Matt Damon kämpft
in dem SF-Spektakel „Elysium“ gegen eine Zweiklassengesellschaft
Ex-Sträfling Max De Costa (Matt Damon). |
Söldner Kruger (Sharlto Copley) hat Max gefunden. Sony Pictures (2) |
So nah und doch so fern: Mit bloßen Augen sind von der Erde aus die Umrisse der Raumstation Elysium am Himmel zu sehen. Verheißungsvoll und schön „glitzert“ sie wie eine goldene Rolex oder ein Brillant-Ring von Tiffany. Dort oben, nur einen kurzen, etwa 20-minütigen Shuttle-Flug entfernt, leben die Schönen und Reichen. Es ist ein Paradies mit Villen, Pools und Gärten, wo Neuankömmlinge von der Verteidigungsministerin Delacourt (Jodie Foster; „Taxi Driver“, „Der Gott des Gemetzels“) mit Champagner empfangen werden, die Sonne immer scheint, die Luft klar und rein ist und es keine Sorgen gibt. Krankheiten wie Krebs werden dank entsprechender medizinischer Technik in nur wenigen Minuten geheilt.
Für die meisten
aber bleibt Elysium, in der griechischen Mythologie ist es die „Insel der
Seligen“, ein unerreichbares Ziel. Es
ist das Jahr 2154, in dem die Schere zwischen Reich und Arm weit auseinanderklafft.
Der Rest der Menschheit muss auf der Erde leben, die zu einem einzigen,
überbevölkerten Slum geworden ist, und für die Reichen schuften. Wer sich
illegal mit einem Shuttle der Station nähert, um Asyl zu suchen, wird auf Befehl
von Delacourt, Verfechterin eines Anti-Einwanderungsgesetzes, abgeschossen oder
deportiert.
Die ersten
Bilder des Science-Fiction-Films „Elysium“ zeigen Los Angeles, die Stadt, wo
ein Teil der Handlung spielt: zerstörte Häuser, aufsteigender Rauch, Dreck, Müll,
Armut und patrouillierende Roboterpolizisten à la „Robocop“ (1987). Es ist eine
viel düsterere Version einer Zukunftsstadt als sie in „Metropolis“ (1927) oder
„Blade Runner“ (1982) zu sehen ist – beides Klassiker des Genres, die mit ihren
visionären, visuell beeindruckenden Stadt-Architekturen Filmgeschichte
geschrieben haben.
Solche ästhetischen
Zukunfts-Metropolen passen nicht in das Konzept des „Elysium“-Regisseurs Neill
Blomkamp (33). Die Szenen auf der Erde wurden größtenteils auf einer riesigen Müllhalde
außerhalb von Mexico City gedreht, Vancouver diente als Schauplatz für die
Aufnahmen von Elysium – ein Bel Air hoch in luftiger Höhe. Doch die meiste Zeit
blickt der Zuschauer in eine gleißende, verdreckte und verwüstete Landschaft.
2009 landete
Blomkamp mit „District 9“ weltweit einen Überraschungshit in den Kinos. In dem kleinen
Science-Fiction-Thriller, der mit wenig Geld gedreht und
für vier Oscars nominiert wurde, erzählt der als Weißer in Südafrika
aufgewachsene Regisseur von käferartigen Außerirdischen, die in einem Ghetto in
Johannesburg kaserniert sind – eine kafkaeske, satirische Allegorie auf die Apartheit, die mit skurrilen
Einfällen nicht geizt. Hollywood wurde schnell aufmerksam auf den Wunderjungen.
Blomkamp bleibt
seiner Rolle als Sozialkritiker weiterhin treu. Aber für Nuancen, wie es sie noch
in „District 9“ gab, ist diesmal kein
Platz: In „Elysium“ erzählt er vom Aufstand der Besitzlosen gegen ihre Peiniger
– ein Thema, wie geschaffen für das Kino: „Metropolis“ und „Die Zeitmaschine“ (1960)
handeln davon, und zuletzt musste Tom
Cruise in „Oblivion“ antreten, um die Welt zu retten.
Die Aufgabe des
Heilsbringers - das auf seinem Rücken implantierte Exoskelett erinnert an ein
Kreuz - übernimmt hier der Ex-Sträfling Max De Costa (Matt Damon; „Promised
Land“). Als der Fabrikarbeiter eines Tages eine tödliche Strahlendosis
abbekommt und er nur noch fünf Tage zu leben hat, lässt er sich mit Verbrechern
ein. Der Deal: Er soll wichtige Informationen aus dem Gehirn des elysischen
Politikers John Carlyle (William Fichtner; „Lone Ranger“) im wahrsten Sinne des
Wortes herunterladen. Als Gegenleistung verlangt Max für sich und die an Leukämie erkrankte
Tochter seiner Freundin Frey (Alice Braga; City of God“) einen Shuttle-Flug zur Station, damit beide
die rettende medizinische Versorgung bekommen. Erschwert wird der Auftrag dadurch, dass der Söldner Kruger (Sharlto
Copley; „District 9“), ein herrlich fieser Filmbösewicht, Max auf den Fersen
ist.
Mag man
Blomkamp für seine Sicht der Dinge, bei der es nur Gut und Böse gibt,
belächeln, ihn als naiven Marxisten bezeichnen, aber die Inszenierung der brutalen,
ästhetisierten Kampfszenen auf dem Boden
und in der Luft, die einen Großteil des Films ausmachen, offenbart scheinbar einen
Menschen, den die US-Waffenlobby gern in ihren eigenen Reihen hätte. Nur: Im Dauer-Kugelhagel zerplatzt Blomkamps Kritik
am Turbo-Kapitalismus leider wie eine Seifenblase.
René
Erdbrügger
Erschienen am 16. August im Pinneberger
Tageblatt/Flensburger Tageblatt/sh:z
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