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Der Lyriker Timo Brandt. Foto: Erdbrügger |
Quickborn „Gedichte schreiben ist eine brotlose Kunst
in Deutschland“, sagt Timo Brandt (21). Da macht
er sich keine Illusionen. Es hält den Quickborner aber auch nicht
davon ab. „Ich schreibe jeden Tag mehr als eine Seite“, sagt er. Lyrik
– das ist seine Passion. Auch wenn sich in den Programmen der großen
Verlage derzeit kaum junge Lyriker finden, so sorgen
doch einige wenige dafür, dass jungen Autoren eine Plattform geboten
wird, ihre Werke einem Publikum vorzustellen.
Wie beim Treffen junger Autoren im Haus der
Berliner Festspiele. Aus 1000 Bewerbern wurde Brandt ausgewählt. Die
Wettbewerbsjury – darunter die Schriftstellerinnen Rabea Edel und
Kirsten Fuchs sowie die Verlegerin Daniela Seel und der
Dramatiker Thomas Freyer – hatte getagt und 20 Preisträgerinnen und
Preisträger ausgewählt. Ein Ritterschlag für einen jungen Poeten. Im
Rahmen dieses Wettbewerbs betraten Autoren wie Finn-Ole Heinrich
(„Räuberhände“) und Tamara Bach („Was vom Sommer übrig
ist“) zum ersten Mal die literarische Bühne.
„Es war meine erste Lesung überhaupt“, sagt Brandt.
Mit mehreren Gedichten zog er das Publikum in seinen Bann. Darunter
auch „Knirschen“ – ein Naturgedicht, an dem auch Freunde der Verse von
Sarah Kirsch ihre Freude haben. Im Lauf der Woche
nahm Brandt an einem Campus-Programm teil: Mit den Autorinnen und
Autoren wurde in Workshops über die Texte gesprochen. „Wir haben uns
ausgetauscht. Es wurde aber keines meiner Gedichte verrissen. Man muss
es sich wie einen Dialog über die Texte vorstellen.
Ich habe es als sehr angenehm empfunden. “
Dass die Verlegerin Daniela Seel dabei gewesen sei,
sei gut für Bewerbungen. Sicher ist, dass im Zuge des Treffens der
jungen Autoren eine Jahrgangsanthologie im Februar erscheinen soll, in
der auch einige Gedichte von Brandt abgedruckt
sein werden. Es ist seine erste Veröffentlichung. Doch der junge Poet
aus Quickborn mit der hohen Denkerstirn und dem Dreitagebart bleibt
bescheiden: „Ich war sehr beeindruckt von den Leuten, die Prosa
schreiben.“ Der Lyrik will er jedoch treu bleiben. Er
fährt dabei zweigleisig: „Ich lese sehr gern und ebenso gern schreibe
ich über Literatur und meine Leseerlebnisse.“ Das schlägt sich auch in
Essays und Besprechungen von Lyrik anderer Autoren nieder. „Damit will
ich einen Fuß in die Tür bekommen“, sagt Brandt,
der kein Abitur hat, weil er wegen einer Erkrankung das Gymnasium
verlassen musste.
Mit 12, 13 Jahren habe er angefangen zu schreiben,
mit 17 mit Anspruch. Seine Vorbilder sind Ted Hughes, Joseph Brodsky
und Anna Achmatova. Über die russische Dichterin hat der Quickborner
ein Gedicht geschrieben mit dem Titel „Requiem
auf Anna Achmatowa“. Warum schreibt er? „Mich fasziniert die Vielfalt
der Ideen und Herangehensweisen, die nicht im Alphabet enthalten sind,
aber sich im Schreiben niederschlagen – in dem, was passiert, wenn man
die Buchstaben nach gedanklichen und intuitiven
Gesichtspunkten als Begriffe kombiniert und diese Begriffe in ihrer
Kombination dann wieder über sich hinauswachsen.“ Seiner Lyrik ein
Etikett zu geben, findet er schwierig.
Auch wenn es banal klingt: Brandts Gedichte
sprechen für sich. Wie das zum Tode von Lou Reed, dessen Musik er liebt.
So wie die von Bob Dylan und der legendären englischen Band „The
Clash“. Kein Wunder, dass „Für Lou Reed (died 27th October
2013)“ auch wie ein Songtext gelesen werden kann („The SoundHound
bites/ and hope is bleeding/to death/or to
life…The voice of Lou Reed“), obwohl das Poem ironisch endet: „Wer
schreibt schon Gedichte/die Welt liebt Musik.“ Mag sein.
Wenn aber einer so schreiben kann wie Brandt, hat Lyrik eine Zukunft.
Vom Timo Brandt wird man noch viel hören – und lesen.
René Erdbrügger
Auswahl:
Knirschen
für Angela Seitz
Schnee,
immer getrennt von seinem Anblick, seinem Moment,
wie eine Idee von Weiß,
die sich zur Luft gesellt, wenn die Welt
schweigen soll
und alles nur aus seiner Geste lebt
und nicht aus seinem Sein, das ruht
wie auch
er selbst
in dieser Stille,
der weiße, graue, schöne
atem(be)raubende
Schnee.
Himmeltief
und jenseits seiner Träume.
(Timo Brandt)
Für Lou Reed (died 27th October 2013)
I
Gitarrenklänge setzen ein
wie Fetzen und Funken
von Nikotin…
Lachende Echos…
hymnische Stille-
leitende Blüten
im Strom…
And, god,
hell is known
by the word:
freedom…
Life hurts best, because you
have nothing to lose…
Nichts erreicht
den todesähnlichen Sound…
II
Die Seele sucht Vorkommnisse
von Abgrund
im Gestein….
Glitzert da Liebe? ...
be mine… the SoundHound… no time
“And anyone who ever played a part
oh wouldn't turn around and hate it…,”
The SoundHound bites
and hope is bleeding
to death
or to life…
The voice of Lou Reed.
Ein Streiflicht voraus, in die Dunkelheit…
urbane Zeitlosigkeit…
Ein gehärtetes Vorbild für Lässigkeit,
und Nähe aus simpler,
gescheuter,
einbeiniger Zuneigung…
Kaputte Zäune wildern
durch den klanglichen Wald…
Der Rhythm benachrichtigt das Ufern des Lebens,
die Gitarre ist die Hoffnung,
nach uns der Sandsturm…
woanders
suchst du vergebens.
Cause there is no answer
to the perfect day…
-Psychedelische Freiheit kam den Gedanken zuvor-
And the stars are only lights,
so they say…
Wer schreibt schon Gedichte,
die Welt liebt Musik.
In ihr liegt etwas,
das wir nicht ignorieren können.
(Timo Brandt)