Samstag, 18. Oktober 2025

"Alien: Earth": Auf der Erde hört Dich jeder schreien

 

"Alien: Earth", die erste Serie aus dem ikonischen Sci-Fi-Horror-Universum, wagt einen mutigen und längst überfälligen Schritt: Sie holt das Grauen des Xenomorphs auf unseren Heimatplaneten. Für Fans, die sich nach neuen, philosophischen Dimensionen des Stoffes sehnen, bietet die Serie von Showrunner Noah Hawley (Fargo, Legion) eine erfrischende und dringend benötigte Erweiterung der bekannten Mythen. Frischer Wind durch Gesellschaftliche Kritik

Die größte Stärke von "Alien: Earth" liegt in der konsequenten Verankerung der Geschichte auf der Erde, die nur zwei Jahre vor den Ereignissen des ersten "Alien"-Films angesiedelt ist. Dieser zeitliche und örtliche Rahmen ermöglicht es der Serie, eine spannende gesellschaftliche und kapitalistische Kritik zu entfalten, die an die subtilen Untertöne des Originals erinnert, aber in eine moderne, dystopische Zukunft übersetzt wird. 


Im Zentrum steht hierbei oft die menschliche Hybris in Person des arroganten, extrem reichen Boy Kavalier, der als Parabel auf unsere heutigen Tech-Milliardäre gelesen werden kann. Sein Glaube, die Welt und sogar außerirdisches Leben kontrollieren und besitzen zu können, bildet den perfekten Nährboden für das Chaos.

Die Serie konzentriert sich nicht nur auf den puren Horror, sondern stellt tiefgründige Fragen über Transhumanismus, Bewusstsein und die Natur des menschlichen Körpers – insbesondere durch die Einführung der Synth-Kinder oder Transhumanen. Figuren wie Wendy und die anderen "Lost Boys" - Peter Pan lässt grüßen - bringen eine faszinierende, wenngleich teils umstrittene, Ebene in das Franchise, die sich deutlich von den beengten Korridoren der Raumschiffe abhebt. 

Über die Charaktere hinaus tragen auch neue außerirdische Lebensformen, wie das sogenannte Augen-Alien (T-Ocellus), dazu bei, neue Facetten "außerirdischen Lebens" zu präsentieren. Sehr gelungen.

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Montag, 13. Oktober 2025

"The Bear" erzählt, wie Perfektion zum Überlebenskampf wird

 

Mit vier Staffeln hat sich The Bear von einer lauten Küchenserie zu einem vielschichtigen Drama über Ehrgeiz, Verantwortung und familiäre Bindungen entwickelt. Was in Staffel 1 als hektischer Kampf um einen kleinen Sandwichladen begann, wächst Schritt für Schritt zu einer Geschichte über Selbstfindung und Teamgeist heran.

Die zweite Staffel verlagert den Fokus stärker auf die Figuren: Jeder aus dem chaotischen Küchenteam bekommt Raum, eigene Wege zu gehen und zu scheitern – oder zu reifen. Dabei beweist die Serie viel Gespür für leise Töne und glaubwürdige Emotionen.


 

In Staffel 3 zeigt sich der Preis des Erfolgs: Perfektionismus, Druck und persönliche Konflikte bedrohen das Erreichte. Die vierte Staffel schließlich zieht ein reifes Fazit – weniger laut, aber emotional tief. Sie erzählt davon, wie schwer es ist, Balance zwischen Leidenschaft und Leben zu finden.

Besonders erwähnenswert ist  Jeremy Allen White, der als Carmy eine der eindrucksvollsten TV-Leistungen der letzten Jahre liefert. Mit stiller Intensität und feinem Gespür für Unsicherheit, Wut und verletzliche Stärke macht er die innere Zerrissenheit seiner Figur spürbar. Seine Darstellung trägt die Serie – glaubwürdig, ungeschönt und oft schmerzhaft echt. 

The Bear, so heißt das Restaurant, bleibt auch nach vier Staffeln außergewöhnlich – intensiv gespielt, atmosphärisch dicht und mit einem Herz für gebrochene Charaktere. Eine Serie, die zeigt, dass Küche, Chaos und Kunst manchmal nah beieinander liegen. 

