RasantesTempo und
einfallsreiche Effekte: Die Comic-Action-Reihe „X-Men“ geht in ihre
siebte Runde
Die Zukunft sieht düster aus: Kampfroboter, sogenannte
Sentinels, jagen die letzten übrig gebliebenen X-Men,
um sie in ein Internierungslager zu stecken. Der Tod ist ihnen gewiss.
Auch im siebten Teil der Marvel-Reihe gibt es Anspielungen auf den
Holocaust. Als 08/15-Comic-Adaption für den schnellen, flüchtigen
Gebrauch hat Regisseur Bryan Singer seine drei Beiträge
zu der Mutanten-Serie nie verstanden. Er wirbt für mehr Menschlichkeit
und Toleranz gegenüber anderen Lebensformen. Andererseits stellt er
die Geächteten der Gesellschaft, die Mutanten, vor das moralische
Dilemma, den richtigen, sprich ethisch integren Weg
für sich und die Menschheit zu wählen.
Bryan Singer liefert sein
„Opus magnum“ ab
Mit „X-Men: Zukunft ist
Vergangenheit“ liefert der 48-jährige Filmemacher, der sich derzeit
sexuellen Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt sieht, sein „Opus magnum“ –
sein bedeutendstes Werk – ab. Die siebte Comic-Adaption
der „X-Men“-Reihe zeigt, dass heutige Blockbuster nicht nur aus einer
Aneinanderreihung von krachenden Action-Szenen bestehen müssen, sondern
auch eine Geschichte erzählen können, in der es sogar längere, kluge
Dialoge gibt.
Nicht, dass „X-Men“ mit packenden, rasanten
Kampfszenen und überraschenden Special-Effects geizen würde. In einer
der wohl brillantesten und ausgeklügelsten Szene, die in den letzten
Monaten auf der großen Leinwand zu sehen war, ändert
der superschnelle Quicksilver (Evan Peters) die Flugbahn von Kugeln
(und noch so einiges mehr), während sich um ihn herum alles in Zeitlupe
bewegt.
Höllisch aufpassen muss man schon, um dem Plot zu
folgen, denn Singer geht in medias res – es gibt keine Einführung in die
Geschichte. Auch bei den zahlreich auftretenden Mutanten, bei denen
man – wie bei den vielen Charakteren in einem
Roman von Dostojewski oder Tolstoi – leicht die Übersicht verlieren
kann.
Gleich auf zwei Zeitebenen spielt die Handlung,
denn um dafür zu sorgen, dass es die Kampfroboter in der Zukunft erst
gar nicht gibt, schicken die zu besten Freunden gewordenen Mutanten
Professor X (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen)
– mit Hilfe der Mutantenkräfte von Kitty Pryde (Ellen Page) –
Wolverine (Hugh Jackman) in die 70er Jahre zurück. Ein klassisches Motiv
der Science Fiction und eine kleine, feine Hommage an die
„Terminator“-Reihe.
Wolverine, der grimmige Mutant, der im
Erregungszustand schnell die Krallen ausfährt, soll einen Anschlag auf
den Sentinel-Erfinder Dr. Bolivar Trask (Peter Dinklage spielt in „Game
of Thrones“ die Figur Tyrion Lannister) verhindern.
Der Tod des Wissenschaftlers hätte zur Folge, dass US-Präsident Nixon
(auch optisch kongenial: Mark Camacho) grünes Licht für das
Kampfroboter-Programm gibt. Es ist keine leichte Aufgabe für Wolverine,
denn Charles Xavier und Erik Lehnsherr – die jüngeren
Alter Egos werden hervorragend von James McAvoy und Michael Fassbender
gespielt – sind in dieser Zeitepoche noch Erzrivalen.
Ästhetisch ist der Film eine reine Augenweide: Die
3D-Bilder sind lupenrein. Während die Zukunft in kühler Optik gezeigt
wird, herrschen in den 70er Jahren warme Brauntöne vor. Lavalampen,
Pelzmäntel und Super-8-Kameras, deren Aufnahmen
clever als Footage-Material in den Film eingespielt werden, sorgen wie
die für die Ära typischen Songs für stimmiges Zeitkolorit. Und die
hinreißende Jennifer Lawrence („Tribute von Panem“) als blaue
Gestaltwandlerin Mystique stiehlt Storm (Halle Berry)
und Rogue (Anna Paquin), die nur Nebenrollen spielen, glatt die Show.
Doch reden wir nicht mehr lange um den heißen Brei
herum: „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ ist – mal abgesehen von der
außer Konkurrenz stehenden „Batman“-Trilogie von Christopher Nolan –
eine der besten Comicverfilmungen aller Zeiten.
Autor: René Erdbrügger
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