Wenn es um den Prozess der Terrorgruppe
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) geht, steht Beate Zschäpe als
Angeklagte immer im Vordergrund des Medieninteresses. Gut gekleidet,die
langen Haare frisch gewaschen, präsentiert sie sich im
Gerichtssaal. Sie schweigt und lächelt in die Kameras. Von Reue keine
Spur. Doch welche seelischen Abgründe verbergen sich hinter ihrer
aufgesetzten Fassade? Katja (Diane Kruger), der Antiheldin aus dem neuen
Film von Fatih Akin ("Soul Kitchen"; "The Cut"), hingegen ist der Schmerz ins
Gesicht geschrieben. Sie ist keine Täterin, sondern ein Opfer.
"Aus dem Nichts" beginnt mit einer Liebesheirat im
Gefängnis, wo Nuri (Numan Acar) wegen Drogenhandels einsitzt. Katja
hatte ihn während ihres Studiums kennengelernt, er war ihr Dealer. Acht
Jahre später ist Nuri rehabilitiert, integriert.
Er hat seine Vergangenheit hinter sich gelassen. Nuri betreibt in
Hamburg ein Steuerberaterbüro. Als Katjas Mann und ihr Sohn Rocco
(Rafael Santana) bei einem Nagelbombenanschlag in Hamburg-Altona
sterben, bricht ihre Welt zusammen. Die junge Frau ist wie
betäubt vom Schmerz. Niemand kann ihr in dieser Situation helfen. Die
folgenden Tage übersteht sie nur unter Drogen. Selbstmordgedanken plagen
sie.
Doch dann verhaftet die Polizei das Neonazi-Paar
Edda (Hanna Hilsdorf) und André Möller (Ulrich Friedrich Brandhoff).
Beide werden durch die vorgelegten Beweise schwer belastet. Andrés Vater
(Ulrich Tukur) gab der Polizei den entscheidenden
Hinweis. In dem folgenden Prozess vertritt Nuris bester Freund, der
Anwalt Danilo Fava (Denis Moschitto), Katja als Nebenklägerin. Doch
Verteidiger Haberbeck (Johannes Krisch) gelingt es, geschickt Zweifel zu
säen – die belastenden Beweise sind nicht so eindeutig,
wie zunächst angenommen. Eine zwiespältige Zeugenaussage wird zum
Zünglein an der Waage. Schließlich muss das Gericht die Angeklagten
freisprechen. In dubio pro reo - im Zweifelsfall für den Angeklagten.
Katja, die Frau mit dem Samurai-Tattoo, will das nicht
hinnehmen. Sie hat einen Plan.
"Aus dem Nichts" ist ein emotionaler Mix aus
Terrorismus-, Gerichts- und Rachedrama, der in Hamburg beginnt und in
Griechenland endet. Das mag in den heutigen um political correctness
bedachten Zeiten nicht jedem schmecken, zumal Fatih
Akin sich auf Katjas Seite stellt und dem Zuschauer keine Wahl lässt,
als es ihm gleichzutun. In Rückblenden zeigt
er das Glück der Familie vor dem Anschlag. Akin, der zusammen mit
Regisseur-Legende Hark Bohm ("Nordsee ist Mordsee")
das Drehbuch schrieb, geht es nicht um eine sachlich objektive
Auseinandersetzung mit dem Thema. Der deutsch-türkische Regisseur
zeigt, dass der Staat -wenn es um Neonazis und Rechtsextremismus geht -
auf dem rechten Auge immer blind zu sein scheint. Dafür
gibt er den Opfern, in diesem Fall Katja, eine Stimme. Die blonde,
blauäugige Diane Kruger, die man nur aus US-Blockbustern kennt, zeigt
hier, was sie schauspielerisch drauf hat. Die Wandlung von der flippigen
Mutter zum eiskalten Racheengel stellt sie
überzeugend dar. Für ihre darstellerische Leistung wurde sie in Cannes
mit der Goldenen Palme belohnt.
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