Sonntag, 24. August 2014

"Lucy"- Blondine mit Killerinstinkt

Ob „Nikita“, „Léon – Der Profi“ oder „Johanna von Orleans“ – wenn junge, attraktive Frauen in seinen Filmen die Heldinnen sind, zahlt sich das für den  französischen Regisseur Luc Besson immer aus.  Nach Parillaud, Portman und  Jovovich nun Hollywoodstar Scarlett Johansson (29). In der Rolle der Lucy, so auch der Filmtitel, wird sie in einen gefährlichen Handel verwickelt und gezwungen, in ihrem Körper synthetische Drogen zu schmuggeln, die aber in ihren Blutkreislauf geraten und Lucy zu einer Einzelkämpferin mit übermenschlichen Kräften mutieren lassen. Je mehr Gedanken-Power sie dazugewinnt, umso stärker werden ihre Fähigkeiten: Eine brutale Gang, die ihr auf den Fersen ist, steckt sie ebenso in die Tasche wie den Top-Hirnforscher Norman (Morgan Freeman), der über die noch nicht ausgeschöpften Fähigkeiten des Gehirns referieren darf. Ein bisschen pseudointellektuelles Futter für die grauen Zellen.
Die wahren Helden dieses Action-SF-Esoterik-Films, der seine Geschichte in 90 Minuten zu erzählen weiß, sind nämlich die Effekte: In Sekundenschnelle scannt Lucy Mensch und Maschine, lässt Gangster durch die Luft fliegen und reist durch Raum und Zeit, bis sie sich ganz auflöst und nur noch Bewusstsein ist.
So sind die letzten 20 Minuten eine gelungene Hommage an die Film-Klassiker der SF:  von "Der Mann mit den Röntgenaugen" bis zu "2001". 
Dass Besson kürzlich in einem Interview gesagt hat, es werde keine Fortsetzung von "Lucy" geben, obwohl der Streifen ein Riesenerfolg an der Kinokasse ist, geht auch in Ordnung, denn es ist alles erzählt worden - und zwar rund und gut. (erd)
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Donnerstag, 7. August 2014

Nachtlektüre (2014/42): Patricia Highsmith: "Der Geschichtenerzähler" (Diogenes)


"Planet der Affen - Revolution" - "Ein Affe tötet keinen Affen“

Anspruchsvoller Blockbuster: Die „Planet der Affen“-Fortsetzung ist ein Lehrstück über die Zerbrechlichkeit des Friedens

