Donnerstag, 11. Januar 2018

„Star Wars: Die letzten Jedi“ - Die Macht ist weiblich

Viele streamen Kinofilme nur noch auf Netflix, iTunes oder Sky. Sie sind jederzeit abrufbereit. 24 Stunden lang. Zu Hause in der Glotze, auf dem Tablet oder auf dem Smartphone. Die Zeiten, wo man den Premieren von "ET", "Jäger des verlorenen Schatzes" oder "Terminator" in den Lichtspielhäusern monatelang entgegenfieberte, sind längst vorbei. Filme sind beliebig geworden wie berühmte Gemälde, von denen es etliche Kunstdrucke gibt. Im Wesentlichen gibt es nur noch zwei Großereignisse, die uns wieder ins Kino locken und uns daran erinnern, was Vorfreude ist: der neue Bond oder der neue Star Wars.
Je größer die Erwartung, desto größer wiegt aber auch die Enttäuschung: Die Kritiker lieben  "Star Wars - Die letzten Jedi", aber die Fan-Gemeinde ist gespalten. Auf der Internetseite Rotten tomatoes, auf der die Kritiken gesammelt werden und der Durchschnitt aller Bewertungen erstellt wird,  haben 90 Prozent der Journalisten wohlwollende Rezensionen über die achte Episode der Weltraumsaga geschrieben, aber nur jeder zweite Zuschauer findet warme Worte für den SF-Streifen. Die Fans sind auf der Zinne: Im Internet kursieren jetzt sogar an die Produktionsfirma Disney gerichtete Petitionen, den Film  aus der Reihe zu verbannen.
Harter Tobak, leider ist die Kritik der Hardcore-Fans nicht unbegründet. J. J. Abrams, der hier als ausführender Produzent wirkte, hat vor zwei Jahren mit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ vorgelegt und das Flair der frühen Star-Wars-Filme eingefangen. Sehr viel Nostalgie und ein paar neue Ideen zeichnen seinen Film aus, der wie ein makelloses Remake vom ersten Star Wars aus dem Jahr 1977 anmutet. Abrams Relaunch hauchte der Serie genauso neues Leben ein wie "Casino Royale" der James-Bond-Reihe.
Ob Regisseur Rian Johnson („Looper“) ähnliche Ambitionen hatte? Episode acht spricht eine andere Sprache: Der Film ist mit 150 Minuten viel zu lang, die Dramaturgie hakt an einigen Stellen, obwohl er die für die Star-Wars-Filme übliche dreiteilige Erzählstruktur beibehält, die Entwicklung bekannter Charaktere ist gewöhnungsbedürftig, die Gags sind einem jungen Publikum geschuldet und oft beschleicht einen das Gefühl, Johnson verrät ideelle Grundfeste des Star-Wars-Mythos, die gar nicht zur Debatte stehen dürften. 
Los geht es mit einer soliden Weltraumschlacht. Schnell ist man im Film. Die Evakuierung der Rebellenbasis ist in vollem Gange, als plötzlich mehrere Sternenzerstörer am Himmel auftauchen. Unter dem Kommando von  General Hux sollen die Raumschiffe der „Ersten Ordnung“ die letzten Anhänger des Widerstands vernichten. Die Flotte, angeführt von Generalin Leia Organa (Carrie Fisher), flüchtet sich in den  Hyperraum und ist auf der Suche nach einer neuen Basis. Doch die Sternenzerstörer sind ihnen auf den Fersen.
Währenddessen wechselt die Erzählung zum Wasser- und Inselplaneten Ahch-To. Dort hat die junge Rebellin  Rey bereits am Ende von "Das Erwachen der Macht" den verschollenen Luke Skywalker (grandios: Mark Hamill) gefunden.  Jetzt erhofft sie sich, von ihm ausgebildet zu werden. Doch Skywalker, mittlerweile ein Grantler, will davon nichts wissen. Die Zeit der Jedi sei vorbei, er würde die Insel nie mehr verlassen. Es sei seine Schuld, dass sich sein Neffe Kylo Ren der dunklen Seite der Macht zugewendet habe, sein Versagen. Rey wird an diesem besonderen Ort bewusst, dass sie eine telepathische Verbindung zu  Kylo Ren hat und glaubt, ihn von der dunklen Seite der Macht abbringen zu können.
Ein weiterer Erzählstrang ist der erfolglose Versuch von Finn und der neu eingeführten Figur Rose, einer Wartungsoffizierin, mit Hilfe eines Meister-Code-Knackers das Peilsystem auf dem Zerstörer der Ersten Ordnung zu deaktivieren, mit dem die Rebellenschiffe auch im Hyperraum geortet werden können. Die Suche nach dem Code-Knacker führt sie auf einen Casino-Planeten. Dort schlürfen reiche Aliens Champagner, lassen die Roulette-Kugeln kreisen und halten Kinder als Sklaven. Finn und Rose werden wegen Falschparkens (ihres Raumschiffs!!) ins Gefängnis gebracht, wo sie DJ kennen lernen, der sich ebenfalls mit dem Knacken von Codes auskennt. Er ist nicht der gesuchte Mann, aber gegen Bezahlung will er den Job übernehmen. Zusammen brechen sie aus und fliehen. Ihre Mission auf dem Zerstörer scheitert jedoch, denn DJ verrät sie.
