Montag, 31. März 2025

"Holland": Wenn die Fassade bröckelt

 

Tulpen, Windmühlen und Klompen? Warum nicht? "Holland" spielt im Jahr 2000 in der Stadt Holland, Michigan, die für ihren starken niederländischen Einfluss bekannt ist. Die Protagonistin ist Nancy Vandergroot (Nicole Kidman), eine Lehrerin, die mit dem Optiker Fred Vandergroot (Matthew Macfadyen) verheiratet ist. Sie haben einen Sohn namens Harry.

Die Geschichte beginnt damit, dass Nancy ein Kindermädchen namens Candy verhört, da sie vermutet, dass diese einen Ohrring gestohlen hat. Dieser Vorfall wirft einen Schatten auf Nancys ohnehin schon vorhandenes Misstrauen. Als Fred dann zu einer weiteren Geschäftsreise aufbricht, wird Nancy stutzig. Sie findet ein zerknittertes Flugticket aus Madison, Wisconsin, obwohl Fred angeblich in einer anderen Stadt in Michigan sein sollte.


 

Überzeugt, dass Fred eine Affäre hat, beschließt Nancy, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei sucht sie die Hilfe ihres Kollegen Dave Delgado einem attraktiven neuen Lehrer an ihrer Schule. Zwischen Nancy und Dave entwickelt sich eine Anziehung, und während sie gemeinsam Freds Aktivitäten untersuchen, kommen sie sich näher. Der Film spielt mit der ironischen Situation, dass die beiden, die Untreue aufdecken wollen, selbst in Versuchung geraten.

Im Laufe ihrer Nachforschungen entdeckt Nancy immer mehr Ungereimtheiten und Geheimnisse um ihren Mann. Fred scheint ein Doppelleben zu führen, und die scheinbar perfekte Fassade ihrer Ehe und ihres Familienlebens beginnt zu bröckeln. Fred verbringt viel Zeit mit seiner Modelleisenbahn im Keller, die eine Miniaturversion von Holland darstellt – ein weiteres Symbol für die Künstlichkeit und die verborgenen Seiten der Stadt und ihrer Bewohner.

Der Film deutet an, dass hinter der malerischen Oberfläche von Holland, mit seinen Windmühlen und Tulpenfesten, dunklere Geheimnisse verborgen liegen. Nancy, die selbst mit ihrer Rolle als perfekte Ehefrau und Mutter ringt und sich nach etwas mehr Aufregung sehnt, wird immer tiefer in ein Netz aus Lügen und Täuschungen hineingezogen.

Die Coen-Brüder hätten es wahrscheinlich besser gemacht. Regisseurin Mimi Cave erreicht mit "Holland" zwar gegen Ende einige verstörende Momente, erklärt aber nie, warum die Figuren so handeln wie sie handeln.

"Holland" läuft auf Prime

Montag, 24. März 2025

"Severance" - Work-Life-Balance ad absurdum

 


"Severance", eine Mischung aus "Nummer 6", "Akte X", "Twin Peaks" und "Lost", wirft einen verstörenden Blick auf die Work-Life-Balance und die möglichen Folgen einer Technologie, die Arbeit und Privatleben vollständig trennt. Die Serie spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die Firma Lumon Industries ein Verfahren namens "Severance" anbietet. Dabei wird das Gehirn der Mitarbeiter so verändert, dass sie sich während der Arbeit nicht an ihr Privatleben erinnern können und umgekehrt. Die "Innies" (die Arbeits-Persönlichkeiten) und die "Outies" (die Privat-Persönlichkeiten) leben getrennte Leben und sind sich ihrer Existenz im jeweils anderen Bereich nicht bewusst.

Hochkarätiger Cast

Die Handlung folgt Mark Scout (Adam Scott), einem Mitarbeiter von Lumon, dessen "Innie" beginnt, die Realität seiner Existenz in Frage zu stellen. Zusammen mit seinen Kollegen Irving (John Turturro), Dylan (Zach Cherry) und Helly (Britt Lower) deckt er nach und nach die dunklen Geheimnisse von Lumon auf. Zum hochkarätigen Cast gehören neben Scott auch Patricia Arquette, John Turturro, Christopher Walken, und Tramell Tillman. Regie führen neben Ben Stiller unter anderem Uta Briesewitz und Jessica Lee Gagné.