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Düsteres Familiendrama „Black Rabbit"

 

Die neue Netflix-Serie Black Rabbit ist ein düsteres Familiendrama mit Thriller-Elementen, das tief in die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen eintaucht. Im Mittelpunkt stehen zwei Brüder (Jude Law und Jason Bateman), deren Leben sich nach Jahren der Funkstille erneut kreuzen – mit weitreichenden Folgen. Während der eine ein angesehenes Nachtclub-Lokal in New York führt, kehrt der andere mit emotionalem Gepäck und finanziellen Problemen zurück und bringt eine ganze Kette von Konflikten ins Rollen.

Denn Vince (Bateman) ist ein instabiler Charakter mit zweifelhaftem Ruf. Früher kämpfte er mit einer Sucht und sitzt nun auf hohen Schulden bei gefährlichen Gläubigern. Sein Bruder Jake (Law) wird dadurch in eine unaufhaltsame Abwärtsspirale hineingezogen 

Atmosphärisch bewegt sich die Serie auf hohem Niveau. Die urbane Kulisse von New York wird stimmig und beklemmend eingefangen – mit viel Schatten, Neonlicht und einer ständigen Spannung, die in der Luft liegt. Visuell und akustisch ist Black Rabbit durchgehend hochwertig inszeniert, was den düsteren Ton der Geschichte unterstreicht.


 

Die schauspielerischen Leistungen sind ein weiterer Pluspunkt. Die Darsteller der beiden Brüder verkörpern ihre Rollen glaubwürdig und mit viel Tiefe. Besonders die inneren Spannungen und unausgesprochenen Konflikte innerhalb der Familie werden überzeugend dargestellt. Die Chemie zwischen den Figuren trägt maßgeblich dazu bei, dass die Geschichte trotz bekannter Grundmuster fesselt.

Inhaltlich bleibt die Serie jedoch nicht ganz frei von Schwächen. Viele der erzählten Themen – wie familiäre Schuld, persönliche Abgründe und kriminelle Verstrickungen – sind nicht neu und folgen bekannten Erzählmustern. Einige Entwicklungen wirken vorhersehbar, und in der Mitte verliert die Handlung stellenweise an Tempo. Nebenfiguren und Erzählstränge, die zunächst interessant erscheinen, werden nicht immer konsequent weitergeführt.

Trotzdem gelingt es Black Rabbit, eine dichte, emotionale Grundspannung aufrechtzuerhalten. Die Serie lebt weniger von spektakulären Wendungen als von der intensiven Darstellung zwischenmenschlicher Konflikte und der Frage, wie weit man gehen würde, um Familie zu retten – oder sich von ihr zu befreien.

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Sonntag, 7. September 2025

"Like a Complete Unknown" – Eine Hymne an den Mythos Dylan

 

"Like a Complete Unknown" ist kein gewöhnliches Biopic – es ist eine tief empfundene Hommage an einen Künstler, der nie wirklich greifbar war. Regisseur James Mangold gelingt das Kunststück, Bob Dylan nicht erklären zu wollen, sondern ihn in all seiner Widersprüchlichkeit erfahrbar zu machen. Der Film fokussiert sich auf die frühen Jahre Dylans, die Zeit, in der aus einem jungen Musiker aus Minnesota eine Ikone der Gegenkultur wurde.

Im Zentrum steht Timothée Chalamet, der mit einer fast unheimlichen Authentizität in die Rolle des jungen Dylan schlüpft. Er spielt nicht nur – er lebt die Figur: die Stimme, der Blick, das Spiel mit der Gitarre, selbst das Scheue und zugleich Durchdringende in seiner Präsenz. Chalamet singt selbst, und das mit überraschender Überzeugungskraft – kein Imitat, sondern eine sensible Annäherung.


 

Die Inszenierung verzichtet bewusst auf klassische Biopic-Dramaturgien. Stattdessen erleben wir Momente – fragmentarisch, poetisch, voller Atmosphäre. Die Kamera fängt das New York der frühen 1960er mit rauer Romantik ein: verrauchte Clubs, regennasse Straßen, spontane Jam-Sessions. Musik wird hier nicht zur bloßen Kulisse – sie ist das erzählerische Herz des Films. Wenn Dylan singt, dann spricht der Film – leise, eindringlich, wahrhaftig.