Wie viel Affe steckt im Menschen, wie viel Mensch im Affen? Das Erbmaterial beider Spezies stimmt in  großen Teilen überein. Schimpansen haben sogar bis zu 99 Prozent der menschlichen Gene. Doch dieser Unterschied von einem Prozent macht eben den Unterschied aus, bestimmt, wer der Herr der Schöpfung ist. Was aber wäre, wenn es zu einer Genmutation käme, die den Affen zu einem Evolutionssprung verhelfen würde?
Von dieser Prämisse geht die vor  46Jahren  gestartete „Planet der Affen“-Reihe aus.  Der  erste Film  aus dem Jahr 1968 mit Charlton Heston basiert auf dem Buch des französischen Schriftstellers Pierre Boulle (1912 -1994). Regisseur Matt Reeves („Cloverfield“) setzt die Serie nun  mit „Revolution“ fort. Der Vorgänger „Prevolution“, der 2011 erfolgreich in den Kinos lief, endet mit dem Aufstand der Affen, angeführt durch den Schimpansen Ceasar.
Die Fortsetzung  spielt zehn Jahre später: Das einst aus einem Forschungslabor freigesetzte Virus hat den größten Teil der Menschheit dahingerafft, die Affen hingegen schlauer gemacht.  Eine Kolonie von Menschen lebt in den Ruinen von San Francisco,  das Volk der Affen in den umliegenden Wäldern.
Wie in einer Natur-DokuDie ersten 20 Minuten sind  allerdings ganz den  „Tieren“ gewidmet: Eine dynamische Sequenz, die wie eine hyperrealistische Natur-Doku der BBC anmutet, gibt Einblicke in das soziale Verhalten und die Hierarchie dieses Affenvolkes nebst Rotwildjagd und der Geburt eines Jungen.
Die Affen kommunizieren  per Zeichensprache und werden von dem hochintelligenten und zur Reflektion fähigen Schimpansen Caesar angeführt. Dieser beherrscht zwar auch rudimentär die menschliche Sprache, aber er ist misstrauisch  gegenüber der Spezies Mensch.
So folgt die  Affenbande seinen moralischen Prinzipien: „Ein Affe tötet keinen Affen“.   Es scheint der Beginn einer neuen zivilisierten Gesellschaft aus  Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos. Reeves und seine drei Drehbuchautoren schaffen damit einen visionären Gegenentwurf –  auch wenn sie ihn nicht konsequent zu Ende denken –  zur  pessimistischen Prolog-Szene aus „2001  – Odyssee im Weltraum“ (1968), in der ein Menschenaffe nach einer Art kosmischem Evolutionsschub einen Artgenossen mit einem Knochen totprügelt –  Regisseur Stanley Kubrick ging konform mit jenen Verhaltensforschern, die  Aggression als Antrieb für die Entwicklung  sehen.
Gespielt wird Caesar abermals von dem britischen Schauspieler Andy Serkis. Dabei bedienen sich nicht nur Serkis, sondern auch die anderen Affen-Darsteller des Performance-Capture-Verfahrens:  Bewegung und Mimik der Schauspieler, die spezielle Körperanzüge tragen, werden dabei im realen Set aufgenommen. Später verwandeln sich die Schauspieler mithilfe grafischer Effekte in Primaten.   Jede Gefühlsregung, von Liebe über Kummer bis Hass, spiegelt sich dann in den Affengesichtern wider.
Dagegen wirken die menschlichen Charaktere blass.  Zur Konfrontation kommt es, als eine Gruppe, angeführt von dem zu Kompromissen bereiten Ehepaar Malcom (Jason Clarke) und Ellie (Keri Russell), auf ihrem Weg zu einem Stausee, der zur Stromgewinnung für San Francisco genutzt werden soll,  das Gebiet der Affen durchqueren muss. Caesar schließt mit den Menschen ein Friedensabkommen, das aber auf beiden Seiten seine Skeptiker hat: Für den Anführer der Kolonie, Dreyfus (Gary Oldmam; „Batman“), sind die Affen schuld am Ausbrechen des Virus.
Offene RechnungHier die guten Affen, dort die bösen Menschen –  dieser vereinfachten Dualität folgt das Drehbuch jedoch nicht. Der einst geschundene Laboraffe Koba (Toby Kebbell) –  seine milchigen Augen und sein Narbengesicht lassen gar Böses erahnen –  hat noch eine Rechnung mit seinen Peinigern offen. Wie viel Mensch in Koba, der rechten Hand von Caesar,  und den von ihm angestachelten Primaten steckt, werden alle Beteiligten bitter zu spüren bekommen. Hier zieht der Plot  den Bogen zum Shakespeare'schen Königsdrama „Julius Cäsar“ über Macht, Loyalität und Verrat, aber auch  zum  ewig schwelenden  Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. 
Für einen Sommerblockbuster ist „Revolution“, selbstverständlich in 3D aufgenommen,  somit ziemlich ungewöhnlich: Wenige Locations, kaum Actionszenen, dafür aber Dialoge beispielsweise über den Sinn und Unsinn des Krieges im Angesicht einer Bedrohung. „Planet der Affen –  Revolution“ ist ein parabelhaftes Lehrstück, das die Zerbrechlichkeit des Friedens auf eindringliche Weise bewusst macht, und ein echter Anti-Kriegs-Film, wie er in seiner Eindringlichkeit schon lange nicht mehr zu sehen war.
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Von René Erdbrügger



Samstag, 2. August 2014

Neuer Teaser-Trailer: "Interstellar"

Selten einen Trailer gesehen, der so viel Emotionen hat...Womöglich der Film des Jahres.

