, das Gebiet der Affen
durchqueren muss. Caesar schließt mit den Menschen ein Friedensabkommen,
das aber auf beiden Seiten seine Skeptiker hat: Für den Anführer der
Kolonie, Dreyfus (Gary Oldmam; „Batman“), sind die Affen
schuld am Ausbrechen des Virus.
Offene RechnungHier die guten Affen, dort die bösen
Menschen – dieser vereinfachten Dualität folgt das Drehbuch jedoch
nicht. Der einst geschundene Laboraffe Koba (Toby Kebbell) – seine
milchigen Augen und sein Narbengesicht lassen gar
Böses erahnen – hat noch eine Rechnung mit seinen Peinigern offen. Wie
viel Mensch in Koba, der rechten Hand von Caesar, und den von ihm
angestachelten Primaten steckt, werden alle Beteiligten bitter zu spüren
bekommen. Hier zieht der Plot den Bogen zum
Shakespeare'schen Königsdrama „Julius Cäsar“ über Macht, Loyalität und
Verrat, aber auch zum ewig schwelenden Konflikt zwischen
Palästinensern und Israelis.
Für einen Sommerblockbuster ist „Revolution“,
selbstverständlich in 3D aufgenommen, somit ziemlich ungewöhnlich:
Wenige Locations, kaum Actionszenen, dafür aber Dialoge beispielsweise
über den Sinn und Unsinn des Krieges im Angesicht einer
Bedrohung. „Planet der Affen – Revolution“ ist ein parabelhaftes
Lehrstück, das die Zerbrechlichkeit des Friedens auf eindringliche Weise
bewusst macht, und ein echter Anti-Kriegs-Film, wie er in seiner
Eindringlichkeit schon lange nicht mehr zu sehen war.
*****
Von René Erdbrügger
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