Bemerkenswert ist auch das Ensemble: Nebenrollen wie Joan Baez oder Pete Seeger erhalten eigene Nuancen, ohne die Hauptfigur zu überstrahlen. Doch trotz der starken Darsteller bleibt der Film stets bei Dylan – oder besser gesagt: bei dem Versuch, ihn zu begreifen, ohne ihn zu entmystifizieren.

Was diesen Film besonders macht, ist seine Zurückhaltung. "Like a Complete Unknown" versucht nicht, Antworten zu geben. Er stellt Fragen – über Identität, Kunst, Wahrheit und Wandel. Er zeigt einen Dylan, der sich entzieht, neu erfindet, aneckt. Und genau darin liegt seine Größe: Der Film bewahrt das Geheimnis, das Dylan umgibt. Und macht daraus großes Kino.

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Sonntag, 24. August 2025

"Black Bag" – Stilvoller Spionagefilm mit Tiefgang

 

Steven Soderbergh liefert mit "Black Bag" ein ungewöhnliches Spionagedrama ab: dialogreich, ruhig inszeniert und visuell elegant. Statt Action und Gadgets gibt es hier ein konzentriertes Kammerspiel zwischen zwei Agenten – und Ex-Partnern – gespielt von Michael Fassbender und Cate Blanchett.

Was als geheime Mission beginnt, entwickelt sich zu einem dichten psychologischen Duell, bei dem Wahrheit, Vertrauen und Verrat miteinander verschwimmen. Die Chemie der Hauptdarsteller ist fesselnd, die Dialoge pointiert, das Setting minimalistisch, aber atmosphärisch stark.

Soderbergh inszeniert präzise, fast schon literarisch – mit viel Subtext und wenig Spektakel. Wer klassische Spionagethriller im Stil von John le Carré mag, wird hier fündig. Wer auf Action und Tempo hofft, eher nicht.


 

Der Film dreht sich um das Ehepaar George (Michael Fassbender) und Kathryn (Cate Blanchett), beide hochrangige Agenten des britischen Geheimdienstes. Ihre Beziehung, die von gegenseitiger Täuschung und beruflicher Paranoia geprägt ist, wird auf die ultimative Probe gestellt, als Kathryn als Maulwurf verdächtigt wird. George muss sich entscheiden: seine Loyalität gegenüber seiner Frau oder gegenüber seinem Land.

Die größte Stärke von "Black Bag" sind die herausragenden Leistungen der Hauptdarsteller. Michael Fassbender spielt den Geheimdienstler mit einer faszinierenden Mischung aus professioneller Kälte und persönlicher Zerrissenheit. Cate Blanchett glänzt als seine undurchschaubare Frau, deren Motive bis zum Schluss im Dunkeln liegen. Ihre gemeinsamen Szenen, in denen jeder Satz eine potenzielle Lüge sein könnte, sind das Herzstück des Films.

Soderberghs Inszenierung ist bewusst minimalistisch: keine ausufernden Verfolgungsjagden oder Explosionen. Stattdessen konzentriert er sich auf beklemmende Verhörsituationen, leise Dialoge und eine kühle, urbane Ästhetik, die die emotionale Distanz der Charaktere perfekt widerspiegelt. Die Kameraführung, oft aus der Hand geführt, verstärkt das Gefühl der Unmittelbarkeit und der ständigen Überwachung.

Der Film besticht auch durch sein scharfes Drehbuch von David Koepp, das mit trockenem Witz und cleveren Enthüllungen gespickt ist. "Black Bag" ist ein Thriller, der das Publikum zum Nachdenken anregt und nicht nur passiv unterhält. Er spielt virtuos mit den Themen Vertrauen, Paranoia und der Frage, wie man die Wahrheit erkennt, wenn jeder im eigenen Umfeld ein professioneller Lügner ist.

Der Titel "Black Bag" bezieht sich auf eine verdeckte Operation, die in der Welt der Geheimdienste als "Black Bag Job" bekannt ist. Das ist der umgangssprachliche Ausdruck für einen geheimen Einbruch, bei dem es nicht um Diebstahl geht, sondern darum, an Informationen zu gelangen. Agenten brechen in eine Wohnung oder ein Büro ein, um beispielsweise Dokumente zu kopieren, Wanzen zu platzieren oder Daten zu stehlen. Solche Aktionen sind oft illegal und werden im Geheimen ausgeführt, weil sie die Grenzen des Gesetzes überschreiten.