Nachtlektüre (2014/41): Peter Swanson: "Die Unbekannte" (Blanvalet)


„Jersey Boys": Amerikas erste Boygroup

„Sherry“, „Big Girls Don’t Cry“, „Walk Like a Man“, „Dawn“, „Rag Doll“, „Bye Bye Baby“ und  „Who Loves You“ -  das waren nur einige Hits von Frankie Valli und den  Four Seasons. Regisseur Clint Eastwood hat das mit dem  amerikanischen Theaterpreis Tony ausgezeichnete Musicals „Jersey Boys“ auf die Leinwand gebracht. Mit nostalgischem Blick und Liebe zum Detail.  Der Film erzählt die Geschichte von den jungen italoamerikanischen Männern aus einem Armeleuteviertel in New Jersey auf dem Weg zum Erfolg - Amerikas erste Boygroup.  ****

"Nashville" - Season 2: The Show must go on


Zweite Staffel der Serie  rund um zwei Konkurrentinnen in der Country-Musik-Szene von Nashville. Dabei stehen diesmal die Beziehungen der beiden Frauen im Mittelpunkt. Auch Patriotismus kommt nicht zu kurz. Die großartige Musik versöhnt. ***

"Californication" - Season 6: Suff und Sex in L.A.




Neue wilde Abenteuer von David Duchovny als durchtriebener Frauenheld, Autor und Alkoholiker Hank Moody. Immer noch sehenswert und urkomisch. ****

Starfotograf in Quickborn gestrandet

Hartwig Valdmanis hat einst die Schönen und Reichen der  Welt abgelichtet – heute kümmert er sich  um seine kranke Tochter

Quickborn Hartwig Valdmanis (62) wartet draußen,  obwohl es für die Jahreszeit recht frisch ist. Er blättert in einer Tageszeitung. Nach einer herzlichen Begrüßung geht  es  in einen Anbau des weißen Bungalows, in dem er mit seiner Familie wohnt. Graue Metallschränke  stehen in dem kleinen Raum, in denen  sein Foto- und Videoarchiv untergebracht ist – Zeugnis einer beispiellosen Karriere als Fotograf.
Hartwig Valdmanis erzählt aus seinem Leben. Fotos (6): Erdbrügger
Valdmanis  hat sie alle vor der Linse gehabt: die Schönen und Reichen dieser Welt, die Stars und Sternchen, den Jahrmarkt der Eitelkeiten der vergangenen vier Dekaden. Von Tina Turner, den „Stones“, Lady Di und Leonard Bernstein über Helmut Schmidt   und die Queen bis hin zu Oliver Kahn. Der Star-fotograf, den seine Kollegen und Freunde „Valdi“ nennen,  jettete um die Welt für ein Foto, „jagte“ Steffi Graf in New York und lauerte vor Dieter Bohlens Haus. Er besuchte Weltmeister- und Europameisterschaften und  reiste zu den Filmfestspielen nach Cannes.


Der Starfotograf, der mit acht Jahren zum ersten Mal zur Kamera griff,  war gut im Geschäft: Während der Zeiten, als die Zeitungsverlage noch kräftig zahlten, gab's 20000 Euro für eines seiner Fotos. Bild, Stern und die Bunte lichteten seine Porträts ab. Valdmanis gründete seine eigene Agentur: „Foto Press International“. 17 Fotografen arbeiteten für ihn. Fünf Jahre lang war er der Einzige, der bei der NDR-Talkshow Fotos schießen und diese selbst vermarkten durfte. Schon deshalb möchte er nicht als Paparazzo bezeichnet werden: „Ich bin nie über  Zäune gestiegen und habe nie durch Schlüssellöcher fotografiert.“
So hätte es immer weitergehen können, doch auf dem Zenit seiner Karriere schlug das Schicksal  erbarmungslos zu: Seine Tochter Jennifer, heute 26,  hatte einen schweren Unfall. Während der Behandlungen stellten die  Ärzte darüber hinaus fest, dass Jennifer an einer unheilbaren Muskelerkrankung leidet, die sie an den Rollstuhl fesseln sollte.


