Der Autor meines Lebens ist Stephen King – der
König des Horrors, wie er plakativ genannt wird. Was selbstverständlich
großer Quatsch ist, weil jedes seiner Werke auch immer ein Sprachrohr
der in Amerika zu kurz Gekommenen ist.
Seit mehr als 30 Jahren verschlinge ich seine
Romane und Kurzgeschichten. Ich könnte 15 seiner nur vordergründig als
Thriller getarnten Romane nennen, die mich in meinem Denken auf
irgendeine Art und Weise beeinflusst haben. Sein Opus
Magnum „Es“, 1985 in den USA erschienen, ist mir lieb und teuer.
Die deutsche Taschenbuchausgabe (Heyne, 14,99 Euro)
liegt wie ein Stein in der Hand. Sie hat 1534 kleingedruckte Seiten.
Allein durch zwei Verfilmungen ist der Plot, gespickt mit Anspielungen
aus Politik, Musik, Kultur und Geschichte,
in das kollektive Bewusstsein der Popkultur eingedrungen und so
gegenwärtig wie die Geschichte von „Hänsel und Gretel“.
Dabei ist der Roman eine der finstersten
Coming-of-Age-Geschichten aller Zeiten, ein bravouröser literarischer
Initiationsritus. Es ist das Jahr 1958: Die fiktive Kleinstadt Derry
wird von einer unerklärlichen Mordserie an Kindern heimgesucht.
Sieben Freunde, der „Club der Verlierer“, jagen das Monster, den Clown
Pennywise, der unterschiedliche Formen annehmen kann und sich von den
Ängsten der jungen Helden nährt, ihnen immer wieder auflauert. Jahre
später, 1985, müssen sie den Kampf gegen den
Clown erneut aufnehmen.
„Es“ - das ist der Name des Monsters, aber „Es“
ist auch psychoanalytisch konnotiert. Beim Begründer der
Psychoanalyse, Sigmund Freud, ist es der unbewusste, triebhafte Teil
der Persönlichkeit. Ganz konkret stellen sich die sieben Tapferen
in „Es“ ihren verdrängten Ängsten. Ur- wie Körperängsten
wohlgemerkt. Alle sind nicht mit sich im Reinen. Sie wurden gemobbt,
sexuell missbraucht. Haben Rassismus zu spüren bekommen. Die Wut kocht
in ihnen ebenso wie bei Jack Torrance aus „Shining“, ebenfalls
ein famoser King-Roman über aufgestaute Wut, die sich entlädt.
Dann ist Zahltag: Weil es ein kollektiver Albtraum
ist, an dem die Gruppe in „Es“ laboriert, kann die Lösung nur im
Schulterschluss liegen. Einer für alle, alle für einen. Und der Leser:
Er projiziert seine eigenen Obsessionen und Ängste
auf die Figuren. Im besten Fall haben die Romane von Stephen King immer
eine Wirkung wie antike Theaterstücke – sie sind Katharsis und
Psychoanalyse. Einen Stephen-King-Fan muss man sich nicht unbedingt als
blutrünstigen Menschen vorstellen. PS: Mit ES Kapitel 2 wird die Neuverfilmung von Stephen Kings It fortgesetzt. Das Sequel der Romanverfilmung behandelt die Erwachsenenjahre des Loser Clubs.
René Erdbrügger
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