Und so geht es hin und her. Von Szene zu Szene. Johnson verliert sich in strunzdummen Dialogen ("Zieh Dir doch endlich ein Hemd an", sagt die schamhafte Rey und wendet ihren Blick von dem halbbekleideten Kylo Ren ab, obwohl sie ihn nur in Gedanken vor sich sieht),  und einer Vielzahl neuer Charaktere, darunter die pummelige Wartungsoffizierin Rose Tico (Kelly Marie Tran), schon jetzt bei den Fans eine Hassfigur wie einst Jar Jar Binks, die Admiralin Amilyn Holdo (Laura Dern), die das Kommando über die Flotte übernimmt, als Generalin Leia Organa im Koma liegt. Mit ihrem Abendkleid und der frischen Dauerwelle sieht sie aus, als wollte sie gleich eine Opernvorstellung besuchen. Und  DJ  (Benicio Del Toro), ein Code-Knacker, zählt dazu. Monster mit entzündeten Zitzen, die von Luke gemolken werden, oder Plastik-Vögel, die Chewbacca signalisieren, dass sie es nicht in Ordnung finden, dass er sie essen will,und zu guter Letzt die seltsamen Wesen, die sich um die Wäsche kümmern und für Ordnung sorgen. Alles ein wenig too much.
Champagner schlürfende Außerirdische? Spätestens jetzt schaut der eine oder andere Kinobesucher auf die Uhr, wie lange der Film noch dauert. In Erwartung auf einen Showdown. Man fängt an zu überlegen: Kanonenkugeln, die im schwerelosen Weltraum nach unten fallen, Waffenhändler, die ihre Waren an die Rebellen und die Erste Ordnung verkaufen, Raumschiffe, denen der Treibstoff ausgeht, und eine Carrie Fischer, die im All wie Mary Poppins herumfliegt, und eine Portion Gesellschaftskritik. Es bleiben nur noch sechs Stunden, bis der Treibstoff ausgeht, aber alle agieren, als hätte man alle Zeit der Welt. Es kommt keine Spannung auf. Mag man das oder nervt es nur noch?
Was Johnson alles in sein Drehbuch hineingeschrieben hat, ist oft hanebüchen oder belanglos. Wieso sollen Reys Eltern nur Schrotthändler gewesen sein? Schließlich hat sie die Macht der Jedi und Luke Skywalkers Lichtschwert ist für sie bestimmt. Die Fans hatten auf eine andere Erklärung gehofft, die in den großen Kontext der Saga passen würde.
Das Motto dieses Films könnte auch lauten: "The force is female" ("Die Macht ist weiblich"). Im Internet gibt es ein Foto von  Star Wars-Produzentin  Kathleen Kennedy, die diesen Schriftzug auf ihrem T-Shirt trägt. Wie viel Mitspracherecht mag sie wohl gehabt haben?
Beispiele für den Geschlechterwandel gibt es zuhauf: So wird der in Episode 7 eingeführte Pilot Poe (Domnhall Gleason), ein Han-Solo-Verschnitt, sehr schnell von der Admiralin als leichtsinniger Dummkopf kaltgestellt.  Sturmtruppler Finn, der im vorigen Teil noch beherzt mit Rey gegen die dunkle Macht kämpfte, wird hier als Feigling dargestellt ebenso wie Skywalker, der von der Macht nichts mehr wissen will, sie in Frage stellt und sich weigert, in den Krieg zu ziehen. Snoke (Andy Serkis), der Anführer der „Ersten Ordnung“ und nebenbei ein wunderbarer Star-Wars-Filmschurke, muss auch dran glauben. Von seiner Herkunft und Rolle im Spiel von Gut und Böse erfahren wir nichts.  Am Ende richten es die Frauen. Das Gender Mainstreaming hat Einzug bei Star Wars gehalten, leider steht die Waage nicht im Gleichgewicht.
Allerdings versöhnt Episode 8 mit dem Schlussakkord auf einem Salzplaneten - eine gelungene Hommage an den Kampf auf dem  Eisplaneten aus "Das Imperium schlägt zurück".  Mit ein paar schönen Einfällen¸ beispielsweise dem Rashomon-Effekt, zurückgehend  auf den japanischen Regisseur  Akira Kurosawa (1910 - 1998),  überrascht Johnson die Cineasten. Der Konflikt zwischen Skywalker und Kylo, der zum Zerwürfnis geführt hat, wird aus einander widersprechenden Sichtweisen beleuchtet. Dem Zuschauer obliegt es, sich selbst ein Bild davon zu machen. Des Weiteren werden Filme wie "Rio Bravo", "Herr der Ringe" und "Oliver Twist" zitiert. Johnson will einfach zu viel, ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: eine gut strukturierte Geschichte ohne Widersprüche und Ballast im Geist des Star Wars-Mythos zu erzählen.
Vielleicht sollten wir „Star Wars: Die letzten Jedi“ nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Er ist  das Bindeglied der neuen Trilogie. Für den neunten Teil der Saga ist wieder J.J Abrams verantwortlich. Die Aufgabe wird nicht leicht sein. Fast alle alten Helden sind ausgelöscht, die Story aber nicht groß von der Stelle gekommen. Einen Cliffhanger gibt es diesmal auch nicht. Möge die Macht mit J.J Abrams sein.

René Erdbrügger


ORIGINALTITEL
STAR WARS: THE LAST JEDI
PRODUKTIONSLAND
USA
PRODUKTIONSJAHR
2017
REGIE
Rian Johnson
BUCH
Rian Johnson
KAMERA
Steve Yedlin
SCHNITT
Bob Ducsay
DARSTELLER Mark Hamill (Luke Skywalker) · Carrie Fisher (Leia Organa) · Adam Driver (Kylo Ren) · Daisy Ridley (Rey) ·John Boyega (Finn)
LÄNGE 150 Minuten



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