Der Starfotograf zog die Konsequenzen: Er löste seine Firma auf, verkaufte sein Haus in Niendorf und zog nach Quickborn in einen Bungalow, den er behindertengerecht umbauen ließ.   „Ich will die nächsten  Jahre uneingeschränkt für Jennifer da sein. Sie muss 24 Stunden am Tag beaufsichtigt werden“, sagt Valdmanis. Und das zieht er ohne wenn und aber durch. Der Fotograf, der für die Hamburger Morgenpost als Polizeireporter gearbeitet hat und die Kieler Redaktion der Bild-Zeitung leitete, lebt heute von wenig Geld.  Seine Frau, die mit dem Mediengeschäft nichts am Hut ab, geht als Kassiererin arbeiten.
„Ich bin in Quickborn gestrandet“, sagt der Mann mit den grauen langen Haaren und dem grauen Vollbart. Etwa so  wie ein Wal an einem unbekannten Strand.

Gern hätte Valdmanis sein riesiges Archiv, das aus Dias, Negativen, Fotos und 5000 Betamax-Kassetten besteht, für viel  Geld verkauft, doch das digitale Medienzeitalter hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die großen Agenturen wie DPA und Reuters gaben ihm eine Korb: „Mensch, Valdi. Das ist ein tolles Archiv, aber die Sachen sind nicht digitalisiert“, musste er sich anhören, denn die Umwandlung sei sehr teuer. „Aber ich  trenne mich ungern von meinen Arbeiten“, sagt der Fotograf.  So bringt er Fotobände seiner Porträts in Eigenregie heraus. Dennoch sind von einer Million Dias und Negativen nur noch 100000 übrig geblieben.  Valdmanis schätzt, dass er zehn Jahre dafür brauchen wird, sie auf Computer und CDs zu übertragen. 

Wenn auch ein großer Teil seiner Fotos vernichtet sind, in seinem Kopf hat er all die Aufnahmen gespeichert.  Er wirft einen kurzen Blick auf einen gelben Spickzettel hat, den er sich gemacht, und   schon laufen vor seinem Auge die Kopffilme zu den Präliminarien der Shootings ab.

Als Weizsäcker seine Rede in Israel an der Klagemauer hielt, abgeschirmt von einem Zelt,  war Valdmanis mit dabei. „Eigentlich durfte man überhaupt nicht fotografieren. Ich habe es trotzdem getan. Weizsäcker hat nur geschmunzelt“, erinnert er sich.  Während der Trauerfeier von Olof Palme sprach Honecker den Starfotografen an. „Ob ich ihn mit Johannes Rau fotografieren könne. Das habe ich getan und später von beiden Dankesschreiben erhalten.“ Und so geht es weiter:  Für Karl Lagerfeld und Chanel hat  „Valdi“ im Backstage-Bereich gearbeitet und einen Blick auf Claudia Schiffer „oben ohne“ werfen dürfen.  „Da denkt man gern dran zurück“, sagt er und schmunzelt. Genauso wie an Jessica Stockmanns nackten Busen, den der Fotograf nur durch Zufall vor seine Linse bekam, als er mit dem langen Tele während eines Tennis-Turniers am Rothenbaum die Reihen abgraste. „Sie zog ihren Pullover aus und dabei rutschte das T-Shirt nach oben.“ In Sibirien hat Valdmanis  alte Ölraffinerien aufgenommen. „Es brodelte, qualmte und zischte.“ Um Bilder vom Absturz der Maschine zu machen, in der Uli Hoeneß saß, sei er um Mitternacht durchs Moor gelaufen.



Man könnte ihm noch stundenlang zuhören, wie er eine Geschichte nach der anderen erzählt. „Andere haben vielleicht ein Erlebnis gehabt, sind  mal über den roten Teppich gegangen. Ich habe fast jeden Tag solche Erlebnisse gehabt.  Je mehr ich erzähle, desto unglaubwürdiger erscheint es.  Ich kann es aber alles beweisen und belegen.“

Von René Erdbrügger