Noch verrückter

Zu welchem Zweck sie das überhaupt tun, wissen sie gar nicht. Wer danach fragt oder die Firma infrage stellt, wird hart bestraft. Ja, auch ein wenig Kafka ist in der Serie zu finden. Die Dinge werden in der zweiten Staffel noch verrückter, besonders in der vierten Episode, in der die Vier auf einen Betriebsausflug geschickt werden. Oder was hat es mit der Abteilung auf sich, die sich um die Aufzucht von Ziegen kümmert?

Viele Fragen bleiben offen

Einige Rätsel werden gelöst, aber viele Fragen bleiben unbeantwortet. Auf Apple TV+ lief am Freitag. 22. März, die letzte Folge der zweiten Staffel, die mit einem Cliffhanger endet, über den man streiten kann. Marks "Innie" bleibt in den Räumen von Lumon wegen seiner Liebe zu Helly. Ein erzählerischer Kniff, um eine dritte Staffel zu rechtfertigen. Die wurde auch schon angekündigt - Mark darf seinen Arbeitsplatz vorerst behalten.

m Ende des Severance Staffel 2-Finales entscheidet sich Marks Arbeitsplatzpersönlichkeit für sein Love Interest Helly R. und flieht mit ihr zurück in die Flure und Räume von Lumon. Zusammen das Gebäude verlassen funktioniert nicht, vor allem wegen Helly.
Marks Arbeitsplatzpersönlichkeit für sein Love Interest Helly R. und flieht mit ihr zurück in die Flure und Räume von Lumo


 

Sonntag, 16. März 2025

"Delicious“ - Hinter der Idylle lauert der Horror

"Delicious" (2025) ist ein packender, psychologischer Thriller, der mit einer subtilen Spannung und tiefgründigen Charakterstudien überzeugt. Die Geschichte dreht sich um eine deutsche Familie, die ihre Sommerferien in einer eleganten Villa an der französischen Riviera verbringt. Als ein Unfall passiert, nehmen die Familienmitglieder eine junge Frau namens Theodora  auf, die auf der Durchreise ist. Doch was als Akt der Hilfsbereitschaft beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Spiel von Manipulation und Misstrauen.

Die atemberaubende Kulisse Südfrankreichs und die luxuriöse Villa kontrastieren perfekt mit der wachsenden, fast greifbaren Spannung zwischen den Figuren. Die idyllische Umgebung wird schnell von der dunklen, bedrohlichen Stimmung überschattet, die sich mit jedem weiteren Ereignis aufbaut.

Die Familie, die zunächst als harmonisch und einladend erscheint, wird nach und nach durch den Einfluss der jungen Frau in Frage gestellt. Ihre scheinbar naive und hilfsbedürftige Art entpuppt sich als strategisches Spiel, das die Familienmitglieder dazu zwingt, sich mit ihren eigenen Geheimnissen und verborgenen Wünschen auseinanderzusetzen. 


 

Die Erzählweise lässt den Zuschauer immer wieder zwischen Misstrauen und Sympathie für die Figuren schwanken. Was zu Beginn wie ein klassischer Thriller aussieht, entwickelt sich bald zu einer tiefgründigen Untersuchung von Moral, Vertrauen und den Konsequenzen von scheinbar gut gemeinten Handlungen. Die Dynamik innerhalb der Familie und ihre Reaktionen auf die zunehmende Bedrohung sind realistisch und emotional intensiv.

Das vermutlich bekannteste Gesicht des Films ist Fahri Yardım. Bekannt wurde er durch das Comedy-Format"Jerks" an der Seite von Christian Ulmen, doch er spielte beispielsweise auch schon in dem einen oder anderen "Tatort" mit.In weiteren Rollen sind Valerie Pachner ("The King's Man: The Beginning"), Carla Díaz ("Élite"), Caspar Hoffmann ("Notruf Hafenkante") und Julien de Saint Jean ("Le Paradis") zu sehen. 

Für das Drehbuch und die Regie zeichnet die Schauspielerin Nele Mueller-Stöfen verantwortlich, die mit einem großartigen Debüt überrascht. Das Ende der Serie ist besonders verstörend und lässt den Zuschauer mit einem Gefühl des Unbehagens zurück. Insgesamt kombiniert „Delicious“ psychologische Spannung, explizite Gewalt und sozialkritische Elemente, um einen wirkungsvollen Horror zu erzeugen.

