Sonntag, 13. Dezember 2009

Stephen King - Die Arena


Es geschieht wie aus heiterem Himmel: Chester’s Mill, eine
US-Kleinstadt, ist von heute auf morgen von der Außenwelt abgeschnitten.
Eine geheimnisvolle unsichtbare Kuppel – es könnte ein
elektromagnetisches Feld sein – umschließt den Ort. Die Barriere,
deren Ursprung unbekannt ist, kapselt die 2000 Bewohner von der
Außenwelt ab.
Das ist die beunruhigende Ausgangssituation in Stephen Kings neuem
Roman „Die Arena“, ein 1280 Seiten umfassender Thriller für lange
Winterabende, der die wichtigsten Kriterien erfüllt: Er ist spannend,
unterhaltsam und intelligent geschrieben.
Nach zwei betulichen und geschwätzigen Büchern („Love“ und „Wahn“)
gibt der „King of Horror“ wieder richtig Gas. Wie unter einem
Brennglas – und das kann man ruhig wörtlich nehmen, ohne die Pointe am
Schluss zu verraten – skizziert er menschliches Verhalten in einer
Extremsituation und verdeutlicht, wie schnell sich faschistische
Machtstrukturen ausbreiten können und die Niedertracht des Menschen zum
Vorschein kommt – Motive, die King in seinen Büchern immer wieder neu
variiert.
Im Mittelpunkt des aktuellen Romans steht Dale Barbara, ein
Irak-Veteran, der sich als Gelegenheitskoch über Wasser hält. Die
Regierung, alarmiert über den Vorfall, nimmt per Handy – die Kuppel
lässt Funkwellen durch - Kontakt zu ihm auf, um ihm die Macht zu
übertragen.
Doch da sei der Provinzpolitiker „Big Jim“ vor, der im Ort das Sagen
hat. Er wittert Gefahr im Verzug und lässt die Reihen der Polizei mit
einer Horde psychopathischer Jugendlicher auffüllen – und
schwuppdiwupp entsteht eine SA-ähnliche Truppe, die vor Mord und
Vergewaltigung nicht zurückschreckt. Schon bald herrscht in
Chester’s Mill das reinste Chaos, zumal Big-Jim auch die
Lebensmittelvorräte und die Propangas-Vorräte für Stromgeneratoren
rationieren will.
Das ist nur das Gerüst des Romans. Zahlreiche Nebenstränge mit einer
– das ist der einzige Kritikpunkt – fast schon unüberschaubaren
Anzahl von Personen wuseln sich durch die Handlung, als wollte King
Autoren wie Charles Dickens oder Leo Tolstoi Konkurrenz machen. Die
meisten Einwohner von Chester' s Mill werden sterben, denn King ist
immer schon ein unbarmherziger Autor gewesen, wenn es um seine Figuren
geht.
Ein besinnlicher Roman zum Fest ist „Die Arena“ somit nicht, aber
auch kein unchristlicher, geht es wie immer bei King um den Kampf
zwischen Gut und Böse. Anhand dieses Mikrokosmos unter der Kuppel zeigt
uns King, wie die Welt im 21. Jahrhundert „tickt“. Der Irak–Krieg,
die Paranoia nach 9/11, die Schrecken des fundamentalen Christentums,
der Turbo-Kapitalismus und die Klimakatastrophe – all diese Themen
kommen vor, wenn auch nicht immer expressis verbis.
Wer will, kann diesen Roman aber auch als eine donnernde Predigt
verstehen, die King hält und mit der er uns ins Gewissen reden will.
Passt also doch zu Weihnachten: Schließlich ist jetzt die Zeit der
Besinnung.

„Die Arena“ von Stephen King ist im Heyne-Verlag erschienen und
kostet 26,95 Euro.
René Erdbrügger

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