Der Film verwendet diesen Begriff, um von Anfang an klarzumachen, dass es um eine Welt voller Geheimnisse und moralisch fragwürdiger Taktiken geht. Es geht nicht nur um physische Einbrüche, sondern auch um das Eindringen in das Privatleben und die Psyche von Menschen, was das zentrale Thema des Films perfekt widerspiegelt.

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Samstag, 23. August 2025

„Night Always Comes“: Existenzkampf in einer Nacht

 

Mit "Night Always Comes" liefert Netflix einen packenden Thriller, der die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Im Zentrum des Films (Regie Benjamin Caron) steht Lynette (Vanessa Kirby), die in einer einzigen Nacht alles riskiert, um das Zuhause, das sie mit ihrem Bruder teilt, vor der Zwangsräumung zu bewahren. Lynettes alleinerziehende, labile Mutter Doreen (Jennifer Jason Leigh) hat sich auf Pump plötzlich für 25.000 Dollar ein Auto gekauft. Das Geld war aber für die Anzahlung des Hauses gedacht. Der Hauskauf droht zu platzen, Obdachlosigkeit droht.

Vanessa Kirby bringt die Figur der Lynette mit einer Mischung aus Wut, Verzweiflung und Stärke zu Leben, die einfach mitreißend ist. Sie schafft es, die schwierige moralische Lage ihrer Figur greifbar zu machen und dem Zuschauer die Zerrissenheit ihrer Entscheidungen näherzubringen. Ihre schauspielerische Leistung ist definitiv der Höhepunkt des Films – sie verleiht Lynette Tiefe und Authentizität.


 

 
Was der Film "Night Always Comes" besonders sehenswert macht, ist sein Fokus auf das menschliche Drama der Geschichte. Der Film stellt die Frage, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, wenn es um ihre Existenz geht. Die Themen Armut, soziale Ungerechtigkeit und Gentrifizierung werden zwar angeschnitten, aber der Film stellt in erster Linie die menschliche Seite dieser Themen dar - einer der besten Filme des ganzen Jahres.

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„Heretic": Zwischen Glaube und Grauen

Was passiert, wenn der Glaube auf die Probe gestellt wird, nicht durch Zweifel, sondern durch eine völlige Zerstörung des Fundaments? "Heretic", der neue Film von Scott Beck und Bryan Woods, stellt genau diese Frage – und zeigt dabei, wie der Glaube gerade durch Herausforderungen gestärkt werden kann.

Zwei junge Missionarinnen landen in einem abgelegenen Haus, wo sie einem Mann begegnen, der ihre Überzeugungen auf die härteste Weise hinterfragt. Was als Gespräch über den Glauben beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Spiel aus Manipulation und psychologischen Angriffen.

Hught Grant liefert als Mr. Reed in "Heretic" eine meisterhaft komplexe Performance ab: charmant, bedrohlich und intellektuell intrigan­t. Sie zeigt, wie er alte Rollenmuster umkehrt.


 

Die beiden Nebendarstellerinnen, Sophie Thatcher (Sister Barnes) und Chloe East (Sister Paxton), liefern in "Heretic" kraftvolle, nuancierte Performances, die den Film emotional und thematisch tief verankern. Besonders authentisch wird das Spiel der beiden durch ihre eigene Herkunft: East und Thatcher wurden beide in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (LDS) erzogen – ein Detail, das den Regisseuren im Casting nicht bekannt war, das aber ihren Zugang zur Rolle stark unterstützt hat 

"Heretic" zeigt nicht einfach den Kampf zwischen Glauben und Unglauben, sondern stellt eine tiefere Frage: Was bleibt, wenn alles, woran du glaubst, auf den Prüfstand kommt? Der Film fordert den Zuschauer heraus, sich mit seinen eigenen Überzeugungen auseinanderzusetzen – und bietet keine leichten Antworten, sondern die Chance, den eigenen Glauben zu festigen.

Gerade für gläubige Zuschauer kann dieser Film eine wertvolle Reflexion sein, die den Glauben nicht untergräbt, sondern ihn aus neuen Perspektiven heraus stärkt mit schlagfertigen Argumenten.

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