"Delicious" läuft auf Netflix

 

 

Montag, 3. März 2025

"Anora" - "Pretty Woman" 2.0

 

"Pretty Woman" 2.0. Cinderalla in High Heels. Aber ohne Happy End. Das ist "Anora", eín Streifen, der aus dem aktuellen Kino-Müll heraussticht wie ein Diamant unter Katzengold.

"Anora", unter der Regie von Sean Baker, der zuvor mit Filmen wie "The Florida Project" und "Red Rocket" für Aufsehen sorgte, entfaltet sich als eine brillante Mischung aus Drama, Komödie und Gesellschaftskritik. Er entführt uns in die Welt der Stripperin und Sexarbeiterin Ani, die in einem New Yorker Nachtclub arbeitet und durch ihre Begegnung mit dem russischen Oligarchensohn Ivan in eine völlig neue Welt katapultiert wird.

Was zunächst als rein geschäftliche Beziehung zwischen den beiden beginnt, sie soll ihm eine Woche für 15.000 Dollar zur Verfügung stehen, so drastisch muss man das ausdrücken, entwickelt sich bald zu einer turbulenten Romanze, die nicht nur ihre Welt, sondern auch Ivans von Traditionen und Reichtum durchzogene Familie auf den Kopf stellt.


 

Die Geschichte könnte auf den ersten Blick an ein klassisches Märchen erinnern – ein einfaches Mädchen, das mit einem Prinzen aus einer ganz anderen Welt zusammenkommt. 

Anti-Cinderella“-Erzählung 

Doch Baker gelingt es meisterhaft, das Märchen in eine „Anti-Cinderella“-Erzählung zu transformieren, sie gegen den Strich zu erzählen und durch den Fleischwolf zu drehen. 

Der Film spielt mit den traditionellen Erzählmustern, indem er sie subversiv kommentiert und ein realistisches, kritisches Licht auf die gesellschaftlichen Strukturen wirft, die Menschen in ihren sozialen Positionen gefangen halten. In einer Welt, in der Macht und Geld bestimmen, wer oben und wer unten steht, ist Ani die, die sich ihren Platz auf ihre ganz eigene Weise erkämpft. Zunächst.

Mikey Madison, die Ani spielt, liefert eine schauspielerische Leistung, die sowohl mitreißend als auch tiefgründig ist. Sie schafft es, Ani als eine starke, aber zugleich verletzliche Figur darzustellen, die nicht nur mit ihrer eigenen Identität ringt, sondern auch mit den moralischen und emotionalen Dilemmata, die mit ihrer Arbeit verbunden sind. 

 


Ihre Darstellung ist roh, ehrlich und nie klischeehaft. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie sie zwischen Momenten der Selbstbestimmung und der Zerrissenheit hin und her pendeln, Hunderte von  "Fucks" auf den Lippen. 

Neben Madison sind auch die Nebendarsteller hervorragend in ihren Rollen, insbesondere Mark Eydelshteyn, der Ivan verkörpert, ein verwöhnter, reicher Bengel.

Sex, Alkohol, Drogen und PlayStation

Ihre Chemie auf der Leinwand lässt die Beziehung zwischen den beiden Charakteren authentisch wirken, was die emotionale Reise des Films umso mehr verstärkt. Ivan ist kein "Prinz", sondern ein junger oberflächlicher Mann, der von den Erwartungen seiner Familie und der Gesellschaft eingeengt wird und dem mit einem hedonistischen Lebensstil begegnet. Sex, Alkohol, Drogen und PlayStation-Zocken. Dies gibt der Geschichte eine zusätzliche Dimension und stellt die Frage, inwiefern wahre Freiheit in einer Welt, die auf Status und Geld fokussiert ist, überhaupt möglich ist. 

Baker gelingt es, die satirischen Elemente des Films zu einer scharfsinnigen Kritik an den Mechanismen der Macht und des Wohlstands zu verweben, ohne den emotionalen Kern der Geschichte aus den Augen zu verlieren. Dies macht "Anora" nicht nur zu einem unterhaltsamen, sondern auch zu einem tiefgründigen Film. 

Bei den Filmfestspielen von Cannes erhielt "Anora" die goldene Palme. Bei den Oscar-Verleihungen in Hollywood hat die Tragikomödie „Anora“ den Preis für den besten Film gewonnen. Insgesamt erhielt das Werk fünf Oscars. Zu Recht.